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# taz.de -- Neonazis mobilisieren für Aufmarsch: Rechtes Brodeln vor dem 1. Mai
> Nach Anschlägen auf ihre Szenetreffs drohen Rechtsextreme mit
> Gegenaktionen. Einen Aufmarsch in Zwickau hat der Landkreis nun verboten.
Bild: Wollen am 1. Mai demonstrieren, offenbar ob mit oder ohne Verbot: Neonazi…
BERLIN taz | Seit Wochen mobilisieren die Neonazis des III. Weg bundesweit
nach Zwickau: Am 1. Mai will die Splitterpartei dort mit mehreren hundert
Teilnehmer:innen aufmarschieren, den größten Szeneaufzug am
„Arbeiterkampftag“ stellen. Am Dienstag aber verfügte der Landkreis: Alle
Demonstrationen an dem Tag werden aus Infektionsschutzgründen untersagt.
Mit Gegenprotesten und anderen Kundgebungen seien 17 Veranstaltungen in
Zwickau angemeldet worden, erklärte Carsten Michaelis, Beigeordneter des
Landkreises. Damit wäre ein unbeherrschbares Infektionsgeschehen zu
befürchten. Im Landkreis liegt die 7-Tage-Inzidenz derzeit bei 344. Auch
sei beim rechtsextremen Aufzug mit massiven Verstößen zu rechnen. „Wir
sehen keine andere Möglichkeit, um Schaden von der Stadt fernzuhalten“,
erklärte Michaelis. „Die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger darf
keinesfalls zum Spielball politischer Extremisten werden.“
Die Polizei erklärte, sie werde am 1. Mai Zufahrtsstraßen und Bahnhöfe
kontrollieren, die geplanten Kundgebungsorte absperren und
Personenansammlungen auflösen. „Die Polizei wird Präsenz zeigen und wenn
notwendig, konsequent einschreiten“, erklärte Zwickaus Polizeipräsident
Lutz Rodig.
## Rechtsextreme mobilisieren weiter
Ob sich der III. Weg an das Verbot hält, ist indes fraglich. Man prüfe die
Verbotsverfügung, schrieb die Partei am Dienstag an ihre Anhänger:innen.
„Bleibt flexibel. Wir sehen uns am 1. Mai auf der Straße.“
Womöglich weicht die Partei nach Plauen aus, wo sie [1][eine
Parteizentrale] hält. Laut Polizeipräsident Rodig liegt dort bereits eine
Demonstrationsanmeldung für den 1. Mai vor. Ob auch diese abgelehnt wird,
ließ der Landkreis vorerst unbeantwortet. Bereits am [2][1. Mai 2019] war
der III. Weg in Plauen aufmarschiert, mit Fahnen, Trommeln und Fackeln im
NS-Stil – was bundesweit Entsetzen auslöste.
Die Sicherheitsbehörden besorgt auch ein Hochschaukeln der Stimmung
zwischen Rechtsextremen und Linksradikalen im Vorfeld. Denn zuletzt kam es
zu einer Anschlagsserie auf Rechtsextreme und Szeneimmobilien in Thüringen
– und kaum verhohlene Aufrufe der Neonazis zu Gegenaktionen.
## Anschläge auf rechte Trefforte
Bereits Mitte März wurde Paul Rzehaczek, Bundeschef der NPD-Jugend, in
seiner Wohnung im sächsischen Eilenburg überfallen, die Angreifer schlugen
auf seine Beine ein. Anfang April wurden dann zwei Szeneläden im
thüringischen Apolda mit Bitumen angegriffen. Wenig später brannte in
Schmölln das Kampfsportstudie „Barbaria“ nieder, das auch Rechtsextreme
nutzen. Es folgte ein Angriff mit Teer auf das „Lokal 18“ in Naumburg und
ein Brandanschlag auf eine Gaststätte in Sonneberg, die Rechtsextreme für
Musikevents nutzten.
Und erst am Freitag brannte in Guthmannshausen das frühere Rittergut, Sitz
der „[3][Gedächtnisstätte e.V.]“, die an deutsche Todesopfer im Zweiten
Weltkrieg erinnert und von der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck
gegründet wurde. Das Feuer brach am helllichten Tag im Dachstuhl aus, zudem
wurden Gedenkstelen mit Teer beschmiert.
Die Polizei konnte bisher keine Tatverdächtigen zu den Taten ermitteln,
Bekennerschreiben liegen nicht vor. In Sicherheitskreisen werden eine oder
mehrere klandestine, angereiste Autonomengruppen vermutet, die – vernetzt
mit lokalen Akteuren – hinter den Anschlägen stecken. Nicht gänzlich
ausgeschlossen wird allerdings auch, dass einige der Taten von
Rechtsextremen selbst verübt wurden, um Versicherungsgelder für die
Brandschäden zu erhalten und die Stimmung gegen die Antifa anzuheizen.
## Rechtsextreme reagieren mit Drohungen
In der rechtsextremen Szene werden die Angriffe bereits jetzt klar der
linken Szene zugeschrieben. Am Dienstag erklärte der Thüringer AfD-Chef
Björn Höcke: „Eine Terrorwelle überzieht Thüringen.“ Schon zuvor schrieb
NPD-Bundesvize Torsten Heise, der auch in der militanten Szene vernetzt
ist: „Es ist Zeit zu handeln.“ In einem Video posierte er vor einem linken
Jugendzentrum in Göttingen und rief zum „Dialog mit der örtlichen Antifa“
auf. An die Polizei appellierte er: „Macht euren Job, sonst machen wir
ihn.“ Der Thüringer NPD-Funktionär Patrick Wieschke forderte: „Deutschland
braucht jetzt keine Tastaturkrieger mehr, sondern Männer.“
Auch in Zwickau stellten sich zuletzt knapp 20 Neonazis zum Gruppenfoto vor
das Alternative Zentrum, einige reckten Fäuste. Dazu der Kommentar: „War
leider niemand da, der einen Dialog mit uns führen wollte.“ Heise wiederum
ruft am 1. Mai zu einem weiteren rechtsextremen Aufmarsch in Essen auf,
organisiert von der NPD und der Splitterpartei „Die Rechte“. Dort wolle er
über “neueste Erkenntnisse“ über die “Terrorzelle“ der Antifa spreche…
Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer warnt vor einer „Eskalation
der Gewalt zwischen Rechts- und Linksextremen“. Die teils sehr
professionellen Anschläge auf die rechtsextremen Objekte und der direkte
Angriff auf den Chef der NPD-Jugend stellten eine „neue Qualität“ dar.
Gleichzeitig drohten nun Racheaktionen der Neonazis. „Die Situation ist
momentan hochdynamisch und angespannt. Da kann schnell was kippen.“
Auch die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss warnt vor
Gewaltaktionen der Rechtsextremen. „In der Szene kursieren dazu diverse
Aufrufe. Im Grunde ist jederzeit mit Übergriffen zu rechnen. Antifaschisten
und Antifaschistinnen und linke Treffpunkte sind momentan akut gefährdet.“
27 Apr 2021
## LINKS
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[3] /Nicht-verbotene-rechte-Gruppen/!5656138
## AUTOREN
Konrad Litschko
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