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# taz.de -- Gewalt in El Salvador: Gegen Banden und Recht
> El Salvadors Präsident reagiert auf eine Gewaltwelle mit Ausnahmezustand,
> Massenfestnahmen und öffentlicher Demütigung von Gefangenen.
Bild: El Salvadors Präsident lässt gefangene Bandenmitglieder demütigen
Berlin taz | Im zentralamerikanischen El Salvador eskaliert der Konflikt
zwischen den bewaffneten [1][Pandillas] und dem Staat. Am Freitag und
Samstag waren an verschiedenen Orten des Landes, in denen die größte und
bekannteste Organisation Mara Salvatrucha (MS-13) tonangebend ist,
insgesamt über 70 Menschen ermordet worden. Präsident Nayib Bukele ließ
daraufhin in einer nächtlichen Sondersitzung des Parlaments einen
Ausnahmezustand beschließen, der schon am Sonntag in Kraft trat.
Damit sind bestimmte Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit ist eingeschränkt, das Brief- und
Kommunikationsgeheimnis darf auch ohne richterliche Anordnung verletzt
werden. Und vor allem: Polizei und Militär dürfen festnehmen, wen auch
immer sie für verdächtig halten und zunächst für 15 Tage – statt bisher 72
Stunden – ins Gefängnis stecken.
Insbesondere Letzteres ließ Bukele sofort umsetzen: Allein am Sonntag und
Montag wurden laut Bukele rund 1.400 Personen festgenommen – bei denen es
sich nach Regierungsangaben ausschließlich um gefährliche Kriminelle
handele. Man werde sie ganz sicher nicht wieder freilassen, verkündete
Bukele auf [2][Twitter]. Im Gegenteil: 70.000 seien noch auf freiem Fuß,
und wenn man 1.400 Festnahmen in zwei Tagen schaffe, sei das ein guter
Start in einen zunächst auf 30 Tage begrenzten Ausnahmezustand.
Ebenfalls per Kurznachrichtendienst – einem der [3][wichtigsten
Kommunikationskanäle des Präsidenten] – veröffentlichte Bukele eine
[4][Warnung] an die Pandillas: Wenn sie nicht mit dem Morden aufhörten,
würden dafür auch ihre 16.000 Gefangenen in den Haftanstalten bezahlen. Man
habe ihnen das Essen reduziert, ihnen jegliche persönliche Habe abgenommen,
lasse sie nunmehr ohne Matratzen auf dem nackten Boden schlafen und
schließe sie ohne Hofgang 24 Stunden am Tag in den Zellen ein.
## Soll doch das Ausland sich um Menschenrechte sorgen!
Dazu veröffentlichte Bukele ein [5][Video], in dem zu sehen ist, wie in
einer Haftanstalt Hunderte Gefangene nur in der Unterhose aus ihren Zellen
geholt werden. Maskierte Polizisten fesseln ihnen die Hände auf dem Rücken
und zerren sie brutal in die Sonne auf dem Gefängnishof, wo sie sich eng
aneinander hinsetzen müssen.
Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen reagierten sofort
auf diese offensichtlichen Verletzungen jeglicher rechtlicher Standards.
Doch der Präsident hat dafür nur Verachtung übrig. In einer ganzen Serie
von Tweets fordert er die internationale Gemeinschaft auf, „diese
Engelchen“ doch bei sich aufzunehmen, wenn man sich so sehr um die
Menschenrechte von Mördern sorge. Auch Richter*innen, die seine
Handlungsweise für illegal erklären könnten, kanzelte er sofort ab: Man
warte bloß noch auf Richter, die sich auf die Seite von Verbrechern
stellten.
Was der Grund für die Gewaltwelle vom Wochenende war, ist Spekulation. Der
Großteil der Opfer hatte laut Polizeiangaben keinerlei Verbindung zu den
kriminellen Organisationen.
Möglich ist, dass die Pandillas mit der Mordserie auf ein Scheitern der
geheimen Verhandlungen reagierten, die Bukele nach [6][Recherchen der
unabhängigen Internetzeitung El Faro] seit 2020 mit Führungsleuten der drei
wichtigsten Organisationen führt.
Die sollen dabei bessere Haftbedingungen für die Gefangenen und bestimmte
Freiheiten für die draußen lebenden Pandilleros angestrebt haben, im
Gegenzug zu einem Aussetzen der Gewalt, was wiederum Bukele politisch für
sich hätte ausnutzen können.
Bukele hat stets geleugnet, solche klar widerrechtlichen Verhandlungen zu
führen. Eine Abteilung der Staatsanwaltschaft, die den Hinweisen darauf
nachging, ließ er [7][auflösen]. Und die Beweisdokumente, die El Faro für
die Existenz der Verhandlungen vorlegte, brachten Bukele nur dazu, noch
schärfer gegen unabhängige Medien im Land vorzugehen.
Bei alldem kann Bukele nach wie vor auf eine ungebrochene Popularität
setzen – und vor allem auf eine machtlose Opposition, nachdem seine Partei
Nuevas Ideas vor einem Jahr die absolute Mehrheit im Parlament erzielte.
Das harte Vorgehen gegen die Pandillas dürfte Bukeles Beliebtheit in der
Bevölkerung keinen Abbruch tun.
29 Mar 2022
## LINKS
[1] /Jugendbanden-in-El-Salvador/!5094088
[2] https://twitter.com/nayibbukele/status/1508658466499485699
[3] /Archiv-Suche/!5629989
[4] https://twitter.com/nayibbukele/status/1508543617970933761
[5] https://twitter.com/i/status/1508543617970933761
[6] https://elfaro.net/es/202108/el_salvador/25668/Gobierno-de-Bukele-negoci%C3…
[7] /Praesident-saeubert-Justiz/!5770793
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
El Salvador
Nayib Bukele
Organisierte Kriminalität
Menschenrechte
Haftbedingungen
Ausnahmezustand
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