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# taz.de -- Festivalzensur in Belarus: Kultur unter Kontrolle
> Film- und Theaterfestivals werden zerstört, absurde Festnahmen gehen in
> Belarus weiter. Olga Deksnis erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen
> Zeiten. Folge 104.
Bild: Als kreativer Protest noch möglich war: Minsker*innen stricken im Septem…
In Minsk wurde ohne Angabe von Gründen das Zentrum „Art Corporation“
geschlossen, das die Festivals „TEATR“ und „Listopad“ (November)
veranstaltet sowie Theateraufführungen und Filme produziert hat. Das
Zentrum organisierte Ausstellungen und beschäftigte sich mit dem Vertrieb
von Film- und Theatershows aus aller Welt.
Mit den Jahren sind diese Festivals zu einem kulturellen Markenzeichen von
Belarus geworden. Auch nach der Schließung setzt das Zentrum seine Arbeit
fort, nun allerdings unter Kontrolle und Zensur. Die Staatsmacht wird
darüber entscheiden, welche Filme und Aufführungen wir künftig sehen und ob
das nicht vielleicht doch der Ideologie widerspricht.
Das Filmfestival „Listopad“ findet seit 1994 statt. Es ist eine Plattform
für moderne Filmemacher*innen und professionellen Erfahrungsaustausch.
Der Wettbewerb ebnet jungen Filmemacher*innen aus über 50 Ländern den
Weg.
„Was soll ich sagen, die 1990er waren uns nie so nah wie 2021“, sagt der
Journalist und Filmkritiker Taras Tarnalitzki. „Es ist schlimm, aber wir
müssen zusehen, wie unsere lokale Kultur zerstört wird, in der Hoffnung,
dass sie irgendwann einmal wiederbelebt wird.“
[1][„Alles, was jetzt stattfindet, ist eine Säuberung, die totale
Zerstörung alles Lebendigen“], kommentiert die russische Theaterkritikerin
Alla Schenderowa die Situation gegenüber der Zeitschrift TEATR.
„Diejenigen, die das tun, fügen ihrem Land und den Menschen, die dort
leben, einen irreparablen Schaden zu. „Es tut mir unfassbar weh – für sie
und für uns. Denn es ist doch absolut klar, dass wir (Russland) uns mit
Siebenmeilenstiefeln in die gleiche Richtung bewegen. ‚TEATR‘ ist das
einzige Festival, das Produktionen weltberühmter Regisseur*innen
gezeigt hat, wirklich aktuelle Aufführungen, die jedes Mal sowohl für die
Zuschauer*innen, als auch für die Fachwelt zu einen Ereignis geworden
sind.“
„In seinen zehn Spielzeiten hat ‚TEATR‘ mehr für die Entwicklung des
belarussischen Nationaltheaters getan als alle inländischen Abteilungen und
Regierungsauszeichnungen“, fasst die Journalistin Anastasia Pankratowa
zusammen. „Die Schließung des Zentrums ist ein Rückschlag für die gesamte
belarussische Kultur. So schließt sich das Fenster zu den weltweiten
kulturellen Errungenschaften. Damit geht den professionellen
Kulturschaffenden ein Fixpunkt verloren.“
Die Behörden versuchen weiter alle Bereiche unter Kontrolle zu bekommen, wo
noch freie Meinungsäußerung möglich sein könnte: [2][gesellschaftliche
Organisationen, Filmfestivals, Umweltschutzzentren und anderes].
Zudem gehen im Land die absurden Festnahmen und die Verhängung von Strafen
weiter. Unlängst wandte sich eine Belarussin mit der Bitte um Hilfe an die
Polizei, da sie eine Erklärung wegen eines Konfliktes in der Familie
schriftlich abgeben wollte. Gegen sie wurde eine Strafe von ungerechnet 800
Euro verhängt – wegen ihrer Frisur. [3][Sie hatte weiße und rote Zöpfe in
ihre Haare geflochten] (weiß und rot sind die Farben der belarussischen
Opposition, Anm. d. Red.). Sie wurde vorübergehend in einen Käfig gesperrt
und ihre Frisur zerstört. Am gleichen Abend wurde die junge Mutter per
Skype wegen einer Ein-Personen-Demonstration verurteilt. Sie ist derzeit in
Elternzeit, die Strafe kann sie nur in Raten abbezahlen.
Die Repressionen in dem Land gehen weiter.
Aus dem Russischen [4][von Barbara Oertel]
6 Oct 2021
## LINKS
[1] /Repressionen-in-Belarus/!5758673
[2] /NGO-Verbot-in-Belarus/!5788920
[3] /Politische-Willkuer-in-Belarus/!5748145
[4] /Barbara-Oertel/!a1/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
Protest
Kolumne Notizen aus Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Minsk
Alexander Lukaschenko
taz Plan
Schwerpunkt Pressefreiheit
Lesestück Recherche und Reportage
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