| # taz.de -- Luca-App startet in Berlin: Konsum first, Datenschutz second | |
| > Die App zur Kontaktverfolgung ist Ende der Woche in ganz Berlin | |
| > einsatzbereit, sagt die Senatskanzlei. Dabei sind viele Datenschutzfragen | |
| > ungeklärt. | |
| Bild: Am Alexanderplatz wird Luca bereits genutzt: Eine Frau scannt den entspre… | |
| Berlin taz | Es ist schon absurd: Im vergangenen Jahr wurde monatelang | |
| diskutiert, wie die Corona-Warn-App des Bundes aufgebaut sein soll, damit | |
| sie zum einen genutzt wird, zum anderen dem Datenschutz Genüge tut. Ein | |
| Ergebnis: Bisher wurde die App – Stand Anfang dieser Woche – 27 Millionen | |
| Mal heruntergeladen (was natürlich nicht bedeutet, dass auch 27 Millionen | |
| Menschen sie nutzen, aber das nur am Rande). | |
| Bei der [1][Luca-App der Berliner culture4life] GmbH, die den | |
| Gesundheitsämtern die digitale Nachverfolgung der Kontaktpersonen von | |
| Infizierten ermöglichen soll, läuft die Debatte leider anders herum. Die | |
| App, bisher mehr als drei Million mal heruntergeladen, kann ab sofort in | |
| vielen Bezirken Berlins von Geschäften, Museen, etc. sowie deren | |
| Besucher*innen verwendet werden – obwohl klar ist, dass beim | |
| Datenschutz deutlicher Nachholbedarf besteht. | |
| Das könnte zum Problem werden, sagte der grüne Abgeordnete und Sprecher für | |
| Digitales, Stefan Ziller, der taz: „Bei mangelhaftem Datenschutz wird Luca | |
| nicht genutzt“, ist er sich sicher. | |
| Am kommenden Montag will sich der Datenschutz-Ausschuss des | |
| Abgeordnetenhauses deshalb auf Antrag der rot-rot-grünen | |
| Regierungskoalition mit dem Programm beschäftigen. „Digitalisierung der | |
| Gesundheitsämter und digitale Kontaktnachverfolgung per App“ heißt es auf | |
| der Tagesordnung unter Punkt 3. | |
| Wie so oft in der Pandemie kommt das Parlament damit ein paar Schritte zu | |
| spät. Ende März hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) | |
| weitgehend eigenmächtig eine Luca-Lizenz für Berlin erworben. Kostenpunkt: | |
| knapp 1,2 Millionen Euro allein für das Jahr 2021. Die meisten anderen | |
| Bundesländer hatten sich damals schon oder haben sich inzwischen ebenfalls | |
| für das von Popmusiker Smudo heftig beworbene Programm entschieden. | |
| Unterstützung für diesen Kurs erhält Müller aus dem Haus von | |
| Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Dort habe man sich von Anfang an | |
| für technische Lösungen der Kontaktnachverfolgung eingesetzt, heißt es auf | |
| taz-Anfrage. Und weiter: „Der Senat nimmt die Diskussion um Datenschutz | |
| ernst, aber in einer Pandemie überwiegen aus unserer Sicht die Vorteile | |
| einer digitalen Kontaktnachverfolgung ohne Zeitverlust.“ | |
| ## Die Gesundheitsämter melden Vollzug | |
| Anders als von vielen befürchtet deutet bisher einiges darauf hin, dass das | |
| System, das Gesundheitsämter, Geschäfte und andere Einrichtungen mit deren | |
| Besucher*innen und Kunden vernetzt, in Berlin auch wirklich laufen | |
| wird. „Unser Gesundheitsamt wäre soweit“, heißt es etwa aus | |
| Friedrichshain-Kreuzberg. Und aus Pankow meldet Stadtrat Torsten Kühne | |
| (CDU): „Das Bezirksamt hat alle technischen und rechtlichen Voraussetzungen | |
| für den Einsatz der Luca-App mittlerweile geschaffen.“ Seit Montag liege | |
| auch das nötige Zertifikat der Bundesdruckerei vor. Über diese | |
| fälschungssicheren Kommunikations-Zertifikate erfolgt der verschlüsselte | |
| Zugriff auf die Luca-Server. | |
| Bis Ende dieser Woche sollen dann alle Bezirke angebunden sein, verspricht | |
| Senatssprecherin Melanie Reinsch. Und fordert auf zum munteren Download: | |
| „Alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Betreibenden mit Publikumsverkehr | |
| in Berlin können ab sofort die Luca App herunterladen beziehungsweise sich | |
| für Luca Locations registrieren.“ | |
| Verpflichtend sei das natürlich nicht, so Reinsch. Aber ihre Einschätzung | |
| ist deutlich: „Die digitale Variante über das Luca-System stellt aktuell | |
| für die Betreibenden, die Besucherinnen und Besucher und für die | |
| Gesundheitsämter die effizienteste digitale Variante dar, weshalb die | |
| Nutzung dieses Systems empfohlen wird.“ Schließlich ist die Erfassung von | |
| Kundendaten laut der Coronaverordnung verpflichtend. | |
| Haben sich die Betreiber*innen bei Luca registriert, können die | |
| Geschäfte, Museen sowie perspektivisch auch die derzeit wegen der hohen | |
| Corona-Inzidenz geschlossenen Kneipen, Theater, Restaurants und Clubs beim | |
| Einlass auf die vielfach von Hand (und bisweilen schlichtweg falsch) | |
| ausgefüllten papiernen Zettel mit Kontaktdaten verzichten. Stattdessen | |
| registrieren sich Besucher*innen digital mittels eines QR-Codes. | |
| Im Falle einer gemeldeten Corona-Infektion eines Gastes greift das | |
| zuständige Gesundheitsamt auf die gespeicherten Daten zu und ermittelt | |
| mögliche Kontaktpersonen. Ein Schritt, der – zumindest bisher – mit der | |
| Corona-Warn-App des Bundes nicht möglich ist. Ein Fehler, wie der Grüne | |
| Ziller meint: „Der Bund hätte die App stringenter weiterentwickeln müssen.�… | |
| Dieser Zugriff der Luca-App auf persönliche Daten macht Datenschützer | |
| jedoch schon lange hellhörig, auch weil die Entwickler*innen diesen | |
| Aspekt lange vernachlässigten – ein häufiges Problem bei | |
| privatwirtschaftlich entwickelten Programmen dieser Art. Kritiker etwa aus | |
| dem Chaos Computer Club (CCC) und anderen Organisationen störten sich | |
| zunächst vor allem daran, dass Daten im Gegensatz zur anonymen | |
| Corona-Warn-App zentral gespeichert werden. Dies wecke Begehrlichkeiten bei | |
| Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten. Am Mittwoch rief der CCC dazu | |
| auf, für die Luca-App keine Steuergelder mehr auszugeben. Sprecher Linus | |
| Neumann sprach von einer „nicht abreißenden Serie von | |
| Sicherheitsproblemen“. | |
| Außerdem wurde bemängelt, dass die App nicht quelloffen, also open source, | |
| entwickelt wurde. Aber auch nachdem die Luca-Entwickler die Öffnung | |
| zusagten und diese nun sukzessive umsetzen, änderte das wenig an der Kritik | |
| – im Gegenteil. Schnell wurde klar, dass die App nicht sauber mit den | |
| Lizenzen von verwendeten Open-Source-Komponenten umgegangen war. „Dass der | |
| Quellcode erst auf öffentlichen Druck veröffentlicht wird, halte ich für | |
| schwierig“, sagt Ziller. Generell gelte in Hinblick auf den Datenschutz: | |
| „Da sind viele Fragen offen.“ | |
| Der Abgeordnete warnt indes vor Zeitdruck: „Wenn die Kontaktnachverfolgung | |
| das Entscheidende dieser App ist, muss man sicherstellen, dass die Daten | |
| geschützt sind. Da darf es keine Kompromisse geben.“ | |
| Ähnlich hatte sich der [2][Datenschutzexperte der Linken, Sebastian | |
| Schlüsselburg, in der taz geäußert:] „Ich verlange, dass vor Beginn der | |
| Nutzung der App sämtliche noch offenen datenschutzrechtlichen Fragen | |
| geklärt werden gemeinsam mit der Berliner Datenschutzbeauftragen Maja | |
| Smoltczyk.“ Dafür ist es nun zu spät. | |
| Selbst in der Senatskanzlei gibt man Nachbesserungsbedarf beim Datenschutz | |
| zu. „Der Hersteller steht in engem Kontakt sowohl mit der | |
| Bund-Länder-Taskforce der Datenschutzaufsichtsbehörden sowie mit dem | |
| Bundesgesundheitsministerium, um das Luca-System stetig weiterzuentwickeln | |
| und sicherer zu machen“, betont Sprecherin Reinsch. | |
| Denn nicht nur die Abgeordneten erhöhen den Druck, sondern auch die | |
| Bezirke. „Das Bezirksamt geht davon aus, dass die seitens der | |
| Landesbeauftragten für Datenschutz geäußerten Hinweise zum Einsatz der | |
| Luca-App durch den Senat geklärt wurden beziehungsweise zeitnah werden“, so | |
| Pankows Stadtrat Kühne. Smoltczyk hatte unter anderem gefordert, die Hürden | |
| für Hacker zu erhöhen. | |
| ## Die App ist kein Allheilmittel | |
| Kühne dämpft zugleich die hohen Erwartungen an die App. Da diese keinen | |
| Abstand zwischen Personen misst, sondern nur erfasst, wer sich zeitgleich | |
| an einem Ort aufhält, ist „ihr Einsatz bei Einrichtungen mit einer größeren | |
| Anzahl von Besucher*innen oder Kund*innen nur begrenzt sinnvoll“. Das | |
| jeweilige Hygienekonzept, sprich Abstand und Maske, müsse trotz Luca | |
| sowieso strikt eingehalten werden. | |
| „Es wäre durch die Gesundheitsämter nicht leistbar, Hunderte Personen, die | |
| sich zeitgleich mit einer positiv getesteten Person an einem Ort | |
| aufgehalten haben, zu kontaktieren, um hier aufwendige Recherchen bezüglich | |
| der einzelnen Aufenthaltsorte und Abstände innerhalb einer Einrichtung | |
| durchzuführen“, so Kühne. Bei größeren Einrichtungen sei es deshalb | |
| sinnvoll, einzelne Bereiche zu schaffen, wo man gesondert per App | |
| eincheckt. | |
| Wahrscheinlich ist Luca aber auch gar nicht der letzte Schluss in dieser | |
| Debatte. „Die Luca-App hat zügig eine digitale Lösung aufgezeigt und ist | |
| damit auch Türöffner für weitere Anbieter, die ähnliche Apps entwickelt | |
| haben“, so ein Sprecher von Wirtschaftssenatorin Pop. Zudem gebe es die | |
| Ankündigung, die Corona-Warn-App des Bundes zu erweitern. „Das sind | |
| positive Entwicklungen, die zu begrüßen sind“, erklärte der Sprecher | |
| weiter. „Ob es den Gesundheitsämtern gelingt, Schnittstellen zu zahlreichen | |
| Systemen zu etablieren, wird sich zeigen.“ | |
| 14 Apr 2021 | |
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| Bert Schulz | |
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