Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Nicht besser als Japans Walfänger
> Für den Walfang in Japan gibt es keinen vernünftigen Grund. Auch unsere
> eigene Lebensweise beruht mehr auf Gefühlen als auf Vernunft.
Bild: Wale werden in Japan vor allem wegen der Jobs und Subventionen gefangen �…
Leider esse ich kein Sushi. Nicht, dass mir nach rohem Thunfisch wäre. Aber
vor ein paar Tagen hätte ich gern irgendetwas Japanisches gehabt, um es zu
boykottieren. Die Regierung in Tokio hatte nämlich verkündet, die
internationale Walfangkommission IWC zu verlassen, um wieder ganz offiziell
Wale töten zu können.
Ein Skandal, denn an vernunftbegabten, sozial ausgerichteten Säugetieren
[1][herrscht auf dieser Welt akuter Mangel]. Noch schlimmer aber ist, dass
es für den Walfang offenbar keinen vernünftigen Grund gibt. Das Fleisch
will auch in Japan kaum jemand essen. Die „wissenschaftliche Erforschung“
als Jagdgrund war schon immer ein zynischer Witz. Es geht vor allem darum,
Jobs und Subventionen zu erhalten.
Irre, oder? Das ist ja so, als würden wir in Deutschland für Strom, den
keiner braucht, das Klima ruinieren und zweistellige Milliardensummen
ausgeben – und das nur für ein paar Tausend Jobs in der Kohle. Natürlich
ist es richtig, den Strukturwandel abzufedern. Aber gerade die Braunkohle
hatte schon immer ihre eigene verquere Logik: die Heimat abzubaggern, um
die Heimat zu erhalten.
Den größten Unsinn machen wir, weil wir ihn immer schon gemacht haben. Wir
fahren mit dem Auto in die Stadt, auch wenn es per Rad oder zu Fuß
schneller ginge. Wir kaufen so viele Lebensmittel, dass wir jeden Monat pro
Kopf knapp 5 Kilo wegschmeißen. Wir ziehen Billigklamotten an, die auf
lange Sicht teuer für alle werden, wir verseuchen unsere Böden durch Gülle
und züchten uns durch zu viele Antibiotika in der Tiermast resistente Keime
an den Hals. Und wir nutzen Luft und Wasser als kostenlose Deponie für
unsere Schadstoffe.
## Gefühle statt Objektivität
Vernunft ist da beim Homo sapiens kaum zu erkennen. Auch wenn uns
Wirtschafts„weise“ vorgaukeln, die Kapitäne des Kapitalismus entschieden
objektiv – das ist Blödsinn. Unsere Art zu produzieren und zu konsumieren
richtet sich viel mehr nach Gefühlen, Traditionen und falschen
Entscheidungen in der Vergangenheit als nach dem, was wir heute und in
Zukunft wirklich wollen und brauchen.
Wie zurechnungsfähig ist bitteschön eine Wirtschafts„wissenschaft“, die
akzeptiert, dass unsere Ökonomie ihre eigenen Grundlagen zerstört? Die
weiter so tut, als seien die Ressourcen da draußen unerschöpflich?
Die „marktwirtschaftliche Logik“ ist unlogisch, wenn unser
Wirtschaftssystem seine Kosten nicht selbst trägt, sondern der Umwelt und
der Nachwelt in Rechnung stellt. Erst wenn es etwa einen ordentlichen Preis
für alle CO2-Emissionen gibt, dürfte man wieder einen Öko(nomie)-Nobelpreis
vergeben.
Bis dahin sollte uns klar sein, dass wir zumindest in der
Öko(logie)-Abteilung unserer unsozialen Marktwirtschaft auch nicht viel
Besseres anrichten als die japanischen Walfänger: eine blutige Sauerei, die
sehr wenigen nützt, aber sehr vielen schadet.
5 Jan 2019
## LINKS
[1] /Indigene-in-Norwegen/!5560106/
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Walfang
Japan
Nachhaltigkeit
Kohle
Japan
Naturschutz
Autoverkehr
Wir retten die Welt
Norwegen
Walfang
Walfang
## ARTIKEL ZUM THEMA
Japan tritt aus Walfangkommission aus: Es wird wieder gejagt
Am Montag beginnt Japan erstmals seit über 30 Jahren wieder mit dem
kommerziellen Walfang. Doch es dürfte an KonsumentInnen mangeln.
Walfang in Island: Das Töten geht weiter
Island ist einer der ganz großen Whale Watching Hotspots. Bald sollen die
Schiffe aber den Weg frei machen für Walfänger.
Kolumne Wir retten die Welt: Ehrendoktorwürde für Scheuer
Kühne Gedankengebäude zeichnen Scheuers Theoreme aus. Für ihn verstößt ein
Tempolimit auf Autobahnen „gegen jeden Menschenverstand“.
Kolumne Wir retten die Welt: Die „Das-kommt-dabei-raus-Gesetze“
Die Bundesregierung übt sich in vorbildlicher Verpackungspolitik. Endlich
heißen Gesetze auch so wie das, was drin ist.
Indigene in Norwegen: Wo Walfang zur Kultur gehört
Die norwegischen Sami verlangen eigene Fangquoten. Walschützer*innen
kritisieren das. Aber den Indigenen geht es um Grundsätzliches.
Kommentar Walfang in Japan: Populismus mit der Harpune
Japan will ab Juli 2019 wieder kommerziell Wale jagen. Der demonstrative
Schritt zielt vor allem auf die Wähler von Premier Abe in den Hafenstädten.
Austritt aus Walfangkommission: Japan jagt wieder offiziell Wale
Japans Regierung beschwert sich über das Verhalten der Walfangkommission –
und tritt zum Juli 2019 aus. Ökoaktivisten sind empört.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.