Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- López Obrador und die Presse: Mexikos Präsident verteilt Zensuren
> Der mexikanische Präsident López Obrador schimpft bei Pressekonferenzen
> über Journalisten. Die Mehrheit von ihnen sei verrottet.
Bild: Medienschaffende, die ihn kritisieren, beschimpft er als konservativ: Lop…
Andrés Manuel López Obrador mag keine Katastrophenbilder. Regelmäßig betont
der mexikanische Präsident, man sei seit Monaten auf das Coronavirus
vorbereitet und es gebe keinen Grund zur Panik. Wenig verwunderlich also,
dass ihm das Titelbild, das die Wochenzeitung proceso jüngst
veröffentlichte, gar nicht gefiel. „Der Albtraum“, war dort zu lesen,
bebildert mit einer Aufnahme von Bestattern in Schutzkleidung, die Leichen
in ein Krematorium tragen.
In der Tat helfen solche Aufmacher wenig, wenn es gilt, die Menschen zu
beruhigen und rationales Handeln zu fördern. Und sicher hatte [1][López
Obrador] recht, als er sagte, der proceso-Gründer Julio Scherer würde sich
bei solchen Titelbildern im Grabe umdrehen.
So weit, so gut. Doch der Staatschef projizierte den Titel in einer seiner
täglichen Pressekonferenzen auf eine Leinwand und prangerte ihn aggressiv
an. Die Mehrheit der Journalisten sei verrottet, einen professionellen,
unabhängigen Journalismus gebe es nicht, schimpfte er später und zählte
namentlich auf, welche Pressevertreter was taugten und welche nicht.
Zugleich betont er: „Ich zensiere nichts, nichts, nichts. Verbieten ist
verboten.“
López Obrador würde in der Tat nicht zensieren, verteilt aber ständig
Zensuren. Medienschaffende, die ihn kritisieren, beschimpft er als
konservativ. Das trifft Wirtschaftsjournalisten, die Unternehmern nahe
stehen, ebenso wie linke Reporterinnen, die seine Großprojekte auf Kosten
der indigenen Bevölkerung infrage stellen.
## Tödliche Hetze gegen Journalisten
Wem seine Politik nicht gefällt, der wird seiner Ansicht nach von rechten
Mächten geleitet, die ihn stürzen wollen. In einem Land, in dem mit [2][am
meisten Journalisten weltweit ermordet] werden, kann solche Hetze tödlich
sein. Die Organisation für Pressefreiheit, Artículo 21, forderte den
Staatschef deshalb auf, sein Stigmatisieren einzustellen.
Nicht immer ist nachvollziehbar, wer für López Obrador von bösen Mächten
geleitet wird und wer nicht. Jüngst erklärte der Moderator Javier Alatorre
im Fernsehsender TV Azteca, man solle die Maßnahmen zur
[3][Covid-19-Bekämpfung der Regierung] ignorieren. Das ist etwa so, als
würde Caren Miosga in den „Tagesthemen“ dazu aufrufen, Coronapartys am
Brandenburger Tor zu feiern.
Außer Frage stand, dass hinter den Äußerungen Alatorres der
TV-Azteca-Besitzer Ricardo Salinas Pliego steht. Denn Pliego ist Eigentümer
der Firmenkette Grupo Salinas, die schwer unter den Restriktionen leidet.
Und er ist ein Partner des Präsidenten. Nicht zuletzt die Geschäfte mit der
Regierung machten ihn zum zweitreichsten Mann Mexikos.
Seine Versicherungen schützen den öffentlichen Sektor, ein Unternehmen
sorgt für die Videoüberwachung in Mexiko-Stadt. Und so hatte López Obrador
große Nachsicht mit dem Moderator. Sein „Freund Javier Alatorre“ habe sich
halt mal geirrt, sagte er, aber nun dürfe man ihn auf keinen Fall politisch
lynchen.
## Der Coronabeauftrage als Shootingstar
Dennoch wurden massiv Forderungen laut, TV Azteca die Lizenz zu entziehen.
Das liegt auch daran, dass Alatorre etwas getan hat, was man derzeit auf
keinen Fall tun sollte: Er hat Hugo López-Gatell angegriffen. Der
Coronabeauftragte der Regierung ist Mexikos Shootingstar. Im Internet
zirkulieren Jugendfotos des 51-Jährigen, Frauen schicken Liebesbriefe, auf
WhatsApp machen Sticker die Runde, selbst Lieder sind dem Epidemiologen
gewidmet.
López-Gatell spricht in einer täglichen Sondersendung besonnen, eloquent
und Vertrauen erweckend über die aktuelle Entwicklung: über den Sinn des
Zuhausebleibens, über die neuen Totenzahlen und selbst über den
„Bioethik-Führer“ – jene Vorgaben, die angesichts mangelnder medizinisch…
Versorgung regeln, wer an ein Beatmungsgerät angeschlossen und wer sterben
wird. „Der López in diesen Zeiten ist nicht Andrés Manuel, sondern Gatell�…
titelte jüngst eine Tageszeitung. Das ist auch gut so.
6 May 2020
## LINKS
[1] /Getoetete-Frauen-in-Lateinamerika/!5666531
[2] /Mexikos-Praesident-Lopez-Obrador/!5657957
[3] /Essayband-zu-Corona-Pandemie/!5676613
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Kolumne Latin Affairs
Schwerpunkt Coronavirus
Mexiko
Journalismus
Mexiko
Kolumne Latin Affairs
Schwerpunkt Coronavirus
Brasilien
El Salvador
Kolumne Latin Affairs
Andrés Manuel López Obrador
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mexikos schwere Coronakrise: Tödliche Fehler
Nur in den USA und Brasilien sind mehr Menschen an Covid-19 gestorben als
in Mexiko. Präsident López Obrador hat die Pandemie lange verharmlost.
Indigene Geschichtsschreibung: Federschmuck zur Glorifizierung
Der mexikanische Präsident fordert die Rückgabe eines Aztekenkopfschmucks
von der Stadt Wien. Das nützt den Indigenen allerdings wenig.
Hier spricht der Präsident: The Greatest
Eine Studie dreier Journalisten der „New York Times“ zeigt: Der größte Te…
von Donald Trumps öffentlichen Äußerungen entfällt auf Eigenlob.
Pressefreiheit in Brasilien und den USA: Wo Leugner und Lügner regieren
Brasiliens rechtsradikaler Präsident blafft die Medien an. Auch mithilfe
einer loyalen Basis faktenignoranter Jasager.
Gewalt in El Salvador: Mit der Lizenz zum Töten
Nach einer Mordwelle geht Präsident Bukele heftigst gegen Banden vor. Die
normale Bevölkerung muss derweil mit rigiden Corona-Maßnahmen leben.
Essayband zu Corona-Pandemie: Die tödliche Suppe von Wuhan
Der Argentinier Pablo Amadeo hat 15 Essays von Philosophen zur Coronakrise
zu einem Buch zusammengefasst – und stößt auf großen Widerhall.
Proteste in Mexiko: Jeden Tag zehn tote Frauen
In Mexiko gehen Tausende gegen Feminizide und sexuelle Gewalt auf die
Straßen. Der Druck auf Präsident López Obrador wächst weiter.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.