| # taz.de -- Walfang in Norwegen: Begehrtes Fleisch | |
| > Der umstrittene Walfang Norwegens schien am Ende. Doch Fischereilobby und | |
| > Corona haben das Interesse am Fleisch der Meeressäuger wiederbelebt. | |
| Bild: Im Visier der norwegischen Walfänger: der Zwergwal | |
| Stockholm taz | Anfang April beginnt in Norwegen wieder die jährliche | |
| Walfangsaison. Die von der Regierung in Oslo festgesetzte Fangquote beläuft | |
| sich für 2021 unverändert auf 1.278 Zwergwale. Es ist die maximal zulässige | |
| Quote, die aber nicht annähernd erreicht werden dürfte. Denn in der Praxis | |
| harpunieren die Fischer nur Tiere, für deren Fleisch sie sich durch | |
| Abnahmeverträge abgesichert haben. | |
| Deren an der Marktnachfrage orientierter Bedarf ist seit Jahren stetig | |
| gesunken. 2019 hatten sich nur noch 10 Boote am Walfang beteiligt – in den | |
| 1980er Jahren waren es regelmäßig rund 100 gewesen. Inzwischen wird die | |
| Fangquote nur noch zu einem Drittel ausgenutzt. 2005 waren es noch 80 | |
| Prozent gewesen. | |
| Wal- und Umweltschutzorganisationen konnten hoffen, dass der umstrittene | |
| Fang Norwegens – neben Island und Japan dem einzigen Land, das trotz des | |
| internationalen Walfangmoratoriums von 1986 noch kommerziellen Walfang | |
| betreibt – sich bald von ganz alleine erledigen würde. Auch die Fischer | |
| selbst warnten angesichts niedriger Preise im Inland und geschrumpfter | |
| Exportmöglichkeiten nach Japan vor dem endgültigen Ende für Norwegens | |
| Walfang. | |
| Oslo gab dem Druck der Fischereilobby nach und wurde aktiv. Für die Saison | |
| 2020 strich man mehrere Tierschutz- und Ordnungsvorschriften: Für den | |
| normalen Fischfang nicht mehr zugelassene Boote durften in Gebrauch | |
| genommen werden, die Fangquoten waren gratis, und es war – anders als | |
| früher – keine andere Walfangerfahrung mehr erforderlich, außer dass ein | |
| einzelnes Besatzungsmitglied einmal in den vergangenen sechs Jahren an | |
| einem Fang teilgenommen haben musste. | |
| ## Kleine Trendwende | |
| Wegen Corona entfielen schließlich auch noch die vorher obligatorischen | |
| Schießprüfungen für die Harpunierer. Die waren eingeführt worden, um etwas | |
| gegen den durch schlechte Treffer der Schützen verursachten langen | |
| Todeskampf der Tiere zu tun. | |
| Zusammen mit einer Marketingkampagne sorgte all das für eine kleine | |
| Trendwende. Die Fischhändler meldeten eine gesteigerte Nachfrage, die | |
| Fischer konnten das Fleisch von 503 Zwergwalen absetzen. | |
| Einen „Corona-Effekt“ vermutet Øyvind Andre Haram, Chef der | |
| [1][Vermarktungsgesellschaft „Norsk Hval“]. Wegen der geschlossenen Grenzen | |
| seien die NorwegerInnen gezwungen gewesen, im eigenen Land Urlaub zu | |
| machen, und hätten auf den Speisekarten der Restaurants und in den | |
| Kühltheken der Supermärkte wieder vermehrt Walfleischgerichte entdeckt. | |
| „Der Bedarf konnte nicht gedeckt werden.“ | |
| Allerdings habe man auch die Qualitätsanforderungen kräftig erhöht. In den | |
| vorangegangenen Jahren sei sehr viel minderwertiges Walfleisch auf den | |
| Markt gekommen und habe dessen Ruf zerstört. Was man jetzt anbiete, „hat | |
| mit den alten Tagen nichts mehr zu tun“, sagt Haram. Entsprechend | |
| optimistisch blickt die Branche auf dieses Jahr. Er „hoffe und glaube, dass | |
| sich der aufsteigende Trend bei der Nachfrage nach Walfleisch fortsetzt“, | |
| äußerte Fischereiminister Odd Emil Ingebrigtsen und charakterisierte den | |
| Zwergwalfang des Landes als „nachhaltige Nutzung unserer Meeresressourcen“. | |
| ## Wale bleiben in Gefahr | |
| Die Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife hingegen kritisiert, | |
| dass Norwegen als „eines der reichsten Länder der Welt wahrlich nicht auf | |
| Walfang angewiesen“ sei und damit weiterhin das vor 35 Jahren in Kraft | |
| getretene Walfangmoratorium ignoriere. Dieses Verbot kommerziellen Walfangs | |
| hat mittlerweile erfreuliche Effekte gezeitigt. [2][Der weltweite Bestand | |
| an Buckel-, Grönland- und Blauwalen wächst, nachdem diese nahezu gänzlich | |
| ausgerottet worden waren.] Es gibt mehr als 100.000 Zwergwale. | |
| Trotzdem gebe es keine Veranlassung nachzulassen, aber genügend Gründe, | |
| warum die verbliebenen Walfangnationen ihren Fang einstellen sollten, sagt | |
| Kate O’Connell [3][vom „Animal Welfare Institute“]. Die Überfischung der | |
| Meere reduziere die Nahrungsgrundlage der Tiere, der wachsende | |
| Schiffsverkehr und die wachsende Lärmbelästigung stelle ebenso eine | |
| Gefährdung dar wie die ungebremste Schwermetall- und Plastikbelastung der | |
| Weltmeere. | |
| Mittlerweile schwimmen mehr als die Hälfte aller Wale und Delfine mit | |
| Plastik im Magen herum, sagt die dänische Biologin und Walexpertin Birgith | |
| Sloth: Ein hungriger Wal habe es schwer, den Unterschied zwischen einem | |
| saftigen Fisch und einem Stück Plastik zu verstehen. Vor allem aber müsse | |
| die Klimakatastrophe gebremst werden. „Sonst wird es schwerwiegende Folgen | |
| für die Wale und das Meer allgemein geben.“ | |
| 29 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://norskhval.no/ | |
| [2] /Meeresbiologe-ueber-Zustand-der-Ozeane/!5689288 | |
| [3] https://awionline.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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