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# taz.de -- Lebensläufe, SEK und die Fußball-EM: Nichts draus gelernt
> Deutschland diskutiert über Lebensläufe. Hessen kämpft mit seinem
> Polizeiproblem. Und: Ein EM-Spiel wird trotz eines Schocks nicht
> abgebrochen.
Bild: Nicht wegen der Person Spahn, wegen der Sache wäre ein Untersuchungsauss…
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Es wimpelt wieder an den Autofenstern.
Und was wird in dieser besser?
Kneipe um die Ecke flaggt deutsches Tuch mit Halbmond und Stern im Rot.
[1][Erst Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, dann der
Unions-Kandidat Armin Laschet: Die Lebensläufe] der beiden
Politiker:innen enthalten Unstimmigkeiten. Jetzt mal unter uns: Haben
Sie Ihren Lebenslauf auch schon mal etwas frisiert?
Als Geschäftsführer befördere ich mich selbst und finde mein Curriculum
Vitae sehr überzeugend. Lese jedoch viele Bewerbungen und habe gelernt, nur
ein paar Big Points zu beachten. Alles andere kann man meist eh nicht
prüfen, und will es auch nicht. Also: Wurde eine Ausbildung abgeschlossen,
auch wenn es angewandte Erdbeerkunde war? Heißt: Bringt derdiedas Bewerb
irgendwann auch einen fertigen Film zuwege? Ergeben die Stationen eine
schlüssige Erzählung, warum der Mensch zu uns will? Oder kann ich dem mit
einer Absage aus dem Tunnel helfen? Und schließlich: Finden Sie Ihren
Lebenslauf gut? Und wer dann losprahlt, redet sich gerade aus dem
Mannschaftsgeist einer Firma raus. So gesehen mussten beide nicht schönen,
um verdächtig zu werden.
Nachdem zufällig eine rechtsextreme Chatgruppe bei der Polizei von
Frankfurt am Main aufgeflogen ist, lässt der [2][hessische Innenminister
Beuth das Frankfurter SEK auflösen]. Nun erweist sich der Kreis von
Beamten, die davon gewusst haben, als größer als bisher von Beuth und dem
Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill bekanntgegeben. Ist das
nun der Beginn des deutschen „Abolish the police“ oder das Ende von Beuth
als Minister?
Der verdächtige „Obersturmbannführer“, der „NSU 2.0“-Drohmails gesandt
haben soll, fischte die Adressen seiner Opfer durch blinde Anrufe bei
„Polizeirevieren in Frankfurt und Wiesbaden“ ab. In der Mordnacht von Hanau
übernahm das Frankfurter Polizeipräsidium den Einsatz. Samt Frankfurter
SEK. Hier wurde ein Nazimörder gejagt von Beamten, die sich privat
Hitlerbilder und Nazisprüche geschickt hatten. Innenminister Beuth hat eine
bunte Auswahl an LKA-Chefin, Polizeipräsident und Führungskräften in
Mitverantwortung gezogen und Sonderermittler eingesetzt. Man forderte
seinen Rücktritt leichter, wenn das Problem nicht deutlich größer wäre als
er.
Nach dem Missbrauchsskandal [3][wollte Kardinal Marx zurücktreten], aber
der Papst sagt: Nö, Bruder, du bleibst. Stattdessen soll Marx nun Reformen
einleiten. Kann das gelingen?
Ein Gutachten einer Anwaltskanzlei über „sexuellen Missbrauch“ in der
Diözese München liegt seit 2010 unter Verschluss, ein neues ist für den
Sommer angekündigt. Marx amtiert seit 2008, beide Berichte betreffen auch
ihn. Der Papst lässt die Kirche im Dorf und den Pfarrer darin. Bis zur
Veröffentlichung gilt es, im Zeichen christlicher Nächstenliebe Marx mit
der Unschuldsvermutung zu begegnen. Dazu gehört Gottvertrauen.
Erst der schleppende Impfstart, dann der [4][Vorwurf mangelhafter Masken]
und jetzt der Bericht des Bundesrechnungshofs, der
Bundesgesundheitsminister habe Geld verschwendet. Muss auch Jens Spahn für
seinen weiteren Berufsweg seinen Lebenslauf anpassen?
Vorweg: „Wir“, die öffentliche Meinung, haben bei jedem Thema jederzeit
nörgelbereit auf der Lauer gelegen. Zu wenig Tests, wo sind die Masken,
wann wird endlich geimpft?! Spahn erzählt treuherzig von persönlichen
Telefonaten mit Anbietern, als würde der Kapitän in der Unterdeckkabine die
Betten machen. Er hat sich hetzen lassen, was dienstältere Minister meiden
mögen; und er hat gewusst, dass er dabei Fehler macht. Nicht wegen der
Person Spahn, doch sehr wegen der Sache wäre ein Untersuchungsausschuss
nötig.
Apropos kürzen und bearbeiten: Ein Nachbar darf die Äste eines Baumes
abschneiden, die in seinen Garten ragen – auch wenn der Baum deswegen
absterben könnte. Das hat am Freitag der Bundesgerichtshof, das oberste
deutsche Zivilgericht, in einem Nachbarschaftsstreit entschieden. Geht es
uns vielleicht zu gut?
Interessante Frage. Ich melde mich dazu, wenn ich die Monsterapfelschleuder
nebenan kastriert habe.
Und was machen die Borussen?
2017 verübte ein Bombenleger einen Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB.
Ein Polizist, ein Spieler verletzt, alle geschockt. Tags drauf spielten sie
trotzdem. Im Prozess, anderthalb Jahre drauf, durchlebten Spieler als
Zeugen sichtlich angefasst das Trauma erneut. Trainer Tuchel schimpfte, die
Uefa habe Druck gemacht, unter Schock zu spielen. Seit dem
Dänemark-Finnland-Spiel lässt sich hinzufügen: Und nichts draus gelernt.
Fragen: cas, waam
13 Jun 2021
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-Lebenslaeufe/!5773269
[2] /Nach-Nazi-Chats-bei-Spezialeinheit/!5778281
[3] /Abgelehnter-Ruecktritt-des-Kardinals/!5774525
[4] /Maskenstreit-um-Minister-Jens-Spahn/!5778487
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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