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# taz.de -- Backen und Heavy Metal: Einer mit Mehl in den Adern
> Axel Schmitt ist Bäcker in vierter Generation und macht trotzdem alles
> anders: Er beschallt Teig mit AC/DC, backt auf Youtube und verkauft ein
> FCK-Corona-Brot.
Bild: Axel Schmitt in seiner Bäckerei
Oben wird gewohnt, unten produziert. Und ganz unten, im Keller, geht die
Post ab. Bei Axel Schmitt in Frankenwinheim sind Arbeit und Leben nicht
getrennt. Denn alles soll ja Spaß machen, das haben er und seine Frau
einander versprochen, als sie 2015 die Bäckerei von Schmitts Vater
übernommen haben. Damit das hinhaut, hat der 39-Jährige eigens das Haus
seiner Familie umgebaut. Oben wohnen Herr Schmitt, Frau Schmitt und
Schmitts Kinder. Im Erdgeschoss des Anwesens wird gebacken und verkauft.
Und eine Etage tiefer befindet sich der Metal-Probenkeller.
Schmitt – rotes Basecap, blonder Kinnbart, rasantes Fränkisch – ist Bäcker
in vierter Generation. Er backt Brötchen, Kuchen, Plätzchen, vor allem aber
natürlich Brot. Fränkisches Sauerteigbrot ist sowieso schon eine Klasse
für sich: außen die kräftige Kruste, innen die saftige Krume und alles eben
leicht säuerlich im Geschmack. Wer durch Franken kommt, sollte schnell bei
einer Backstube reinspringen, um einen Laib mit nach Hause zu nehmen.
Und doch gibt es noch Qualitätsunterschiede, denn: „Sauer“, sagt Axel
Schmitt, „sauer kann jeder. Aroma ist das Stichwort. Da reifen 300 Aromen
vor sich hin; der Sauerteig ist der unverwechselbare Fingerabdruck jedes
Bäckers.“ Beim Abdruck von Axel Schmitt zeigt sich, dass er ein Freund von
harter, schneller Musik ist. Den Teig für das „Ro/Di-Brot“ aus Roggen- und
Dinkelmehl beschallt er in seiner Bäckerei mit Gitarrenriffs von AC/DC und
Iron Maiden.
Das klingt bizarrer als das Prinzip, das dahintersteht. Während einer
Zusatzausbildung zum „Brotsommelier“ an der Weinheimer Akademie des
Deutschen Bäckerhandwerks nämlich hat Schmitt eine Projektarbeit
geschrieben. Thema: Der Einfluss von Schallwellen auf Teigreifung und
Aroma. Das Ergebnis war eindeutig: „Je kleiner die Schallwelle, desto
stärker aktiviert das die Mikroorganismen, mehr Säure zu bilden“, erklärt
er. „Es kommt also auf die Frequenz an, die Musik ist egal.“
Je höher der Ton, desto saurer das Brot – seit Schmitt das herausgefunden
hat, gibt’s sechzehn Stunden Mozart und Händel für den saureren Ansatz
seines „Klassik-Brots“; Motörhead und Black Sabbath für den etwas runderen
Geschmack.
## Schon als Kind wollte er Bäcker und Trommler werden
Um derlei in der unterfränkischen Provinz zu machen, muss man positiv
verrückt sein wie Axel Schmitt. Schon als Kind wollte er beides werden:
Bäcker und Trommler. Er erzählt, wie er als kleiner Junge auf alles
eingedroschen hat, was ihm unter die Finger kam. Nachts hat er dann sein
Taschengeld mit der Teigpflege in Vaters Backstube aufgebessert.
Er habe, sagt er, „schon immer Mehl in den Adern gehabt“. Aber eben auch
das Ungestüme, Laute. Bei der Bundeswehr hat er diese Seite im
Heeresmusikkorps ausgelebt. Als dann vor einigen Jahren sein Vater mitten
im Berufsleben starb, haben Schmitt und seine Frau Eva einander tief in die
Augen geschaut. „Wir standen da mit Baby auf dem Arm und Baby im Bauch und
mussten entscheiden: Machen wir morgen noch mal auf oder für immer zu?“
Sie haben sich fürs Weitermachen entschieden. Aber zu ihren Bedingungen.
Backen und Privatleben sollten anders, besser organisiert sein als beim
Vater, dem Großvater und dem Urgroßvater. Herausgekommen ist eine Art
privates Manifest. Axel Schmitt zählt die Eckpunkte an vier Fingern ab.
„Wir wollen Spaß. Wir wollen partnerschaftlich mit unseren Leuten umgehen.
Wir wollen das Handwerk entstauben. Und wir wollen kein Hamsterrad, sondern
eine Art Abenteuerspielplatz.“
Zu diesem Spielplatz gehört das Ton- und Fernsehstudio, das Schmitt sich
nach dem Tod des Vaters im Keller eingerichtet hat. Dort gibt er vor
laufender Kamera in breitem Fränkisch Back-Tutorials und stellt sie dann
[1][in seinen Youtube-Kanal]. Dazu gehört, dass Axel Schmitt offizieller
Wacken-Bäcker ist. Bei Deutschlands größtem Metal-Festival hat er 2018 und
2019 mit Musikern und Fans gebacken.
## Auch in China gibt es Brot von Axel Schmitt
Zum Spielplatz gehört natürlich unbedingt auch eine gewisse
Zeigefreudigkeit. Schmitt ist überall dabei, wo es was zu gucken gibt. Im
Privat- und im Regionalfernsehen sieht man ihn in Mehlschwaden baden. Man
kann ihm sowohl beim Plätzchenbacken zuschauen als auch beim Hochreißen der
Hand zum Devil Horns, dem Erkennungszeichen der Metaler, in der Szene auch
Pommes-Gabel genannt. Zuletzt hat er von Franken aus ganz weit gen Osten
expandiert. Die global operierende Tsingtao-Brauerei aus China ist auf
Schmitt aufmerksam geworden, seit Herbst letzten Jahres wird im Stammhaus
ein „Master Baker Axel Schmitt Sour Dough Bread“ aus Weizensauerteig,
Sesam, roter Bohnenpaste und Bier verkauft.
65 Menschen arbeiten allein für und mit Schmitt: BäckerInnen,
KonditorInnen, VerkäuferInnen, FahrerInnen und so weiter. Als die
Coronapandemie anfing, haben sie ein paar Dinge auf die Beine gestellt. In
einer stillgelegten Tankstelle haben Schmitt und seine Leute ein
Brotverkaufs-Drive-through eingerichtet. Sie haben nach Hause geliefert.
Inzwischen können KundInnen komplette Frühstückspakete ordern. Den Erlös
eines eigens erfundenen „FCK Corona“-Brots hat er sozialen Projekten
gespendet, der örtlichen Grundschule hat er Luftfilter spendiert.
Zusätzlich hat Schmitt gemeinsam mit KollegInnen zur Musik der Metal-Band
Hämatom [2][das Video „FCK Corona“ aufgenommen]. Da wird Sauerteig auf die
Arbeitsplatte geknallt, auf Trögen getrommelt, ein Baguette hält als
E-Gitarre her. Es ist ein lauter Spaß. Aber wer diesen BäckerInnen und
KonditorInnen beim Ausrasten zuschaut, spürt, wie diese Leute das Land
zusammenhalten. Menschen, die im Morgengrauen in Backstuben abtauchen und
sich als „Teig-Gollums“ um das tägliche Brot kümmern, verkörpern die
Sicherheit, dass es schon irgendwie weitergeht.
Schmitt braucht das überschaubare Leben genau wie den großen Auftritt
draußen. Familie, Dorf, Backstube – schön und gut. Aber es muss auch
krachen, damit er sich spürt.
25 Apr 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/channel/UCJdVuOo-N1qIpKyzxcsRMrA/videos?app=desktop
[2] https://www.youtube.com/watch?v=XTcySIldGw8
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
IG
Franken
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Schwerpunkt Coronavirus
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Brot
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