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# taz.de -- Booker-Literaturpreis für David Diop: Ein begnadeter Erzähler
> Der International Booker Prize 2021 geht an David Diop. Er schreibt von
> „Senegalschützen“, die im Ersten Weltkrieg für Frankreich gekämpft hab…
Bild: Er hat die Fiktion gewählt, um der Realität näher zu kommen: Schriftst…
„Bei der Wahrheit Gottes“: Diese Formel geht einem so schnell nicht aus dem
Kopf, wenn man [1][David Diops Roman „Nachts ist unser Blut schwarz“]
gelesen hat. Wieder und wieder betet Ich-Erzähler Alfa Ndiaye sie herunter,
um die Ereignisse auf dem Schlachtfeld fassen zu können.
Alfa Ndiaye ist einer der sogenannten Senegalschützen, die die
[2][Kolonialmacht Frankreich] im Ersten Weltkrieg einsetzte. Sein bester
Freund, Mademba Diop, von einem deutschen Soldaten mit dem Bajonett
niedergestochen, liegt sterbend in seinen Armen und verlangt, Alfa solle
sein Leiden schneller beenden. „Doch habe ich, bei der Wahrheit Gottes,
Mademba, meinem Kindheitsfreund, meinem Seelenbruder, nicht richtig
zugehört. Bei der Wahrheit Gottes, ich dachte nur daran, dem Halbtoten, dem
Feind mit den blauen Augen, die Därme aus dem Leib zu ziehen. […] Ach! Ich
weigerte mich.“
Für die englische Übersetzung des Romans („At Night All Blood Is Black“)
ist der Schriftsteller Diop nun mit dem International Booker Prize 2021
ausgezeichnet worden. Den Preis, mit umgerechnet 58.000 Euro dotiert, teilt
er sich mit Übersetzerin Anna Moschovakis.
Der 55-jährige Autor, Sohn einer französischen Mutter und eines
senegalesischen Vaters, hat sich des Stoffs auch deshalb angenommen, weil
der „[3][Große Krieg]“ etwas war, worüber man in seiner Familie nicht
sprach. Sowohl sein senegalesischer Urgroßvater als auch sein französischer
Großvater kämpften als Soldaten, schwiegen aber zeitlebens über das
Geschehene. Im französischen Original ist „Frère d’âme“ 2018 erschiene…
auf Deutsch 2019 bei Aufbau.
## Atemloses Wahnsinnigwerden
Geboren ist Diop 1966 in Paris, seine Kindheit verbrachte er im Senegal.
Zum Studieren kehrte er nach Frankreich zurück, er promovierte an der
Sorbonne zur französischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Heute ist er
Professor im südfranzösischen Pau, er publizierte zuletzt zur
Repräsentation von Afrikaner:innen in Reiseberichten Texten des 18.
Jahrhunderts. „Frère d’âme“ ist sein zweiter Roman, zuvor hat er sich in
„1889, l'Attraction universelle“ (2012) mit Völkerschauen zur Zeit der
Pariser Weltausstellung auseinandergesetzt.
Für das prämierte Werk hat Diop recherchiert, ob noch Feldpost von den
damaligen Kolonialsoldaten erhalten ist. Doch Historiker teilten ihm mit,
die Briefe seien meist administrativer Art. Auch deshalb wählte er die
fiktionale Form: „Ich dachte mir, dass ein fiktiver Text, nicht in Form
eines Briefes, sondern einer Innenschau, vielleicht helfen könnte, die
Gefühlslage eines afrikanischen Soldaten nachzuempfinden, eines Bauern, der
mit seinem Kindheitsfreund in die Hölle ‚des großen Industriekrieges‘
geworfen wird, wie der Schweizer Dichter Blaise Cendrars schreibt“, erklärt
Diop im Nachwort der deutschen Ausgabe.
Diop erzählt von rassistischen Stereotypen („Schokosoldaten“, „blutdürs…
Wilde“, „Naturgewalten“), beschreibt in atemlosem, parataktischem Stil das
Wahnsinnigwerden eines jungen Mannes inmitten des Schützengrabenhorrors,
schildert dessen Aufwachsen bei den Peul im Senegal. All das hallt lange
nach.
3 Jun 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Senegal
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Kolonialismus
Französische Literatur
Booker Prize
Roman
Kenia
Alltagsrassismus
Schwerpunkt Frankreich
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