Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Japan tritt aus Walfangkommission aus: Es wird wieder gejagt
> Am Montag beginnt Japan erstmals seit über 30 Jahren wieder mit dem
> kommerziellen Walfang. Doch es dürfte an KonsumentInnen mangeln.
Bild: Dem Walfang entgegen steht die wachsende Popularität des Whale Watchings
Kushiro taz | Wer gerne Wal isst, kann in Kushiro auf Japans Nordinsel
Hokkaido seinen Appetit leicht stillen. Viele Restaurants der Hafenstadt
bieten Walgerichte an, in jedem Sushi-Laden steht Wal auf der Speisekarte.
„Wir überzeugen die Gäste mit einer leckeren Zubereitung der besten
Stücke“, sagt ein Restaurantinhaber. Seit 30 Jahren gibt es hier schon
keine Walfischer mehr, aber Kushiro vermarktet sich als die „neue Walstadt“
mit einem jährlichen Kujira-Festival. Kujira bedeutet Wal. Das
Forschungsinstitut ICR ließ getötete Minkwale in Kushiro öffentlich
zerlegen.
Daher scheint es passend, dass Japan den [1][kommerziellen Walfang] am
Montagmorgen von hier neu startet. Nach einer Verabschiedungszeremonie
stechen fünf Fangschiffe mit ihren mächtigen Harpunen auf dem Vorderdeck in
See. Die Flotte tötete in den vergangenen Wochen beim letzten
„wissenschaftlichen“ Fang schon 47 Minkwale. Diesmal teilen sich die Boote
auf und jagen bis Ende August Baird-Schnabelwale und danach bis Oktober
Minkwale. Ebenfalls am Montagmorgen verlässt eine Fangflotte von drei
Schiffen, darunter die aus Kämpfen mit Walschützern bekannte „Nisshin
Maru“, den Hafen Shimonoseki im japanischen Westen und will Baird-, Mink-
und Sei-Wale abschießen.
Was wie der Aufbruch in eine neue Ära des Walfangs aussieht, könnte sich
jedoch als Anfang von seinem Ende entpuppen. Mit dem Austritt aus der
Internationalen Walfangkommission (IWC) gibt Nippon nämlich die Jagd im
Südpazifik vor der Antarktis und im Nordpazifik auf und beschränkt sich auf
die 200-Meilen-Zone vor seinen Küsten. Die erlaubte Zahl von Abschüssen
soll zwischen den alten Quoten von 180 Mink- und Seiwalen im Nord- und 330
Minkwalen im Südpazifik liegen.
Die genaue Zahl wollte man aus Angst vor internationaler Kritik nicht vor
dem [2][G20-Gipfel in Osaka] veröffentlichen, aber unterm Strich dürfte die
Gesamtzahl der getöteten Wale sinken. Das macht einen kommerziellen, also
gewinnbringenden Walfang fast unmöglich. „Offiziell unterstützen viele
Beteiligte in Japan den Austritt, aber privat befürchten sie, dass die
Industrie zu klein ist und sich nicht wiederbeleben lässt“, meint Fynn Holm
von der Universität Zürich, ein Experte für den Walfang in Japan.
## Nur die Älteren erinnern sich noch an den Geschmack
Die Furcht der Fanglobby ist begründet. Nur vier Hafenstädte halten die
Tradition noch hoch – das durch Delfinmassaker bekannt gewordene Taiji im
Westen, Wadaura nahe Tokio, Ayukawa im Nordosten und Abashiri in Hokkaido.
Nach der totalen Zerstörung durch den Tsunami 2011 baut Ayukawa das
Fanggeschäft derzeit neu auf, aber vor seiner Küste sind kaum noch
Meeressäuger zu finden. Zum „Verband kleiner Walfänger“ gehören nur sechs
Unternehmen mit fünf Schiffen und weniger als 300 Beschäftigten. Dazu
existiert der halbstaatliche Betreiber Kyodo Senpaku mit 200 Mitarbeitern,
der fast ein Drittel der staatlichen Subventionen von insgesamt knapp 42
Millionen Euro verschlingt.
Doch vor allem fehlen die Konsumenten. Im Schnitt verzehrt ein Japaner
eintausendmal mehr Rind- und Schweinefleisch im Jahr als Walfleisch. Vom
Hoch bei jährlich 200.000 Tonnen in den Sechzigern schrumpfte der jährliche
Verbrauch auf 4.000 bis 5.000 Tonnen. Das entspricht nur 40 bis 50 Gramm
Wal pro Person, sagt Joji Morishita, lange Zeit Japans Top-Unterhändler in
der IWC.
Wal liegt nur in wenigen Supermärkten im Regal und ist oft teurer als Thun.
Japan stoppte den kommerziellen Walfang Ende 1987. Daher erinnern sich nur
alte Japaner noch an den Geschmack – nach dem Krieg gab es nur Wal zu
essen, weil es billiges Protein war. Ihre Nostalgie hält sich daher in
Grenzen. Alle Anstrengungen, Walfleisch populär zu machen, verliefen im
Sande – von YouTube-Videos mit Rezepten bis zur Verteilung in Schulen. Die
Stadt Shimonoseki, der Heimathafen der „Nisshin Maru“, finanziert in diesem
Jahr Walfleisch für 100.000 Schulmittagessen. Ein Kind hätte trotzdem nur
vier- oder fünfmal im Jahr Wal auf dem Teller.
## Ein Austritt aus Kalkül
Was veranlasste Japan dann zum Austritt aus dem IWC? Offenbar setzte sich
die Fischerei-Agentur, die den küstennahen Walfang bevorzugt, gegen das
Außenministerium durch, nachdem Toshihiro Nikai, der Generalsekretär der
regierenden LDP, sich Rückendeckung von Premierminister Shinzo Abe geholt
hatte. Die Walstadt Taiji liegt im Wahlkreis von Nikai, und Abe wollte
seine nationalistische Seite zeigen. Kurz zuvor hatten ihn Rechte dafür
kritisiert, Arbeitsmigration durchgesetzt zu haben. Mit dem Walfang konnte
der ultrakonservative Politiker diese Scharte auswetzen.
Das Außenministerium befürchtete vor allem, Japans frisch erworbener Ruf
als Verfechter des Multilateralismus könnte unter dem Austritt leiden.
Deswegen begrenzte es den Schaden, so gut es ging: Die Inselnation behält
einen Beobachterstatus bei der IWC, beachtet weiter die Regeln für die
Nutzung von Meeresressourcen und setzt sogar die Walforschung fort. Fast 40
Prozent des diesjährigen Walfangbudgets fließt für eine Schiffsmission in
den Südpazifik, um Wale zu vermessen und zu zählen. Daher bewertet der
International Fund for Animal Welfare den japanischen Schritt insgesamt
positiv: „Der Austritt nützt den Walen, dem Meeresschutz und Japan“,
kommentierte Fund-Vertreter Patrick Rampage. Der US-Amerikaner bezweifelt
ebenfalls, dass sich Walfang in Japan kommerziell betreiben lässt.
„Diese Industrie wird sehr schnell untergehen“, sagt Rampage. Das liege
nicht nur an der geringen Nachfrage, sondern auch an der wachsenden
Popularität von Whale Watching in Japan. Die landesweit 148 Tourenanbieter
in 30 Hafenstädten hatten laut den neuesten Zahlen von 2015 über 220.000
Kunden und setzten schon acht Millionen Euro um. Wegen der stark wachsenden
Zahl von ausländischen Touristen hätte Whale Watching in Japan noch enormes
Potenzial. Rampage bringt dies hoffnungsfroh auf die Formel: „Tieren,
Menschen und der Küstenwirtschaft geht es besser, wenn Wale beobachtet
statt verletzt werden.“
30 Jun 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Walfang-in-Japan/!5555380
[2] /Ergebnisse-des-G20-Gipfels/!5608416
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Japan
Walfang
Tierschutz
Moratorium
Walfang
Japan
Tierschutz
Naturschutz
Walfang
## ARTIKEL ZUM THEMA
Walfang in Norwegen: Begehrtes Fleisch
Der umstrittene Walfang Norwegens schien am Ende. Doch Fischereilobby und
Corona haben das Interesse am Fleisch der Meeressäuger wiederbelebt.
Oberhauswahlen in Japan: Keine Zweidrittelmehrheit für Abe
Japans Ministerpräsident hat zwar die Wahl gewonnen, aber nicht hoch genug.
Die von ihm gewünschte Verfassungsänderung ist damit nicht möglich.
Schildkröten-Rettungsstation bei Berlin: Opfer der Globalisierung
Claudia Schulze und Oliver Hoffmann leben in einem Haus am Stadtrand von
Berlin – zusammen mit über fünfzig Schildkröten in Not.
Walfang in Island: Das Töten geht weiter
Island ist einer der ganz großen Whale Watching Hotspots. Bald sollen die
Schiffe aber den Weg frei machen für Walfänger.
Kolumne Wir retten die Welt: Nicht besser als Japans Walfänger
Für den Walfang in Japan gibt es keinen vernünftigen Grund. Auch unsere
eigene Lebensweise beruht mehr auf Gefühlen als auf Vernunft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.