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# taz.de -- Forschungsfabrik für Autobatterien: Gezinkte Karten
> Der Rechnungshof bemängelt das Vergabeverfahren für die „Forschungsfabrik
> Batteriezelle“. Der Standort Münster soll bleiben.
Bild: Anja Karliczek räumte in ihrer Reaktion hausinterne Verfahrensfehler ein
Berlin taz | Die Batterieforschung setzt das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) weiter unter politische Hochspannung. Am Mittwoch
legte der Bundesrechnungshof einen Prüfbericht vor, in dem schwere Mängel
bei der BMBF-Entscheidung für Münster als Standort der „Forschungsfabrik
Batteriezelle“ festgestellt wurden. Forschungsministerin Anja Karliczek
räumte in ihrer Reaktion hausinterne Verfahrensfehler ein, doch werde der
Standort Münster nicht in Frage gestellt.
Die Affäre um die Forschungsfabrik hatte im letzten Jahr hohe Wellen
geschlagen. Mit dem gleichermaßen ehrgeizigen wie teuren Projekt (500
Millionen Euro kommen vom BMBF, weitere 200 Millionen vom Land
Nordrhein-Westfalen) soll die industrielle Herstellung von Batteriezellen
für Elektrofahrzeuge in Deutschland wissenschaftlich vorbereitet werden.
Neue Materialkombinationen und Fertigungsprozesse sollen in der
Forschungsfabrik erprobt werden.
Wegen der Anwendungsnähe zur Automobilindustrie war es daher überraschend,
als im Juli 2019 die Standort-Entscheidung nicht auf die Autoländer
Baden-Württemberg oder Bayern fiel, sondern auf die Universitätsstadt
Münster – [1][in direkter Nachbarschaft zum Bundestagswahlkreis der
CDU-Abgeordneten Karliczek.] Dies habe aber keine Rolle gespielt,
versicherte die Ministerin erneut. „Die Entscheidung für das Konzept zum
Standort Münster war und ist richtig“, erklärte die BMBF-Chefin. „Das
Konzept war das exzellenteste unter mehreren sehr guten Vorschlägen.“
## Eigene Standortinteressen
In seinem Prüfbericht für den Bundestag kritisiert der Bundesrechnungshof,
dass die Fraunhofer-Gesellschaft als späterer Betreiber der
Forschungsfabrik, obschon somit befangen, an dem Vergabeprozess beteiligt
war. Auch hätten in der sogenannten Gründungskommission Industrievertreter
gesessen, die jeweils eigene Standortinteressen hatten und nicht neutral
urteilen konnten. Das Land NRW sei zudem dadurch begünstigt worden, indem
es „wesentliche Informationen“ frühzeitiger als konkurrierende Bundesländ…
aus dem Ministerium erhalten hatte. Nicht nachvollziehen konnte der
Rechnungshof außerdem, warum die Bewertungskriterien für die Auswahl im
Laufe des Verfahrens mehrfach geändert wurden. „Dies führte jeweils zu
veränderten Rangfolgen, wobei der Standort Münster im zeitlichen Verlauf
jeweils um einen Platz nach vorne rückte“, stellt der Bericht fest.
Karliczek sicherte zu, dass in ihrem Ministerium „ein neuer
Kontrollmechanismus etabliert wird“. So werde bei Vergabeverfahren „ab
einer bestimmten Größenordnung von Beginn an die Innenrevision beteiligt“.
Auch die Aktenführung und Dokumentation, die laut Rechungshof im BMBF
„nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen“ hab…
werde verbessert.
Der politische Streit ist damit keineswegs ausgestanden. Für die
Haushaltsexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch, hat sich
der Eindruck „massiv verstärkt, dass die Ministerin mit gezinkten Karten
gespielt hat“. Im Verfahren seien Lobbyisten Tür und Tor geöffnet worden.
Lötzsch: „Die Ministerin kann jetzt eigentlich nur noch zurücktreten.“ Die
gleiche Demissions-Empfehlung kam im vergangenen Sommer sogar von der CDU
in Baden-Württemberg.
Jenseits der Querelen geht die Batterieforschung ihren Gang.
BMBF-Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas freute sich in dieser Woche darüber,
dass sein Haus weitere 100 Millionen Euro für eine neue Batterieinitiative
vergeben kann. Mit der [2][Förderrichtline „Batterie 2020 Transfer“] soll
die Entwicklung von Batteriematerialien für künftige elektromobile,
stationäre und weitere industrierelevante Anwendungen gefördert werden.
Gesucht werden Konzepte für wieder aufladbare, elektrochemische
Energiespeicher, die sich in das Ziel der Kreislaufwirtschaft einfügen und
einen „entscheidenden Beitrag für eine nachhaltige Elektromobilität“
darstellen, wie es in der Ausschreibung heißt. Schwerpunkte der
Förderrichtlinie sind Produkt- und Prozessdesign, Synthese der Materialien
sowie das Batteriematerialrecycling.
4 Sep 2020
## LINKS
[1] /Streit-um-Batterieforschungsfabrik/!5625197
[2] https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-3130.html
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
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