Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lockdown in Spanien war illegal: Dämpfer für die Regierung
> Der 2020 wegen Covid in Spanien verhängte Lockdown verstieß gegen das
> Grundgesetz, urteilt das Verfassungsgericht. Gibt es nun Schadensersatz?
Bild: Corona-bedingt etwas früher Schotten dicht! Schließung einer Madrider B…
Madrid taz | Das spanische Verfassungsgericht hat am Mittwochnachmittag den
[1][Anti-Covid-Lockdown] von März bis Mai 2020 wegen Unverhältnismäßigkeit
für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht gibt damit in Teilen einer
Verfassungsbeschwerde der rechtsextremen Partei Vox statt.
Die drittstärkste Kraft Spaniens hatte paradoxerweise im Parlament dem
Alarmzustand zugestimmt, der eine zeitweise Einschränkung der
Bewegungsfreiheit und anderer Grundrechte ermöglicht. Zuvor hatte die
Linksregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez, wie in der Verfassung
vorgesehen, zwei Wochen nach der Ausrufung des Alarmzustands am 14. März
eine Verlängerung beantragt. In den folgenden Wochen dann änderte die Vox
ihre Meinung und begann Proteste in wohlhabenden Vierteln gegen die
Ausgangssperre sowie Demonstrationen von „Negationisten“, also
Coronaleugnern zu unterstützen.
Es war eine knappe Entscheidung. Die sechs als konservativ geltenden
Richter des Verfassungsgerichtes stimmten der Klage von Vox zu, fünf
Richter stimmten dagegen. Das Urteil stellt die verhängten Maßnahmen als
solche nicht infrage. Sie seien angesichts des bestehenden
Gesundheitsrisikos durch [2][Covid-19] durchaus verhältnismäßig. Allerdings
sei der Alarmzustand verfassungswidrig, da ein solches Dekret das falsche
Mittel sei, um die Freizügigkeit und das Recht, sich mit anderen Menschen
zu treffen, einzuschränken.
Die Mehrheit der Richter gelangte zu der Auffassung, dass die Verhängung
eines Ausnahmezustands nötig gewesen wäre, die zuvor im Parlament hätte
debattiert werden müssen. Die fünf kritischen Stimmen im Verfassungsgericht
hingegen stellten das Recht auf Leben über die Einschränkung der
persönlichen Freiheit. Die Veröffentlichung des vollständigen Wortlauts des
Urteils wird für die kommenden Tagen erwartet.
## Irritationen nach dem Urteil
Die Regierung von Pedro Sánchez zeigte sich nach Bekanntwerden des Urteils
irritiert. Die Justizministerin und Richterin Pilar Llop gab eine Erklärung
ab. Sie respektiere das Urteil, aber die Ausrufung des Alarmzustands sei
„absolut notwendig“gewesen, „um Leben zu retten“. Der strickte Lockdown
habe „450.000 Menschenleben gerettet“. Bisher sind in Spanien knapp über
81.000 an Covid erkrankte Patienten verstorben, 45.000 davon während der
ersten Welle im Frühjahr 2020.
Das Urteil dürfte weitreichende Folgen haben. Wer sich durch die
Ausgangssperre wirtschaftlich geschädigt fühlt, könne jetzt, so die
spanische Presse, eine Schadenersatzklage einreichen. Außerdem werden
Bußgeldbescheide hinfällig, die gegen mehr als eine Million Bürger verhängt
wurden, weil sie gegen die Ausgangssperre verstoßen hatten. Meist belaufen
sich die Bußgelder auf 300 bis 600 Euro.
Es ist nicht das erste Mal, dass Vox vor Gericht als Klägerin oder
Nebenklägerin in Erscheinung tritt. Als gegen die Unabhängigkeitspolitiker
und -aktivisten aus Katalonien wegen des Abhaltens eines
Unabhängigkeitsreferendums 2017 verhandelt wurde, trat die ultrarechte
Partei als Nebenklägerin auf.
Im spanischen Justizapparat wurden eine Reihe von Ämtern seit Jahren nicht
mehr neu besetzt, da es die konservative Partido Popular (PP) ablehnt, sich
mit der Regierung zusammenzusetzen, um die periodisch notwendige
Umbesetzung und die dafür nötige qualifizierte parlamentarische Mehrheit
auszuhandeln.
Unter anderem hätte ein Drittel der Verfassungsrichter bereits vor mehr als
einem Jahr neu bestimmt werden müssen. Die PP fürchtet jedoch um die
dortige knappe rechte Mehrheit.
15 Jul 2021
## LINKS
[1] /Wahl-in-Spaniens-Hauptstadtregion/!5765332
[2] /Coronakrise-in-Spanien/!5742758
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Schwerpunkt Coronavirus
Lockdown
Verfassungsgericht
Spanien
Spanien
Schwerpunkt Coronavirus
Spanien
Spanien
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Omikron in Spanien: Aus den Feiertagen in die Welle
Spaniens Gesundheitszentren sind überlastet. Auch vor den Notaufnahmen der
Krankenhäuser bilden sich lange Schlangen.
Katalanische Ex-Regierungsvertreter: Privatvermögen beschlagnahmt
34 katalanischen Regierungsvertreter sollen öffentliche Gelder für illegale
politische Zwecke ausgegeben haben. Darunter sind zwei Ex-Regierungschefs.
Die These: Ende des Ausnahmezustands?
Es wird Zeit, die Maßnahmen aufzuheben, die die Bürgerrechte einschränken.
Die Gesellschaft braucht keine Prohibition mehr.
Kampf gegen Corona in Südeuropa: Spaniens strikter Impfplan
Das spanische Gesundheitsministerium setzt bei der Corona-Massenimpfung
auf Impfzentren, Krankenhäuser und Priorisierungen – erfolgreich.
Wahl in Spaniens Hauptstadtregion: Welche Freiheit wählt Madrid?
Die rechte Regionalchefin dürfte kräftig Stimmen einfahren. Ihr Slogan
„Freiheit“ steht für geöffnete Bars – dabei ist Madrid ein Corona-Hotsp…
Coronakrise in Spanien: Die dritte Welle ist da
In Spanien steigen die Neuinfektionen wieder so schnell wie im Frühjahr
2020. In bevölkerungsstarken Regionen gehen die Impfungen schleppend voran.
Ausschreitungen in Spanien und Italien: Faschistisch gegen den Lockdown
In Italien und Spanien kam es am Wochenende zu gewalttätigen Protesten.
Zuvor waren verschärfte Corona-Maßnahmen verkündet worden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.