# taz.de -- Projekt im Kraftwerk Bille vor dem Aus: Profit statt Gemeinwohl? | |
> Der Verein „Hallo“ belebt das Kraftwerk Bille in Hamburg-Hammerbrook | |
> derzeit mit Kunst und Stadtteilarbeit. Doch ob das so bleiben kann, ist | |
> fraglich. | |
Bild: Umkämpfter Ort: das Kraftwerk Bille in Hamburg-Hammerbrook | |
HAMBURG taz | Trotz der rund 40 Meter breiten und 15 Meter hohen | |
Backsteinfront wirkt das Gebäude in Hammerbrook auf den ersten Blick ganz | |
unscheinbar: Einige Graffiti sind unten aufgesprüht, davor wachsen ein paar | |
Sträucher. Doch hinter der Front des ehemaligen Kraftwerks Bille erstreckt | |
sich ein Komplex aus insgesamt sechs Gebäuden. Bruttogeschossfläche: rund | |
20.000 Quadratmeter. | |
Der Großteil steht allerdings seit Langem leer. Im vorderen Teil dagegen, | |
der sogenannten Schaltzentrale, hat der Verein „Hallo“ einige Räume | |
angemietet. Doch der befürchtet nun das Aus für seinen Plan, auf insgesamt | |
4.000 Quadratmeter ein Gemeinwohlkonzept umzusetzen. | |
„Anstatt des geplanten Verkaufs wird uns nur noch ein Mietvertrag | |
angeboten. Damit ist eine wirklich dauerhafte Sicherung für das Gemeinwohl | |
aber nicht möglich“, sagt Dorothee Halbrock von „Hallo“. Der Verein wurde | |
2015 gegründet und versteht sich als Schnittstelle zwischen | |
Stadtteilkultur, Kunst und Stadtentwicklung. | |
Zudem organisiert er jedes Jahr die „Hallo Festspiele“ mit Konzerten, | |
Performances und DJ-Sets. Inmitten der Bürogebäude, kleiner Autowerkstätten | |
und mittelgroßer Industriebetriebe sind die Räume des Vereins als | |
Anlaufstelle auch für die Menschen gedacht, die in Hammerbrook wohnen. Das | |
will der Verein eigentlich verstetigen. | |
Mit dem Eigentümer sei ursprünglich vereinbart worden, dass der Verein mit | |
weiteren Akteuren unter dem Titel „Werk“ einen Teil des Gebäudes zu einen | |
stemmbaren Preis kaufen kann. Dafür hat der Verein sogar Geld vom Bund | |
bekommen. | |
## Hochpreisige Büros | |
Mitte März wurden fünf Millionen Euro bewilligt, um einen | |
gemeinwohlorientierten Ort zu verwirklichen. „Damit soll ein vielfältig | |
nutzbarer Ort der Begegnung und Kulturstandort von nationaler Bedeutung | |
entstehen“, freute sich der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Metin | |
Hakverdi seinerzeit. | |
Doch das Angebot zum Kauf scheint vom Tisch. „Statt einer | |
gemeinwohlorientierten Nutzung sollen auf dem Areal vorrangig hochpreisige | |
Büros und eine Privatklinik entstehen“, kritisiert Halbrock. | |
Von Seiten der Eigentümerin, der Kraftwerk Bille Hamburg GmbH, war – | |
urlaubsbedingt, wie mitgeteilt wird – zunächst nicht zu erfahren, welche | |
Pläne sie für das Gebäude verfolgt. Ob sie also doch noch bereit wäre, | |
einen Teil des Gebäudes an den Verein zu moderaten Preisen zu verkaufen, | |
ist zwar offen – tatsächlich allerdings fraglich. | |
MIB Colored Fields GmbH ist nun im Auftrag der Kraftwerk Bille Hamburg GmbH | |
für Zwischenvermietung und zur Beratung für die strategische langfristige | |
Vermietung tätig. Er ist auf die „Konversion von Brachflächen und die | |
Revitalisierung von Industrieanlagen im Kontext von integrierter | |
Stadtentwicklung“ spezialisiert. | |
Eines der bekanntesten – und vergleichbaren – Projekte des Unternehmens ist | |
die Baumwollspinnerei in Leipzig – die im Osten der Stadt für eine | |
erhebliche Gentrifizierung gesorgt hatte. | |
Dass der Verein und das geplante „Werk“ möglicherweise vor dem Aus stehen, | |
ist auch keine gute Nachricht für Stadtentwicklungssenatorin Dorothee | |
Stapelfeldt und Falko Droßmann (beide SPD), Bezirksamtsleiter von Mitte. | |
Sie sehen, so hatten sie nach Bekanntgabe der Bundesförderung betont, dass | |
das geplante „Werk“ ein „Knotenpunkt mehrerer Stadtentwicklungsgebiete“ | |
sei, den die Politik langfristig unterstützten wolle. | |
Die Förderung, so Droßmann seinerzeit, sei auch als Wertschätzung für die | |
gemeinsamen Bemühungen zu betrachten. Doch nun ist auch diese Förderung in | |
Gefahr: „Der Bund knüpft die Förderung an das gemeinschaftliche Eigentum. | |
Sie verfällt, wenn der neue Eigentümer nicht verkauft“, sagt Halbrock. | |
Der Konflikt fällt in eine Zeit, in der viele angekündigte und geplante | |
Projekte im Hamburger Osten nun in die Umsetzungsphase gehen. Jüngst | |
stellten Stapelfeldt und Droßmann ihr Modellvorhaben „Mitte machen“ vor: | |
Kern des Projekts ist es, mit einer Menge Geld – 139 Millionen Euro – | |
Hamburgs Osten beim Ausbau von Sportanlagen oder mit der Modernisierung von | |
Begegnungsstätten aufzuhübschen. Damit solle Stück für Stück das | |
Stadtentwicklungsvorhaben „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ (siehe Kasten) | |
verwirklicht werden. | |
Um zu verhindern, dass das „Werk“ bei dieser Entwicklung unter die Räder | |
gerät, haben 150 Erstunterzeichnende von Hamburger Initiativen und Gruppen | |
wie Fux-Genossenschaft, die Band Deichkind oder der Gängeviertelverein ihre | |
Unterstützung zugesagt. | |
5 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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