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# taz.de -- Pandemiebekämfung in Hamburg: Die soziale Seite von Corona
> Bei der Pandemiebekämpfung wurde bisher kaum nach sozialen
> Stadtteilkriterien differenziert. Das soll sich jetzt ändern.
Bild: Gehören zum Präventionsprogramm: Schnelltest zur Identifikation Infiszi…
Hamburg taz | Es hat gedauert, doch nun gibt es den Paradigmenwechsel.
Hatte der Senat bislang argumentiert, dass der Wohnort von
Corona-Infizierten in Hamburg keine große Rolle spiele, weil die
innerstädtische Mobilität zu hoch sei, kam es vergangene Woche zur
Kehrtwende. Wie [1][im März von der Linkspartei gefordert,] soll die
Pandemie-Prävention nun stärker stadtteilspezifisch stattfinden.
Am Donnerstag beschloss die Bürgerschaft einen Antrag der rot-grünen
Koalition, dass die sozial schlechter gestellten Stadtteile mehr
Informationen, mehr Hilfsangebote und kostenlose Masken erhalten sollen, um
die Corona-Ausbreitung gezielt einzudämmen.
„In Stadtteilen, wo häufiger beengte Wohnverhältnisse herrschen und die
Erwerbsarbeit seltener im Homeoffice ausgeübt werden kann, sind die
Ansteckungsraten inzwischen stark erhöht, das macht es notwendig, dass
gezielt lokal reagiert wird“, hat Gudrun Schittek, gesundheitspolitische
Sprecherin der Grünen, inzwischen erkannt: „Deshalb verstärken wir im
ersten Schritt die bereits erfolgreich arbeitenden mehrsprachigen und
aufsuchenden Initiativen und Projekte vor Ort.“
Bereits Ende März hatte die Linksfraktion in der Bürgerschaft beantragt,
dass Behördenmitarbeiter*innen als sogenannte Coronaguides die
Menschen in den betroffenen Stadtteilen verstärkt informieren sowie
FFP2-Masken und Schnelltests mobil anbieten. Der Antrag wurde in den
Bezirksausschuss überwiesen, wo die Regierungskoalition das Haar in der
Suppe suchte und fand.
So monierten laut [2][Ausschussprotokoll] die Grünen, dass es nicht – wie
von der Linken gefordert – „Sache der überlasteten Gesundheitsämter“ se…
könne, „sogenannte Corona-Guides zur Aufklärung einzusetzen“.
Rot-Grün lehnte deshalb den Linken-Antrag ab, um ihn im neuen Gewand –
sprachlich überarbeitet und inhaltlich erweitert – vergangenen Donnerstag
unter eigenem Copyright zu beschließen. „Es ist gut, dass die
Regierungsparteien unseren Antrag zum Anlass genommen haben, heute ganz
Ähnliches einzufordern“, kommentiert die Linken-Fraktionschefin Sabine
Boeddinghaus bittersüß und ergänzt: „Noch besser wäre es aber gewesen, we…
Rot-Grün vor 14 Tagen unserem Antrag einfach zugestimmt hätte – denn dann
wären solche Coronaguides jetzt schon auf der Straße.“
Das Problem: Tatsächlich gibt es keine offiziellen Daten, wie sich das
Infektionsgeschehen in welchen Stadtteilen entwickelt – der Senat
untergliedert die Zahlen offiziell nur nach Bezirken. Danach wies
Hamburg-Mitte zuletzt eine Inzidenz von über 200 auf, während der Bezirk
Eimsbüttel unter der 100-Schwelle lag.
Doch innerhalb der Bezirke gibt es große Unterschiede: Nach einer
[3][Datenanalyse des NDR-Hamburg-Journal]s auf Grundlage von Zahlen der
Sozialbehörde und des Statistikamts Nord ist seit Beginn der Pandemie die
Zahl der Corona-Infektionen in Neuenfelde, Heimfeld, Harburg – alles
Stadtteile des Bezirks Harburg – sowie auf der Veddel, in Wilhelmsburg,
Billstedt, Horn, Rothenburgsort und Hammerbrook (alle Hamburg Mitte) sowie
Billwerder oder auch Neuallermöhe (beide Bezirk Bergedorf) besonders hoch.
Mögliche Gründe für die soziale Schlagseite der Pandemie haben
Ärzte*innen, Politiker*innen und Sozialverbände zusammengetragen:
Beengte Wohnverhältnisse, die die Ansteckungsgefahr erhöhen,
Sprachbarrieren, die die Informationsaufnahme erschweren, Jobs, die nicht
im Homeoffice erledigt werden können oder auch mangelnde
Gesundheitsvorsorge.
SPD und Grüne fordern jetzt in ihrem Antrag eine regelmäßige Erhebung des
Pandemiegeschehens in den Stadtteilen, um auf dieser Datenbasis die lokalen
Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie
zu verstärken. Gut ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie ist damit die
soziale Dimension der Pandemie auch in der Koalition angekommen.
12 Apr 2021
## LINKS
[1] /Covid-Aufklaerung-in-aermeren-Stadtteilen/!5761273
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/75127/bericht_des_verfassu…
[3] https://www.abendblatt.de/bin/scr-231988727.pdf
## AUTOREN
Marco Carini
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