# taz.de -- Nach dem Großbrand in Hamburg: Das Aufräumen beginnt | |
> Bei Hamburgs Behörden ist jetzt Krisenbewältigung angesagt. Gebrannt hat | |
> es an der Bille nicht das erste Mal, doch Konsequenzen gab es seither | |
> nicht. | |
Bild: Vor den Resten der abgebrannten Lagerhalle: ein Autowrack und Brandschutt | |
OSNABRÜCK taz | Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hamburg fährt nun | |
schweres Geschütz auf: Als „verheerend“ bezeichnet sie [1][das Großfeuer, | |
das am Ostersonntag in der Hamburger Billstraße ausbrach], im Stadtteil | |
Rothenburgsort, spricht von „rechtsfreien Räumen“, die „Menschenleben in | |
Gefahr“ bringen. | |
Seit „geraumer Zeit“ sei klar, sagt Horst Niens, der GdP-Landesvorsitzende, | |
dass in der Billstraße „zahlreiche Gewerbetreibende gegen viele Gesetze | |
verstießen“. Dann zählt er auf: Verdacht der Hehlerei, der | |
Steuerhinterziehung, des Menschenhandels. Die Lage sei „außer Kontrolle“. | |
Es könne nicht sein, dass „tonnenweise Schrott und alle möglichen Güter auf | |
engstem Raum gelagert werden“. Zoll, Bauaufsicht, Feuerwehr, Umweltamt und | |
Polizei müssten „den Rechtsstaat durchsetzen“. Auf dem 17.000 Quadratmeter | |
großen Gelände eines Autohändlers hatten Lagerhallen Feuer gefangen. Der | |
Einsatz dauert noch an. | |
Vor eineinhalb Jahren hatte es an der Billstraße schon einmal einen | |
Lagerhallen-Großbrand gegeben. „Und es wird garantiert auch nicht das | |
letzte Mal sein“, sagt Matthias Beth, der am Sonntag Zeuge der | |
Löscharbeiten war und mit Anwohnern gesprochen hatte, der taz. Beth heißt | |
eigentlich anders, möchte aber seinen Namen lieber nicht in der Zeitung | |
lesen. | |
## Vorwürfe gegen Behörden | |
„Das hier ist eine No-Go-Area“, beschreibt er der taz das Industrieareal an | |
der Bille. „Was hier abgeht, ist krass. Kein Recht, keine Ordnung, kein | |
Gesetz. Sondermüll ohne Ende, vollgestellte Feuerwehrzufahrten.“ Es habe | |
nach Schwefel gestunken, die Anwohner hätten Angst vor dem Gift gehabt. | |
Er macht Innensenator Andy Grote (SPD) schwere Vorwürfe: „Effizienter | |
Bevölkerungsschutz war das nicht“, sagt er. „Warum ist die Feuerwehr zuerst | |
mit viel zu geringen Kräften angerückt? Warum gab es keine mobilen | |
Hochleistungspumpen? Warum wurden die Schadstoffe in der Luft nicht durch | |
Sprühnebel gebunden? Warum darf soviel Müll in Wohngebietsnähe lagern, ohne | |
Grundwasserschutz?“ Auf den angrenzenden Dächern liegen bis heute Hunderte | |
alter Autoreifen. | |
Schadstoffbelastetes Löschwasser sei in die Kanalisation geflossen, in die | |
Bille. Die Hydranten hätten zu wenig Wasser geliefert. Und dann sei da die | |
Sache mit den Löschschiffen: „Früher hatte die Hamburger | |
Wasserschutzpolizei Schiffe mit Löschkanonen, aber die wurden abgeschafft. | |
Auch die Hamburger Feuerwehr hatte Löschschiffe, aber die wurden an die | |
Hamburg Port Authority outgesourced. Warum gibt es in der Bille keine | |
Löschbootstation mehr? Durch die Schleuse hier rein dauert es doch ewig, je | |
nach Stand der Tide.“ | |
Vor der Polizeiabsperrung hat er am Sonntag rund 40 Personen gesehen, die | |
auf ihn wirkten, als hätten sie „alles verloren“. Billiglohn-Arbeiter, | |
vermutet er, die in den abgebrannten Hallen gelebt hätten. „Kontrollen gab | |
es in der Billstraße offenbar nie“, sagt er. | |
## Arbeiter haben in den Hallen gelebt | |
Auf Ralf Neubauer, den Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, kommt jetzt viel | |
Arbeit zu. „Die Probleme in der Billstraße sind uns bekannt“, sagt er der | |
taz. „Aktuell erleben wir leider sehr häufig dasselbe, nämlich dass wir | |
eine illegale Nutzung teilweise nach langwierigen Verfahren untersagen | |
können, dann das Grundstück verkauft wird und die nächste illegale Nutzung | |
beginnt.“ | |
Die Stadt habe „planerische Vorstellungen“ für die Billstraße, dazu brauc… | |
es ein städtisches Vorkaufsrecht. „Wir rechnen mit einem zeitnahen | |
Ergebnis.“ Mit der Behörde für Wirtschaft und Innovation hat das Bezirksamt | |
2022 das „Zielbild Billstraße 2035“ entwickelt. Damit sollen „die aktuel… | |
Missstände Schritt für Schritt beseitigt werden“. | |
Von der Hamburger Behörde für Inneres, von der taz mit Detailfragen | |
konfrontiert, blieben bis Redaktionsschluss viele Antworten aus, zu | |
Luftschadstoffen und Hydrantenkapazität, zu Brandmeldeanlagen und | |
Löschwasserverbleib. | |
Zur Kritik am Löschbooteinsatz sagt Tim Spießberger, ihr Sprecher, der taz: | |
Die Feuerwehr Hamburg besetze dauerhaft ein Löschboot der Klasse LB30, „das | |
auch in flachere Gewässer wie die Bille einlaufen kann“. Ein LB30 sei „auch | |
beim Großbrand eingesetzt“ worden. Es habe allerdings beim Einsatz keine | |
Möglichkeit gegeben, „die Brandstelle direkt mit einem Löschboot zu | |
erreichen“. | |
## Löschboot mit geringer Reichweite | |
„Das LB30 hat Wasser aus der Bille gepumpt“, bestätigt ein Sprecher der | |
Berufsfeuerwehr Hamburg der taz. „Das wurde dann mit Schlauchverlängerungen | |
zum Einsatzort transportiert.“ | |
Beth hat kein Boot am Brandort gesehen. Vor allem keinen Einsatz der | |
starken LB30-Wasserkanone. „Auch die Nachbarn hier haben sich gefragt, | |
warum das nicht passiert ist, über das Nachbargebäude hinweg. Dann hätte | |
der Brand womöglich gar nicht solche Ausmaße erreicht.“ | |
„Das ging nicht“, sagt Spießberger. „Allein aufgrund der Entfernung.“ … | |
Aufzählung der Dienstboote der Wasserschutzpolizei, von WS 1 bis WS 37, ist | |
eindrucksvoll. Aber über viel Löschreichweite verfügen die meisten nicht. | |
Es wird noch viele Fragen geben, zum Brand [2][an der Hamburger | |
Billstraße.] Und noch viele Antworten werden nötig sein. Eine Frage ist: | |
Wann ist das letzte Glutnest gefunden? | |
15 Apr 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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