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# taz.de -- Nächtliche Ausgangssperre: Doch kein Stubenarrest
> Überraschend deutlich hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die
> Ausgangssperre der Region Hannover zu Fall gebracht. In Hamburg gilt sie
> weiter.
Bild: Der Protest vor Gericht war erfolgreicher als der auf der Straße
Hannover/Hamburg taz | Es waren überraschend deutliche Worte, die das
Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg da an die Region Hannover
richtete: Die habe „nicht ansatzweise nachvollziehbar“ machen können, dass
sie [1][vor der Ausgangssperre] schon alle anderen Möglichkeiten
ausgeschöpft habe, die geltenden Kontaktbeschränkungen effektiv zu
kontrollieren und durchzusetzen.
Den Ausführungen der Region ließe sich nicht einmal „annäherungsweise
entnehmen, in welchem Umfang die von ihr angeführten regelwidrigen
nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfänden“. Nic…
nachprüfbare Behauptungen reichten zur Rechtfertigung einer derart
einschränkenden und weitreichenden Maßnahme wie einer Ausgangssperre nicht
aus, heißt es [2][in der Mitteilung des Gerichts] weiter.
Insbesondere sei es nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen
ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie
verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären. Nach mehr als
einem Jahr Pandemiegeschehen bestehe die begründete Erwartung nach
weitergehender wissenschaftlicher Durchdringung der Infektionswege.
Die Region Hannover reagierte sofort und kassierte die Verfügung wieder
ein. Allerdings hatte sich [3][Regionspräsident Hauke Jagau schon zuvor]
als kein allzu großer Fan der Maßnahme zu erkennen gegeben. Nun darf man
dort also auch nach 22 Uhr wieder auf die Straße, in anderen
niedersächsischen Kommunen gilt die Ausgangssperre aber weiter.
## Rund 70 Klagen vor dem Verwaltungsgericht
Das hat damit zu tun, dass die Coronaverordnung des Landes zwar den Rahmen
für die Ausgangssperren vorgibt – die konkrete Ausgestaltung aber den
Kommunen überlässt. Also muss bei jeder einzelnen geguckt werden, ob sie
ausreichend begründet ist und Klagen Stand hält.
Als „krachende Niederlage für die Landesregierung“ bezeichnete Helge
Limburg, der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, die
OVG-Entscheidung trotzdem. Die Vorgaben des Landes seien offenbar zu
unkonkret, um rechtssicher umgesetzt werden zu können. Die Grünen hatten
schon früh für eine rigidere Kontrolle von Arbeitsstätten und
umfangreichere Tests statt Ausgangssperren plädiert.
Dass diese Maßnahme auf erheblichen Widerstand stoßen würde, hatte sich in
Hannover früh abgezeichnet. Am Donnerstag vor Ostern war die Ausgangssperre
in Kraft getreten – am Karfreitag gab das Verwaltungsgericht den ersten
vier Eilanträgen dagegen statt. Das galt erst einmal nur für die
Kläger*innen, die aber ganz schnell Nachahmer*innen fanden: Direkt nach
den Feiertagen war die Anzahl der Verfahren (Eilanträge und Klagen) nach
Angaben des Gerichtes auf rund 70 geklettert.
Die Region wollte eine grundsätzliche Klärung herbeiführen und legte gegen
die ersten Beschlüsse Beschwerde vor dem OVG Lüneburg ein – das wies die
Beschwerde am Dienstagnachmittag zurück, noch am Abend hob die Region die
Ausgangssperre auf.
## Abendliche Spontandemos im Univiertel
Ausnahmsweise hatte sich aus diesem Anlass in Hannover auch Protest
formiert, der nicht dem Coronaleugner-Lager oder einzelnen
Interessengruppen zu zuordnen ist. Im Univiertel Nordstadt versammelten
sich rund 70 linke Aktivist*innen und Anwohner*innen, um gegen die
Ausgangssperre, aber für einen „solidarischen Lockdown“ und ein klügeres
Pandemie-Management zu demonstrieren. Auch an den folgenden Abenden riefen
sie zu Demonstrationen auf, die zum Teil allerdings deutlich kleiner
ausfielen.
In der lokalen Presse sorgte das [4][erst einmal für Irritationen], weil
unklar war, ob diese Ansammlung an sich nicht schon illegal war. Später
stellte die Polizei klar: Versammlungen dieser Art rechtfertigen eine
Ausnahme von der Ausgangssperre, weil sie – ähnlich wie die Teilnahme an
nächtlichen Ostergottesdiensten, die ja auch ausdrücklich erlaubt war – auf
ein höheres Rechtsgut verweisen.
Interessant wird nun zu beobachten, ob und wie die Rechtsauffassung des OVG
Lüneburg Kreise zieht. Bisher gab es nämlich eine ganze Reihe von Urteilen,
die in eine ganz andere Richtung zielten. So hatte zum Beispiel die 14.
Kammer des Hamburger Verwaltungsgerichts bereits am Karfreitag den
Eilantrag einer Familie mit Kind gegen die Ausgangsbeschränkung abgelehnt.
Ohne sie sei „eine wirksame Eindämmung“ des Infektionsgeschehen „erhebli…
gefährdet“, erklärte das Gericht. Es bestehe also aufgrund der Zuspitzung
des Pandemiegeschehens ein „hinreichender Anlass“ für die verfügten
Regelungen, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss des
Gerichts.
Die Ausgangssperre sei den Antragstellern zuzumuten, sie greife zwar „nicht
unerheblich in ihre Grundrechte ein“, was aber mit Blick auf die aktuelle
Coronalage und die für die Allgemeinheit entstehenden Vorteile als
verhältnismäßig anzusehen sei, da „es kein milderes, gleich geeignetes
Mittel zur Eindämmung“ gäbe. Der Beschluss kann noch vor dem
Oberverwaltungsgericht angefochten werden. Es sind zudem weitere Klagen
gegen die Ausgangsbeschränkungen in Hamburg anhängig, über die noch nicht
entschieden wurde.
## Hamburg verzeichnet kaum Probleme mit der Ausgangssperre
Nach der in Hamburg seit Karfreitag und zunächst bis zum 18. April
geltenden Ausgangssperre dürfen die Hamburger*innen ihre Wohnungen
zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens nur noch aus triftigem Grund
verlassen, die sie im Fall einer Polizeikontrolle glaubhaft nachweisen
müssen.
Als triftige Gründe gelten der Weg zur Arbeit, medizinische Notfälle und
die Versorgung von Tieren. Auch körperliche Betätigungen wie Spaziergänge,
Joggen oder Fahrrad fahren sind erlaubt. Der Einzelhandel schließt wegen
dieser Beschränkungen um 21 Uhr, auch der nächtliche öffentliche Nahverkehr
wird eingestellt.
Bislang, so teilte die Hamburger Polizei am Mittwoch mit, gebe es nur
„wenige Verstöße“ gegen die Ausgangsbeschränkungen. Die Hamburger Straß…
sind während der Sperrstunde nahezu menschenleer, zudem kontrollierte die
Polizei bislang vor allem beliebte nächtliche Treffpunkte wie den Elbstrand
und den Stadtpark, sah aber von Kontrollen einzelner Passant*innen, die in
der „verbotenen Zeit“ allein unterwegs waren, ab.
Zu heftigen verbalen oder gar handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen
Kontrollierten und Kontrolleuren, wie sie die Polizei befürchtet hatte, kam
es bis auf ganz wenige Ausnahmen bislang nicht.
7 Apr 2021
## LINKS
[1] /Ausgangssperren-im-Norden/!5758445
[2] https://oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformation…
[3] https://www.youtube.com/watch?v=cCBPKEDPIkk
[4] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Protest-in-Hannovers-Nordstadt-tr…
## AUTOREN
Nadine Conti
Michael Trammer
Marco Carini
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