# taz.de -- Berlins Kultur in der Coronakrise: Wann hebt sich der Vorhang? | |
> Angesichts sinkender Inzidenzzahlen möchten Berlins Kulturschaffende | |
> endlich wieder loslegen. Am Montag könnten erste Entscheidungen fallen. | |
Bild: Kurzes Glücksgefühl: maskierte und getestete Besucher*innen im BE Ende … | |
Berlin taz | Berlins Kulturschaffende scharren mit den Hufen. Seit Freitag | |
liegt die 7-Tage-Inzidenz in der Stadt knapp unter 100. Damit ist ein Ende | |
der [1][bundesweiten Corona-Notbremse] in Sicht, die seit Ende April galt | |
und sogar Kulturveranstaltungen mit einer kleinen Zahl von | |
Teilnehmer*innen unter freiem Himmel untersagte. Auch das unterbrochene | |
Pilotprojekt, für das ein vorab getestetes Publikum insgesamt acht | |
ausgewählte Kulturinstitutionen besuchen kann, darunter die Philharmonie | |
und das Berliner Ensemble, könnte wieder aufgenommen werden. | |
Und es gibt Hoffnung [2][für die stillgelegte Kulturbranche]: Am Montag | |
wird Kultursenator Klaus Lederer (Linke) im Kulturausschuss des | |
Abgeordnetenhauses über eine Lockerung für Kulturveranstaltungen | |
diskutieren. „Wir wünschen uns einiges“, sagte seine Sprecherin Anja | |
Scholtyssek der taz vieldeutig. Der Senat dürfte am Dienstag zudem über | |
Lockerungen für die Gastronomie entscheiden. Dem Vernehmen nach könnten die | |
neuen Regeln ab Pfingsten gelten. | |
Sinkt die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen unter 100, | |
wird die vom Bundestag beschlossene Notbremse zwei Tage danach außer Kraft | |
gesetzt. Das heißt: Theoretisch wären ab Ende dieser Woche wieder | |
(Kultur-)Veranstaltungen möglich; zumindest die ebenfalls [3][wegen der | |
Notbremse geschlossenen Museen] könnten wieder öffnen. | |
Die Notbremse wurde in der Berliner Kulturszene, die seit mehr als einem | |
Jahr existenziell mit den Coronabeschränkungen zu kämpfen hat und sich | |
dennoch in weiten Teilen solidarisch zeigte, wie ein letzter Schlag ins | |
Gesicht kurz vorm finalen K. o. empfunden. „Inzwischen drängen sich bei | |
Sonnenschein sowieso die winter- und coronamüden Menschen in den Parks, der | |
Notbremse zum Trotz“, hieß es oft. Von „Kulturverbot“ und „Offenbarung… | |
sprach etwa die Berliner Club Commission. | |
„Seid ihr denn verdammt noch mal des Wahnsinns?“, fragte Janika Gelinek, | |
die zusammen mit Sonja Longolius das Literaturhaus Berlin leitet, in einem | |
Gastbeitrag in der Welt. Und fügte hinzu: „Wie viele Autor*innen und | |
Künstler*innen aller Sparten haben jetzt schon leise aufgegeben, nachdem | |
ihre ökonomischen und/oder psychischen Ressourcen verbraucht waren?“ | |
Wie Gelinek sah auch Katharina Kwaschik aufgrund der Notbremse zu wenig | |
Wertschätzung für die Kultur. Im Winter hatte die Schauspielerin mit | |
Kolleg*innen eine Petition für den Schutz von Kultur im Grundgesetz auf | |
den Weg gebracht. Zur taz sagte sie: „Wir mögen weniger Umsätze bringen als | |
andere. Trotzdem ist die Debatte bei Kulturveranstaltungen wichtiger denn | |
je. Wir können uns viel zu wenig miteinander verständigen, es herrscht so | |
viel Häme.“ Und Janika Gelinek spitzte zu: „Bei vielen | |
Kulturveranstaltungen geht es darum, sich auf Differenzen einzulassen und | |
auszuhalten, sich mit Welten auseinanderzusetzen, die man nicht auf Anhieb | |
versteht. Das fehlt wirklich eklatant.“ | |
## Viele setzten auf Open Air | |
Da die größere Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus nach wie vor in | |
Innenräumen herrscht, hatten etliche Häuser und Veranstalter*innen | |
seit Anfang des Jahres in der Hoffnung auf besseres Wetter viel Energie in | |
die Konzeption von Veranstaltungen unter freiem Himmel gesteckt – inklusive | |
ausgeklügeltem Hygienekonzept. Darunter sind zum Beispiel die Berlinische | |
Galerie, das Literaturhaus Berlin und das Deutsche Theater, das eigens zwei | |
Außenspielstätten auf dem Theatervorplatz und im Innenhof für 130 | |
beziehungsweise 80 Zuschauer*innen entworfen hat. „Es war wie so vieles | |
in letzter Zeit eine Herausforderung“, so DT-Sprecherin Luisa Männel zur | |
taz. Doch auch die Möglichkeit für Aufführungen unter freiem Himmel schloss | |
die Notbremse explizit aus. | |
## Praller Kultursommer? | |
Inzwischen herrscht aber dank sinkender Inzidenzzahlen beim Deutschen | |
Theater, bei Janika Gelinek, Katharina Kwaschik und vielen anderen die | |
große Hoffnung, dass man sich bald endlich wieder bei Kulturveranstaltungen | |
wird begegnen können, wenigstens mit kleinem Publikum und draußen. Wie | |
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der von einem „prallen | |
Kultursommer unter freiem Himmel“ ausgeht, hoffen auch sie, dass Berlins | |
Kulturschaffende und -interessierte ihr großes Nachholbedürfnis ausleben | |
werden können. „Niemand wird am Ende nichts gemacht haben“, da ist sich | |
Kwaschik ganz sicher. | |
Dafür spricht auch, dass selbst große Häuser wie die Komische Oper | |
angesichts der sinkenden Inzidenzzahlen positive Signale senden. Kurz nach | |
Verabschiedung der Notbremse hatte die Komische Oper als erstes großes | |
Theater in Berlin die Saison verloren gegeben, unter anderem, weil diese ja | |
ohnehin schon im Juni endet. „Das Bedürfnis nach der Reaktivierung der | |
Kultur ist groß“, sagte nun Sprecherin Andrea Röber. „Wir werden alles | |
versuchen zu retten, was möglich ist.“ Das lässt auf Liederabende, Konzerte | |
in privaten Hinterhöfen und ein Chorprojekt hoffen. | |
Ein weiterer Wackelkandidat ist die in diesem Jahr zweigeteilte Berlinale: | |
Das Festival fürs Publikum war vom Winter auf die zweite und dritte | |
Juniwoche verschoben worden. Die Veranstalter setzen nun auf eine reine | |
Open-Air-Ausgabe, wie sie Ende April mitteilten. „Die Berlinale-Leitung | |
befindet sich diesbezüglich in enger Abstimmung mit der Senatskanzlei“, | |
erklärt dazu Anna Grieben vom Presse- und Informationsamt des Landes | |
Berlin. | |
9 May 2021 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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