# taz.de -- Wahl in Spaniens Hauptstadtregion: Welche Freiheit wählt Madrid? | |
> Die rechte Regionalchefin dürfte kräftig Stimmen einfahren. Ihr Slogan | |
> „Freiheit“ steht für geöffnete Bars – dabei ist Madrid ein | |
> Corona-Hotspot. | |
Bild: Isabel Díaz Ayuso bei einer Wahlkampfveranstaltung in Madrid am Sonntag | |
MADRID taz | Isabel Díaz Ayuso rennt. Schwarzer Jogginganzug, weiße Maske – | |
es geht vorbei an offenen Geschäften und Kneipen, durch Parks und Altstadt | |
… Zum Ende des einminütigen Videos erreicht die 42-jährige | |
Regionalpräsidentin ihren Amtssitz im Herzen Madrids. Das Wort „Libertad“ … | |
„Freiheit“ – erscheint. | |
Die Politikerin der Partido Popular (PP) hat im Wahlkampf versucht, die | |
vorgezogenen Neuwahlen in der Hauptstadtregion am Dienstag in ein Plebiszit | |
über „Kommunismus oder Freiheit“ zu verwandeln. Soll heißen: entweder die | |
Freiheit, und damit sie selbst – oder die Politik der spanischen Regierung | |
aus Sozialisten (PSOE) und der linksalternativen Unidas Podemos (UP) unter | |
Premier Pedro Sánchez. Und die bedeute den Ausverkauf Spaniens an Basken | |
und Katalanen, hohe Steuern, wirtschaftlichen Ruin. „Sie brauchen Madrid, | |
um ihren Plan, Spanien zu brechen, es territorial aufzuteilen und Bürger | |
erster und zweiter Klasse zu schaffen, umzusetzen“, sagt Ayuso. „Madrid ist | |
Spanien in Spanien“, heißt einer ihrer Lieblingssätze. | |
Die Konservative ist Spezialistin darin, mit Provokationen Debatten zu | |
unterbinden und absurde Themen zu setzen. So soll auch der jetzt gesteckte | |
ideologische Rahmen, der mehr an den Bürgerkrieg der 1930er Jahre als an | |
das 21. Jahrhundert erinnert, von den eigentlichen Problemen ablenken. | |
Madrid ist der Covid-19-Hotspot in Spanien schlechthin. Über 23.000 | |
Menschen sind am Virus verstorben, knapp ein Viertel davon in den meist | |
privaten Altersheimen. In der reichsten Region Spaniens fehlt es an | |
Personal für Kontaktverfolgung und im Gesundheitswesen. | |
Das Vorzeigeprojekt der Konservativen, [1][ein eiligst errichtetes | |
„Pandemiekrankenhaus“], kam vor allem der Bauindustrie zugute. Statt der | |
veranschlagten 50 Millionen Euro kostete es 100 Millionen. Das Hospital hat | |
keine Küche, keine OP-Räume, es wurde auch kein eigenes Personal | |
angestellt. Stattdessen wurden Ärzte und Pflegekräfte aus anderen | |
Hospitälern zwangsversetzt, was die prekäre Lage im Gesundheitssystem noch | |
verschärft. | |
## Vor vierter Welle | |
Während andere Regionen ihre Grenzen schließen, weigerte sich Ayuso, dies | |
zu tun. Selbst Kneipen und Restaurants bleiben offen. „Ein Bierchen zum | |
Feierabend ist die Madrider Lebensart“, verteidigt Ayuso dies. Das kommt | |
bei vielen gut an, doch die Politik hat Folgen: Mittlerweile steuert die | |
Hauptstadtregion auf die vierte Covid-19-Welle zu. | |
„Weder Lockdown noch Mobilitätsbeschränkungen. Man muss lernen, mit dem | |
Virus zu leben“, lautet Ayusos Motto. Es könne nicht angehen, dass die | |
Wirtschaft unter der Gesundheitspolitik leide. Für Ayuso sind die von der | |
Pandemie am stärksten Betroffenen selbst schuld: Die Infektionen träten | |
hauptsächlich im armen Süden der Region auf, „unter anderem aufgrund der | |
Lebensweise unserer Einwanderer“. | |
Der Slogan „Freiheit“ ersetzt sogar die Argumente. Selbst die Wahlwerbung, | |
die in jeden Madrider Haushalt flatterte, bestand nur aus einem Blatt mit | |
ihrem Gesicht und der Aufschrift „Libertad“. Die Rückseite? Leer. | |
Ayusos PP, die seit 26 Jahren mit unterschiedlichen Regionalpräsidenten | |
regiert, legt dennoch in den Umfragen kräftig zu, weil sie einen Teil der | |
aufgespaltenen rechten Wählerschaft wieder eint. Der Regionalpräsidentin | |
sagen Umfragen bei der Wahl gut 40 Prozent und damit fast eine Verdoppelung | |
des Ergebnisses von 2019 voraus. | |
[2][Ayuso hatte das Regionalparlament aufgelöst], nachdem ihr | |
Koalitionspartner Ciudadanos (Cs) in der Region Murcia ein Misstrauensvotum | |
der Opposition unterstützte. So wollte sie einen ähnlichen Schachzug in der | |
Hauptstadtregion verhindern. Jetzt dürfte sie einen Großteil der Stimmen | |
der rechtsliberalen Cs erben, die wohl unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben | |
werden. | |
„Ich will endlich regieren, ohne dass mir die Hände gebunden sind“, bittet | |
Ayuso um Stimmen. Doch zu einer absoluten Mehrheit wird es nicht kommen. | |
Die Konservative wird, falls die Umfragen recht behalten, nur mithilfe der | |
rechtsextremen VOX regieren können. Doch Berührungsängste hat Ayuso keine. | |
„Wenn sie dich ‚Fascho‘ nennen, bist du auf der richtigen Seite der | |
Geschichte“, erklärte die Regionalpräsidentin in einem Fernsehinterview und | |
spricht damit – so scheint es – der rechten Wählerschaft in der | |
Hauptstadtregion aus der Seele. | |
4 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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