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# taz.de -- Streit um Luca-App in Berlin: Sicher ist anders
> Stundenlang befragen Abgeordnete den Senat, Datenschützer, Entwickler.
> Ergebnis: Es gibt schlechtere Anbieter, aber sicher ist die Luca-App
> nicht.
Bild: In einigen Geschäften in Berlin ist Luca schon im Einsatz
Berlin taz | Die Liste der Fragen ist selbst für ein umstrittenes Thema
ungewöhnlich lang: Mehr als eine Stunde dauert allein die erste Fragerunde
zum Thema Luca-App im Ausschuss für Datenschutz des Abgeordnetenhauses –
wohlgemerkt ohne die Antworten. Die App wurde von der Öffentlichkeit
weitgehend unbemerkt in Berlin von Senat, Nutzer:innen und
Gesundheitsämtern [1][in den letzten Tagen an den Start gebracht].
Eingeladen, die Umstände der Einführung zu erklären, sind an diesem
Montagnachmittag unter anderem Vertreter des Entwicklers Culture4Life GmbH,
die für den Betrieb zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit und Berlins
Landesbeauftragte für den Datenschutz, Maja Smoltczyk. Am Ende, nach knapp
zweieinhalb Stunden, sind viele neue Informationen über Luca bekannt.
Und trotzdem zieht der Datenschutzexperte der Linken, Sebastian
Schlüsselburg, ein ernüchterndes Fazit: „Es sind noch nicht alle
Datenschutzprobleme gelöst“, schreibt er bei Twitter. „Trotzdem ist sie an
die Gesundheitsämter angeschlossen worden. Das ist ein Problem.“
Die Luca-App soll den Ämtern ermöglichen, die Kontakte von bestätigten
Covid-Infizierten nachzuverfolgen. Dafür muss, wer etwa ein Geschäft oder
ein Museum besucht – künftig auch ein Theater oder ein Kino – mittels der
App seine persönlichen Daten kontaktlos beim Inhaber oder Betreiber
hinterlassen. So sollen händisch ausgefüllte Kontaktbögen ersetzt und die
Nachverfolgung im Falle eines Falles beschleunigt werden. Die Nutzung von
Luca ist laut Senat nicht verpflichtend, wird aber sowohl Bürger*innen
wie Geschäften wärmstens empfohlen.
Anders als bei der mit bis zu 70 Millionen Euro entwickelten
Corona-Warn-App des Bundes, die bisher eine solche Nachverfolgung nicht
leisten kann, werden die Daten bei Luca zentral verwaltet. Ein Problem, wie
Datenschützerin Smoltczyk am Montag noch einmal betont: „Wo eine Vielzahl
personenbezogener Daten zentral gespeichert werden, kann auch eine Vielzahl
dieser Daten entwendet werden.“ Besonders pikant: Durch die Auflistung
zahlreicher Aufenthaltsorte ließen sich fast schon Bewegungsprofile
einzelner Personen erstellen.
Doch es gibt laut Smoltczyk noch zahlreiche weitere Probleme: Das System
lasse sich manipulieren; so könnten sich Personen in Listen von
Veranstaltungen eintragen, [2][auf denen sie gar nicht gewesen sind]. Für
Geschäftsinhaber sei unklar, ob ein Datenabruf wirklich von einem
Gesundheitsamt komme oder von jemand anderem. Zudem würden Kunden nicht
genügend über die Nutzungsbedingungen und den Datenschutz aufgeklärt.
„Ein bunter Strauß an Problemen, die zum großen Teil lösbar sind“, fasst
Maja Smoltczyk zusammen und fügt hinzu: „Aber eben auch gelöst werden
müssen.“ Immerhin gebe es dafür die Bereitschaft des Entwicklers, betonte
sie – das sei in so mancher Senatsverwaltung in Berlin nicht der Fall.
Smoltczyk geht davon aus, dass es mindestens bis Sommer dauern werde, bis
Luca datenschutzkonform sein kann.
## Umstrittener Erwerb
Viele Unklarheiten ranken sich zudem um den Erwerb einer Lizenz für die
App, für die Berlin rund 1,2 Millionen Euro allein für 2021 zahlt. Der
Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte dies Ende März bekannt
gegeben, und es wirkte so, als habe er weitgehend auf eigene Faust
gehandelt. Im Ausschuss wird ihm deshalb, sogar von einem Mitglied der
eigenen Partei, unterstellt, von dem Thema (zu) wenig Ahnung zu haben.
Laut einem Vertreter der Senatsverwaltung für Gesundheit von Senatorin
Dilek Kalayci (SPD) stellt sich der Erwerb ein bisschen anders dar. Nach
der Konferenz der Ministerpräsident*innen mit Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) am 3. März, bei der der Beschluss für den Erwerb eines
digitalen Nachverfolgesystem gefallen sei, habe man sich intensiv mit den
zahlreichen auf dem Markt befindlichen Apps beschäftigt. Luca sei für die
Gesundheitsämter am passendsten, so das Ergebnis. Zudem sei es „derzeit das
effektivste System“.
Auch die Bezirke, unter deren Hoheit die Ämter stehen, hätten sich für Luca
stark gemacht. Das bestätigt Neuköllns Stadtrat Falko Liecke (CDU): „Ich
kenne keinen Bezirk, der diese App nicht nutzen will.“ Und was die
Finanzierung angeht, gibt es offenbar die Zusage des Bundes, die Kosten für
die nächsten 18 Monate zu übernehmen.
Selbst für Patrick Hennig vom Luca-Entwickler Culture4Life GmbH steht außer
Frage, „dass solche Systeme missbraucht werden können“. Was aktuell in der
Kritik stehe, seien vielfach aber keine konzeptionellen Fehler, sondern
bewusste Entscheidungen. „Wir wollten nicht, dass Geodaten oder der
Personalausweis überprüft werden müssen“, sagt er. Auch sei wichtig
gewesen, dass die Betreiber der Geschäfte keinen Zugriff auf die Daten der
Kunden hätten. Nach seiner Auskunft hätten inzwischen 4,3 Millionen
Menschen die App heruntergeladen; bundesweit 230 Gesundheitsämter würden
sich an das Luca-System anschließen lassen.
## Datenschutz einbeziehen
„Wir haben von Anfang an versucht, die Datenschutzbehörden einzubeziehen“,
betont Hennig. Die jüngsten Zugeständnisse – etwa die inzwischen komplette
Offenlegung des Quellcodes – seien indes nicht selbstverständlich. „Das ist
ein sicherheitskritisches System; da veröffentlicht man nicht nebenbei den
Quellcode.“ Insgesamt vier Wochen lang würden die persönlichen Daten
gespeichert, verrät Hennig, und erklärt: „Das System ist sicher.“ Um dann
hinzuzufügen: „Es kann noch sicherer werden.“
Vielfach geteilt wird im Ausschuss die Aussage von Sabine Smentek. Sie ist
als Staatssekretärin in der Senatsinnenverwaltung für die Digitalisierung
der Verwaltung zuständig. „Grundsätzlich ist es besser, erst die Lösung f�…
ein Problem zu suchen, und dann das Produkt“, sagt sie.
Die Notwendigkeit für Lösungen hat die Politik jedoch zu spät erkannt,
genauso wie die Option, die Corona-Warn-App in diese Richtung
weiterzuentwickeln. Nun steigt der Druck, neben den Geschäften auch der
Kultur bald die Möglichkeit zu bieten, coronasicher wieder Angebote machen
zu können für Veranstaltungen vor Publikum.
20 Apr 2021
## LINKS
[1] /Luca-App-startet-in-Berlin/!5766056
[2] /Versagen-der-gehypten-Corona-App/!5759224
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Luca-App
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