# taz.de -- Buch „Rabauken“ von Jan Koslowski: Laisser-faire beim Discounter | |
> Regisseur Jan Koslowski beschreibt in seinem Prosadebüt „Rabauken“ eine | |
> nur zum Schein bourgeoise Berliner Boheme – der es manchmal am Geld | |
> fehlt. | |
Bild: Am nötigen Kleingeld für den zweiten morgendlichen Espresso mangelt es … | |
„Rabauken“, das Prosadebüt von Jan Koslowski, ist nicht engagiert, heißt … | |
schon seitens des Verlags, dafür aber eine „Liebeserklärung und ein | |
literarischer Tagtraum“ – und Letzterer muss ja eigentlich erst mal nichts, | |
außer angenehm und schön sein. | |
Und so beginnt Koslowskis Erzählung angenehm, schön und weich mit einer | |
Schlummerphase – der sechsten – seines Protagonisten Yusuf, der sich mit | |
geschlossenen Augen der geometrischen Figuren auf der Bettwäsche zu | |
erinnern versucht. Geometrische Figuren in ausgewaschenen Primärfarben sind | |
es, und die Bettwäsche ist nicht seine, sondern bereits dagewesen in einem | |
Zimmer an einem unbekannten Ort, an dem Yusuf eine undefinierte Zeitspanne | |
verbringt. | |
Darüber hinaus passiert gar nicht mal so viel bei den Rabauken, die | |
Koslowski da ersonnen hat. Neben Yusuf sind es Pepe, Clara, Pauline und | |
Thibault, die viel trinken und gut essen, sich mit nach Lavendel duftender | |
Seife und holzig-pfeffrigem Parfum umgeben und mit Sportwägen über | |
mediterrane Promenaden fahren. | |
Etwaige Mode- und Markenreferenzen erinnern an [1][Christian Krachts | |
„Faserland“], wie etwa eine Anekdote, in der Yusuf einen | |
Pepita-Rapport-Schal von Isabel Marant mitgehen lässt. | |
## Hedonismus trifft auf Geldmangel | |
Doch wo Krachts namenlose Hauptfigur mit seinem Geld nur so um sich | |
schmeißt, ja, die identitätsstiftende Barbourjacke gar verbrennt, gehören | |
Yusuf und seine Freund*innen nur zum Schein einer bourgeoisen Boheme an. | |
Den nötigen Look haben sie, auch frönen sie dem hedonistischen Lebensstil, | |
wo sie nur können, nur am nötigen Kleingeld mangelt es ab und an. So kann | |
sich Yusuf den zweiten morgendlichen Espresso im Café nicht immer leisten, | |
geschweige denn das Ticket für eine längere Zugfahrt. | |
Diese Geldknappheit wird hier allerdings nicht als Problem dargestellt, das | |
die Betroffenen zu nicht erwähnenswerten Einkäufen beim Discounter zwingt. | |
Nein, diese neue Generation der Bobos scheint durchzukommen, in dem sie, | |
ja, was eigentlich tut? | |
So recht schlau wird man nicht aus dem Alltag dieser jungen Menschen – jung | |
müssen sie sein, um eine so volatile Lebenseinstellung zwischen | |
Laisser-faire und dolce far niente noch für erstrebenswert zu halten. | |
Die Zelebrierung von Einkäufen organischer Lebensmittel – „eine Bergamotte, | |
ein regionaler Senf, welcher den Namen einer fernen Stadt trägt, eine | |
kleine Flasche Birnenessig, […] Tofu aus dem Schwarzwald, zwei Flaschen | |
Roséwein aus dem Land der Salzwiesen der rosa Vögel und der weißen Pferde“ | |
– klingt beinahe schon unangenehm prätentiös. | |
## Keine heteronormativen Grenzen | |
Versöhnlich stimmt hier eine nicht klar deklarierte, aber mitschwingende | |
Fluidität, wenn es um die Beziehungen zwischen den Akteur*innen geht. | |
Diese orientiert sich, anders als [2][noch bei Kracht] und seiner | |
Autor*innengeneration, nicht mehr an heteronormativen Grenzen. | |
Vermarktet wird Koslowskis Prosaband als „Novella“, das Buch grenzt sich | |
damit ab von allzu klaren Definitionen. Die Erzählung, die keine wirkliche | |
Stringenz verfolgt, wird immer wieder unterbrochen; mal von kurzen | |
Gedichten und von drehbuchartigen Dialogen etwa, die an Koslowskis | |
bisherige Tätigkeit als Regisseur und Schauspieler erinnern. | |
Gemeinsam mit 60 befreundeten Künstler*innen organisierte er | |
vergangenen Sommer die [3][„Festspiele am Plötzensee“ – ein | |
Kulturfestival] im Berliner Wedding; am Badestrand und – auch wegen | |
Corona – unter freiem Himmel. Einen seiner Künstlerkollegen hat Koslowski | |
auch in das „Rabauken“-Projekt miteinbezogen und so zieren nicht nur das | |
Cover, sondern mittendrin Illustrationen des Künstlers Janes | |
Haid-Schmallenberg die Seiten. Schon ihretwegen lohnt ein Blick in dieses | |
Buch. | |
24 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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