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# taz.de -- Pro und Contra Lebendtierhandel: Gehören lebende Tiere auf Märkte?
> Auf Hamburgs Wochenmärkten dürfen künftig keine lebenden Tiere mehr
> verkauft werden, so beschloss es die Bürgerschaft. Auch auf dem
> Fischmarkt nicht.
Bild: Bald kein Objekt für Spontankäufe mehr: Huhn im Käfig
JA
Die Absicht der Bürgerschaft, den Handel mit lebenden Tieren auf den
Wochenmärkten zu verbieten, ist denkbar schwach begründet. Dieser
entspreche „nicht den heutigen gesellschaftlichen Maßstäben im Umgang mit
lebenden Tieren“, heißt es in dem entsprechenden Antrag der Linken. Hamburg
müsse den Tieren den Stress der Transportwege und der Marktfläche ersparen,
erläutert die Fraktion in der begleitenden Pressemitteilung.
Zwar ist es löblich und auch die Aufgabe von Parlamentariern, dass sie die
Stimmungen des Volkes aufnehmen. Doch das reicht nicht als Voraussetzung
dafür, den Freiheitspielraum aller Bürger einzuschränken. Für ein Verbot
ist der Verweis darauf, etwas sei „anachronistisch“, zu mager.
Auch der Stress auf dem [1][Transportweg] ist kein gutes Argument. Würde es
ziehen, hieße das, den Transport von Tieren komplett zu verbieten. Dann
wäre es nicht einmal mehr möglich, eine Hauskatze zum Tierarzt zu bringen.
Und auch der Angst vor den Eindrücken auf dem Markt sind die Tiere nur
kurze Zeit ausgesetzt – so sie dort überhaupt Angst empfinden. Dazu kommt,
dass die Vorlage nicht differenziert: Hummer oder Hamster – der Handel mit
beiden wäre gleichermaßen verboten. Nicht einmal ein lebender Karpfen
könnte mehr auf dem Fischmarkt gekauft werden.
Es mutet seltsam an, dass eben dieser Markt, der ja zu den Wahrzeichen
Hamburgs gehört, ein Stückchen weniger bunt und dafür steriler werden soll.
Tausende Hamburger erfreuen sich bei ihren Reisen ins Ausland der ach so
malerischen, vielfältigen Märkte mit ihren Attraktionen. Und zu Hause wird
das verboten, weil das Meerschweinchen eine posttraumatische
Belastungsstörung bekommen könnte.
Das aufwendig gezüchtete und liebevoll gepäppelte Huhn nicht an einen
dahergelaufenen Besoffenen zu verkaufen, dürfte sich im Übrigen von selbst
verstehen. Gernot Knödler
NEIN
Man sollte keine lebenden Tiere auf Märkten verkaufen: weder auf Hamburgs
Fisch- und Wochemärkten noch sonstwo auf der Welt. Man sollte auch keine
Schweine in Lkw [2][transportieren] und keine Kücken schreddern. Aber bis
zum großen, globalen Wurf dauert es noch, und darum fangen wir am besten
vor der Haustür an.
Denn nicht nur, dass die Tiere auf den Märkten Stress und Lärm ausgesetzt
sind. Sie sind ihren KäuferInnen auch ausgeliefert. Denn egal, ob
Betrunkene, heimliche [3][SadistInnen] oder „normal“ Gleichgültige Huhn,
Kaninchen oder Meerschwein erwerben: Wer sagt, dass das Kaninchen nicht
verhungert, das Meerschwein ausgesetzt, das Huhn geschlachtet wird? Und wer
garantiert im letzteren Fall, dass es immerhin fachkundig gemäß der
Tierschutz-Schlachtverordnung geschah?
Nein, es ist nicht gut, dass der Erwerb von Lebewesen so spontan möglich
ist. Und wer es verbietet, blendet die weiteren Probleme nicht aus. Im
Gegenteil: Er macht einen gesellschaftlichen Konsens sichtbar, der da
lautet: „Der Anblick lebender Tiere in Käfigen auf Märkten gehört nicht
mehr zur Normalität und fräst sich nicht länger ins optische Gedächtnis der
BesucherInnen. Auch der Kauf der ‚Ware Tier‘ aus einer Laune heraus ist ab
jetzt ein No-Go.“
Denn das ist ja das eigentliche Postulat von Denkern wie dem Biologen und
Buddhisten [4][Matthieu Ricard:] das menschliche Überlegenheitsgefühl
zugunsten einer Ethik abzulegen, die Tierwohl und -würde einschließt.
Und selbst wenn man Tiere nicht aus ethischen Gründen schützt, sollte man
es zumindest aus menschheits-egoistischen Erwägungen tun: Nicht nur, dass
Massentierhaltung den Klimawandel befeuert. Auch war der Tierhandel auf
Märkten mit seiner lieblos-technokratischen Nähe von Mensch und Tier wohl
Auslöser der Corona-Zoonose. Klar, die kam nicht von einem Hamburger Markt.
Aber das nächste Mal könnte es so weit sein. Petra Schellen
24 Apr 2021
## LINKS
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[4] /Praktiken-der-Fleischindustrie/!5009949
## AUTOREN
Gernot Knödler
Petra Schellen
## TAGS
Tierschutz
Tierrechte
Tiertransporte
Ethik
Umweltschutz
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Interview
Schwerpunkt Klimawandel
Landwirtschaft
Walfang
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