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# taz.de -- Gewalt in El Salvador: Mit der Lizenz zum Töten
> Nach einer Mordwelle geht Präsident Bukele heftigst gegen Banden vor. Die
> normale Bevölkerung muss derweil mit rigiden Corona-Maßnahmen leben.
Bild: Gefängnisbilder wie diese veröffentlichte der Präsident als Warnung an…
Oaxaca taz | Hunderte junge Männer, die Köpfe kahl geschoren, gefesselt und
halbnackt auf dem Boden kniend – es waren schockierende Bilder, die in
diesen Tagen aus den Gefängnissen El Salvadors um die Welt gingen. Genau
das hatte Präsident Nayib Bukele im Sinn, als er Anfang der Woche dafür
sorgte, dass die Fotos an die Öffentlichkeit gerieten. Die Aufnahmen
sollten klar stellen, dass er es ernst meint. „Wir werden dafür sorgen,
dass die für die Morde verantwortlichen Bandenmitglieder ihre Entscheidung
ihr Leben lang bereuen“, schrieb der Staatschef auf Twitter.
In den Tagen zuvor hatte das mittelamerikanische Land eine Welle der Gewalt
erlebt: 58 Menschen wurden ermordet. Für die Taten werden Jugendbanden,
sogenannte Maras, verantwortlich gemacht. Der Befehl für das Töten sei dem
Geheimdienst zufolge aus den Haftanstalten gekommen, ließ Bukele wissen.
Von nun an würden die Zellen an 24 Stunden am Tag komplett geschlossen
würden, zudem werden Mitglieder verfeindeter Mara-Gruppen zusammengelegt.
„Sie werden drin sein, im Dunkeln, mit ihren Freunden von den anderen
Banden“, twitterte der Präsident sarkastisch.
„Das führt zu mehr Gewalt, aber auch zu neuen Allianzen“, befürchtet
Alejandra Burgos vom salvadorianischen Colectivo Feminista gegenüber der
taz. Um das zu verhindern, wurden die Kriminellen bislang bewusst in
getrennten Trakten gefangen gehalten.
Bukele, [1][der vor allem über Twitter kommuniziert], erlaubte darüber
hinaus Soldaten und Polizisten, bei ihrer Jagd auf Maras auch tödliche
Gewalt anzuwenden. Das sei eine „Blankovollmacht zum Morden“, kritisierte
José Miguel Vivanco, der Leiter des Amerika-Büros von Human Rights Watch.
Der Präsident garantierte den Sicherheitskräften zudem juristische
Schützenhilfe für den Fall, dass sie „zu Unrecht angeklagt werden, weil sie
ihr Leben und das von ehrbaren Menschen gegen Terroristen verteidigt
haben“. Die Maras würden es ausnutzen, dass die Beamten mit Kontrollen
wegen des Covid-19-Virus beschäftigt seien.
## Wer gegen Corona-Regeln verstößt, wird eingesperrt
Erst am Dienstag hat die Regierung die Ausgangssperren zur Bekämpfung der
Pandemie bis zum 16. Mai verlängert. Wer sich unerlaubt auf der Straße
bewegt, wird festgenommen und muss 30 Tage in „Eindämmungszentren“
verbringen. Der 38-jährige autokratisch regierende Präsident steht wegen
der restriktiven Maßnahmen heftig in der Kritik, Menschenrechtsgruppen
prangern sein Vorgehen an. Mehr als 2000 Menschen wurden eingesperrt, weil
sie die Regeln missachtet haben.
Immer wieder berichten Betroffene, dass sie sich in den Eindämmungszentren
angesteckt haben. Das fünfköpfige Oberste Verfassungsgericht El Salvadors
hatte die Inhaftierung untersagt, doch das stört Bukele wenig: „Fünf
Personen werden nicht über den Tod von hunderttausenden Salvadorianern
entscheiden, so viel Tinte und Stempel sie auch haben.“
Dass sich der Staatschef wenig um legale Vorgaben kümmert, hat er bereits
im Februar gezeigt. Weil sich das Parlament geweigert hatte, einem Kredit
für den Ausbau des Sicherheitsapparats zuzustimmen, [2][ließ er die Armee
im Abgeordnetenhaus aufmarschieren]. Die starke Einbeziehung der Soldaten
gegen die Pandemie sei eine Fortsetzung dieser Politik, so die
Menschenrechtsaktivistin Burgos. „Es geht darum, ein militaristisches
Narrativ von den Helden der Nation zu schaffen.“
Die restriktiven Maßnahmen gegen das Virus stoßen in der Bevölkerung
allerdings auf Zustimmung. Jüngsten Umfragen des
Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge unterstützen 97 Prozent der
Salvadorianer Bukeles Vorgehen.
## Mordrate seit Bukeles Amtsübernahmen stark gesunken
Bukeles autokratischer Regierungsstil kommt gut an, schließlich ist die
Mordrate seit seiner Amtsübernahme massiv gesunken. Mit drei bis vier
Menschen sterben so wenig Menschen wie nie in diesem Jahrtausend eines
gewaltsamen Todes. Warum es am Wochenende zu der Eskalation kam, ist
unklar.
Nicht auszuschließen sei, dass ein Pakt zwischen Bukele und den Maras
zerbrochen sei, vermutet Burgos. Vorher hatten die Banden mit dafür
gesorgt, dass die Menschen in den von ihnen kontrollierten Vierteln die
„soziale Distanz“ einhielten.
30 Apr 2020
## LINKS
[1] /Neuer-Praesident-von-El-Salvador/!5567441
[2] /Verfassungskrise-in-El-Salvador/!5663344
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
El Salvador
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