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# taz.de -- NGO-Verbot in Belarus: Soziales Engagement unerwünscht
> Hilfsorganisationen haben die Gesellschaft verbessert. Jetzt ist damit
> Schluss. Olga Deksnis erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen Zeiten.
> Folge 97.
Bild: 05. August 2021: Lukaschenko instruiert die Sicherheitsapparate
Alexander Lukaschenko hat einmal geäußert, man müsse „diese Krebsgeschwüre
entfernen“. Damit meinte er die [1][unabhängigen Medien.] Aber jetzt sind
die Machthaber auch bei den NGOs angelangt. Am 26. Juli hat die Minsker
Stadtverwaltung ohne Gerichtsverfahren 56 soziale Hilfsorganisationen
aufgelöst.
Darunter das „Büro für die Rechte von Menschen mit Behinderung“, das bei
der Arbeitssuche und bei juristischen Fragen half. Man beschuldigt sie,
„die Proteste zu finanzieren“, und tatsächlich hat das Büro einigen
Menschen mit Behinderung geraten, sich zur Unterstützung an Rechtsanwälte
zu wenden. Anfang 2021 wurde der Leiter des Büros unter Hausarrest gestellt
und gegen ihn wurde ein Strafverfahren eröffnet. Er selber hat eine
Behinderung der Gruppe 1 und sitzt im Rollstuhl.
Es war ein Schock, dass sie auch das online-Journal Imena (Namen) verboten
haben, eine Crowdfunding-Plattform, die seit fünf Jahren Gelder für
Menschen und Projekte sammelt, die dringend Hilfe bei sozialen Problemen
benötigen. Unter anderem unterstützten sie Kinderhospize, Obdachlose,
Waisenkinder und Menschen mit unheilbaren Krankheiten. Sie haben Gelder für
Kinder gesammelt, die von ihren Eltern abgelehnt wurden und denen sie
BetreuerInnen zur Seite gestellt haben. Sie halfen auch der einzigen
Organisation in Belarus, die vermisste Menschen im ganzen Land sucht und
vielen anderen. Jetzt wurden alle Konten der NGO gesperrt.
„Nun, es war einfach nötig, denn wir waren [2][von feindlichen westlichen
Elementen] einer solchen Gehirnwäsche unterzogen worden, dass wir daran
dachten, in unserem eigenen Land Menschen mit Problemen zu helfen“, schrieb
die Leiterin der Plattform auf ihrer Website. „Ist das denn im Interesse
des Staates? Wir hatten gehofft, dass wir einen modernen Sozialstaat haben.
Aber nein! Es ist Sparta! Bislang haben wir außer einem permanenten Schwall
von Wut, Beleidigungen und Verletzungen nichts bekommen.“
## „Lebendige Bibliothek“ wurde aufgelöst
„Ich erinnere mich, dass damals Imena von allen Regierungsstellen genehmigt
worden war, denn die Menschen, die dort aktive waren, übernahmen die
Funktionen, die eigentlich dem Staat obliegen: finanzielle Hilfe für und
die Sorge um alle unsere Mitmenschen“, sagt Swetlana Schukowa, die Leiterin
eines Schönheitssalons. „Was denken die Menschen denn eigentlich über die
Zerschlagung solcher Strukturen? Wir sind doch alle in Gottes Hand.“
Außerdem wurde auch die „Lebendigen Bibliothek“ aufgelöst – eine
Organisation, die gegen Stereotype kämpft und das kritische Denken von
Jugendlichen fördert.
Und „Mowa Nanowa“ (unübersetzbares belarussisches Wortspiel, in etwa „Die
Sprache neu entdecken“; Anm. d. Redaktion) – eine Organisation, die
Menschen aktiv in die Bewahrung ihrer Muttersprache einbeziehen möchte (In
Belarus sprechen nur wenige Menschen Belarussisch; Anm. der Autorin). Man
schließt die AIDS-Hilfe, eine Einrichtung der Flüchtlingshilfe, ein
Zentrum, das Rentner unterstützt, eine Organisation landwirtschaftlicher
Initiativen, eine Tierschutzeinrichtung und viele viele weitere.
„Es ist klar, das im Land Krieg herrscht. Es ist keine Zeit für Tränen und
für Gedanken an all diejenigen, die bisher durch diese Hilfsorganisationen
unterstützt worden sind“, sagt Sergei, Leiter eines Minsker Unternehmens.
„Es interessiert niemanden. Die Machthaber halten sich so gut sie können
auf ihren Posten. Man holt die Überflüssigen und Unzufriedenen, und wenn es
nötig wird, verhaftet man eben alle.“
Im Internet kursiert ein Bild voller schwarzem Humor: [3][wenn du eine Tür
hast, kommen sie auch zu dir] und nehmen dich fest. Uns schien, als hätten
die Repressionen aufgehört. Aber nein, man wird alle fertigmachen, die
gegen die illegitime Regierung protestiert haben. Wenn auch indirekt. In
der ganzen Stadt hängen schon patriotische Großplakate: „Die Geliebte gibt
man nicht her“. (Das ist ein Zitat von Alexander Lukaschenko, der damit
erklärt, warum er die Macht über das Land nicht abgibt; Anm. der Redaktion)
Man drückt sie zu Tode, würde ich sagen.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
6 Aug 2021
## LINKS
[1] /Repressionen-in-Belarus/!5758673
[2] /Kontrollen-in-Belarus/!5758668
[3] /Razzien-in-Belarus/!5788922
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
Protest
Kolumne Notizen aus Belarus
Minsk
Alexander Lukaschenko
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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