| # taz.de -- Nutzung leer stehender Karstadt-Gebäude: Rendite oder Leben? | |
| > Zwei ehemalige Galeria-Karstadt-Gebäude in der Hamburger Mönckebergstraße | |
| > stehen leer. Das Bündnis Stadtherz macht Vorschläge für deren Nutzung. | |
| Bild: Was da alles passieren könnte: leer stehende Gebäude am Eingang der Mö… | |
| Hamburg taz | Es ist ein trauriger Anblick, wenn man momentan in Hamburgs | |
| bekannteste Einkaufsstraße einbiegt: Verrammelte Fenster im Erdgeschoss | |
| sollen die innere Leere der beiden Gebäude-Kolosse verbergen, die die | |
| Mönckebergstraße flankieren. Die ehemaligen Gebäude von Karstadt Sports und | |
| Galeria Kaufhof stehen seit Ende letzten Jahres leer, der dahinterstehende | |
| Handelskonzern hatte laut dem Hamburger Abendblatt Mitte Juni das Aus der | |
| beiden Standorte bekannt gegeben. Dass der Leerstand der Gebäude kein | |
| Dauerzustand ist, darin sind sich alle Interessenvertreter*innen | |
| einig, nicht aber über die künftige Nutzung. | |
| Die Bürgerinitiative „Bündnis Stadtherz“ fordert unter dem Motto | |
| „Kaufhäuser für alle!“ eine bedarfsgerechte Umnutzung der Gebäude. Sie | |
| wünscht sich einen offenen Entscheidungsprozess, an dem die | |
| Stadtgesellschaft beteiligt ist. Außerdem fordert das Bündnis die Stadt | |
| auf, sich ein Vorkaufsrecht für die Gebäude zu sichern und wahrzunehmen. | |
| Die Grundeigentümerin des Karstadt-Sport-Gebäudes ist die R+V Versicherung, | |
| das andere Gebäude gehört der Württembergischen Versicherung. | |
| „Die Gebäude sind ausschlaggebend für den Einstiegscharakter der | |
| Mönckebergstraße“, sagt Michael Joho, Mitbegründer des Bündnisses | |
| Stadtherz. Die Initiative sprüht über vor Ideen: Kunst-, Bildungs-, und | |
| Sportangebote, klimaschonende Produktionsorte zur regionalen Herstellung, | |
| Co-Working, Gastronomie, Obdachlosenhilfe, neue Wohnformen oder Altenpflege | |
| – all das könne hier Raum bekommen. „Das Schlimmste, was passieren kann, | |
| wären Hotels, Büros oder ein weiteres Kaufhaus“, sagt Joho. | |
| Genau das sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende des Bezirks Mitte, Tobias | |
| Piekatz, aber kommen: „Ich finde die Forderungen wünschenswert, aber nicht | |
| umsetzbar in dieser Lage.“ Die Gebäude seien „verbaut“, es gäbe nicht m… | |
| so viel Spielraum. Zudem seien sie für Verkaufs- und Büroflächen bereits | |
| ausgelegt. „Die Bahnhofsnähe schafft natürlich gute Voraussetzungen für ein | |
| Hotel“, sagt Piekatz. Am Ende sei es eine immobilienwirtschaftliche Frage | |
| für die Grundeigentümer*innnen. Die Ideen des Bündnisses beruhten aber auf | |
| der Abwertung der Wirtschaftlichkeit der Gebäude, im Klartext: | |
| Mietreduzierung. | |
| Die Initiative gibt sich damit nicht zufrieden. „Wenn die Stadt Interesse | |
| an unseren Forderungen zeigt, wäre das ein wichtiges Zeichen gegenüber den | |
| Grundeigentümern“, sagt Marco Hosemann, ebenfalls Mitglied des Bündnisses | |
| Stadtherz. | |
| „Wir sind nicht die Bösen, die ein Haus besetzen wollen“, sagt Hosemann. | |
| Zwischennutzungen seien gute Möglichkeiten, die Flächen unter Beteiligung | |
| der Bürger*innen zu entwickeln. „Die Mönckebergstraße ist nach 20 Uhr | |
| tot. Jetzt gäbe es eine Gelegenheit, die Innenstadt wieder kulturell zu | |
| beleben“, sagt Joho. Ihm schweben Orte der Begegnung vor. „Das Stadtbild | |
| muss sich ändern, das weiß auch der Senat“, sagt Joho. | |
| Tatsächlich bestätigt die Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und | |
| Wohnen, dass das Umfeld des Hauptbahnhofes nicht mehr den Vorstellungen | |
| eines zeitgemäßen Bahnhofsumfeldes entspräche. | |
| Wie aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion | |
| hervorgeht, sind jedoch nur elf Prozent der Flächen innerhalb des Wallrings | |
| städtisch, die restlichen 89 Prozent sind in privatem Besitz. | |
| Die Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde Susanne Enz betont, dass der | |
| Senat durch die Schaffung von Planungsrecht auf die Nutzung der Grundstücke | |
| und auf die Gestaltung der Gebäude Einfluss nehmen könne. Es müsse aber | |
| auch das Interesse der Eigentümer*innen berücksichtigt werden. | |
| Das kritisieren sowohl das Bündnis Stadtherz als auch Tobias Piekatz von | |
| der SPD. „Je mehr die Stadt an Gebäuden verkauft, desto weniger kann sie | |
| die Stadtentwicklung steuern“, sagt Joho. Auch Piekatz hat Bedenken: | |
| „Natürlich gibt es durch das bestehende Planungsrecht gewisse Vorschriften, | |
| die für alle gelten. Trotzdem ist die Situation ein Problem, man hätte | |
| nicht so viel verkaufen dürfen. Aber nun ist es so.“ | |
| Die Versicherungen schweigen zu ihren Vorhaben. Auf Nachfragen der taz | |
| heißt es, zur künftigen Nutzung sei noch nichts entschieden. Weder das | |
| Bündnis noch die Stadt stehen bisher im direkten Kontakt zu den | |
| Eigentümer*innen. | |
| Am Ende ist es eine Frage des Geldes. „Kreativität ist viel wert. Aber kann | |
| sie die Miete bezahlen?“, fragt Piekatz. Der nächste H&M-Store könne das | |
| wahrscheinlich. Haben möchte ihn niemand so wirklich dort. | |
| „Wir wollen uns als Initiative jetzt erst mal ins Gespräch bringen und | |
| Aufmerksamkeit schaffen“, sagt Joho „und uns einsetzen für eine | |
| abwechslungsreiche und inspirierende Innenstadt.“ | |
| 22 Mar 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Nele Aulbert | |
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