# taz.de -- Forschungsfabrik für Autobatterien: Ohne Konzept und Kunden | |
> Die Industrie ist mit der Forschungsfabrik für Autobatterien von | |
> Ministerin Karliczek unzufrieden. Sie kritisiert: Die Anlage kommt viel | |
> zu spät. | |
Bild: Darum gehts: Schnittmodell einer Lithium-Ion-Batterie bei einer Autoausst… | |
BERLIN taz | Der Streit um die [1][Forschungsfabrik für | |
Batteriezellenfertigung (FFB) in Münster] nimmt kein Ende. Es ist eines der | |
größten Anwendungsprojekte, das Bundesforschungsministerin Anja Karliczek | |
(CDU) in ihrer Amtszeit angeschoben hat: Mit 700 Millionen Euro soll die | |
Antriebsproduktion für Elektroautos wissenschaftlich vorbereitet werden. | |
Anfangs sorgte die geografische Nähe des Vorhabens zu Karliczeks Wahlkreis | |
für politischen Stress. | |
Jetzt sind die Industrievertreter mit den Forschern überkreuz, und die | |
Fraunhofer-Gesellschaft errichtet die Fabrik allein. Zudem hat sich mit dem | |
[2][eingesetzten Boom der Elektromobilität] das Umfeld radikal gewandelt: | |
Für die deutschen Autobauer im harten Konkurrenzkampf kommt der staatliche | |
Forschungsvorlauf viel zu spät. | |
Der Frust auf Industrieseite über den schleppenden FFB-Beginn wurde Anfang | |
Dezember bei einem internen Workshop des Projekts offen ausgesprochen. Die | |
Forschungsfabrik sei zu weit weg vom Marktgeschehen, und es drohe die | |
Gefahr, „Forschung als Selbstzweck“ zu betreiben, heißt es in einem | |
Protokoll der Sitzung, das dem Tagesspiegel zugespielt wurde. Die Anlage | |
komme zwei Jahre zu spät. Zudem habe Fraunhofer das Projekt „gekapert“ und | |
mache nun damit, was es wolle, an den potenziellen Anwendern vorbei, ohne | |
Konzept und ohne Kunden. „Dem Ding gehört der Stecker gezogen“, war eine | |
prägnante Kritik aus der Branche. | |
Die Folge war, dass das BMBF noch im Dezember den mit Industrievertretern | |
besetzte „Betreuungskreis“ der Forschungsfabrik auflöste und durch einen | |
Beirat ersetzte, der aus Experten der Fraunhofer-Gesellschaft gebildet | |
wurde – ebenjener Forschungsorganisation, die auch mit dem Aufbau der | |
Fabrik beteiligt war. | |
Wenige Wochen später, Mitte Januar, musste der Geschäftsführende Leiter der | |
FFB, der Fraunhofer-Mann Fritz Klocke, bekennen, dass die Industriekritik | |
nicht aus der Luft gegriffen war. Um „mindestens drei Jahre“ werde sich der | |
Betriebsbeginn der Fabrik verschieben, teilte Klocke in einem Schreiben an | |
die Forschungsministerien in Berlin und Düsseldorf mit, aus dem der | |
[3][Blog des Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda] jetzt zitierte. | |
Die industrienahe Forschungsfertigung, heißt es dort, werde „kaum vor dem | |
Jahr 2027 möglich“ sein. | |
Bis dahin wird sich die Welt der Batterietechnik komplett gedreht haben. | |
Die Autobranche investiert derzeit Riesensummen, Allein der VW-Konzern will | |
in Europa bis 2030 sechs Zellfabriken mit einer Gesamtkapazität von 240 | |
Gigawattstunden (GWh) errichten. Kosten pro Fabrik: rund 3 Milliarden Euro. | |
Auch andere Autobauer wie Tesla und Daimler planen eine eigene Fertigung | |
von Batteriezellen, ebenso Akteure aus der Energiebranche. So baut die | |
chinesische Firma SVolt eine 24-GWh-Fabrik in Saarbrücken. Wer wird die | |
Ergebnisse der Münsteraner Batteriefabrik dann noch haben wollen, wenn sie | |
dereinst vorliegen? Langsame Forschung für eine schnelle Technik, das passt | |
nicht. | |
20 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Forschungsfabrik-fuer-Autobatterien/!5712158 | |
[2] /Aus-Le-Monde-diplomatique/!5718960 | |
[3] https://www.jmwiarda.de/2021/03/16/z%C3%A4sur-in-m%C3%BCnster/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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