# taz.de -- Die Kanzlerfrage bei der Union: Zu Ostern einen Eiertanz | |
> Armin Laschet und Markus Söder entscheiden bald, wer Kanzlerkandidat der | |
> Union wird. Einer hat den größeren Willen – der andere bessere | |
> Umfragewerte. | |
Bild: Als Laschet und Söder noch eng beieinander sitzen konnten: 24.07.2019 | |
Berlin, München und Düsseldorf taz | Dienstagvormittag kurz nach 11 Uhr, im | |
Foyer der CDU-Zentrale. Armin Laschet, dunkler Anzug, weißes Hemd, dezente | |
Krawatte, steht vor einer blauen Wand und ruft ein Jahrzehnt der | |
Modernisierung aus. Das Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Ökologie müsse | |
neu justiert werden, spricht der CDU-Chef in die Kameras. | |
„Klimaschutz allein reicht nicht.“ [1][Die CDU könne sprudelnder Quell für | |
eine nachhaltige Umweltpolitik], eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, eine | |
nachhaltige Sozialpolitik und eine nachhaltige Digitalpolitik sein. Laschet | |
steht mit geschlossenen Beinen hinter dem Rednerpult, seiner aufrechten | |
Körperhaltung merkt man die innere Spannung an. | |
Vor Laschet stehen nur wenige Fernsehkameras und Fotografen, von der | |
Galerie in der CDU-Zentrale aus dürfen zehn Journalist:innen | |
zuschauen, die zuvor auf Corona getestet worden sind. Die Rede und auch das | |
anschließende Schaltgespräch mit vier „Macherinnen und Machern“ aus der | |
Bevölkerung, darunter eine Schulleiterin und der Chef der Drogeriekette dm, | |
werden live ins Netz gestreamt. Unter dem Hashtag #zusammenmachen startet | |
die CDU eine Beteiligungskampagne für ihr Wahlprogramm. | |
Doch das Event im Konrad-Adenauer-Haus ist viel mehr. Mit seiner Rede | |
bewirbt sich Laschet, wenn auch unausgesprochen, um die Kanzlerkandidatur | |
der Union und formuliert seinen Anspruch auf die Macht im Land. Damit zielt | |
er auch nach Bayern, wo CSU-Chef Markus Söder längst [2][zum offiziellsten | |
aller inoffiziellen Kanzlerkandidaten avanciert ist.] | |
## Es steht schlecht um die Union | |
„Wir sind als Partei der Mitte innovativer Kern deutscher Politik“, sagt | |
Laschet. „Wir können Veränderungen, aber wir sind in den letzten Jahren zu | |
bequem geworden.“ Der CDU-Chef bemängelt Bürokratie und Behäbigkeit, die | |
Engagement und Modernisierung bremsten, betont das Zusammenspiel von | |
Freiheit und Verantwortung. Manchmal hört er sich dabei fast wie FDP-Chef | |
Christian Lindner an. Auch eine Warnung vor einer grün-rot-roten Koalition | |
nach der Bundestagswahl im September fehlt nicht. „Die Zukunft lässt sich | |
nicht mit ideologischen linken Experimenten gestalten“, sagt Laschet. Und | |
dass die CDU das Bollwerk dagegen sei. | |
Aber der CDU-Chef spricht auch von Fehlern im Pandemiemanagement und | |
„persönlichem Fehlverhalten“ in den eigenen Reihen. Das habe dazu geführt, | |
dass das Vertrauen in Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Union | |
gesunken sei. | |
Das ist vorsichtig formuliert. Um die Union steht es derzeit schlecht. | |
Chaos in der Pandemiebekämpfung trifft auf Korruptionsaffären, politisches | |
Versagen paart sich mit moralischem. Das ist für die Union eine toxische | |
Mischung. [3][Zwei Landtagswahlen hat die CDU gerade krachend verloren], | |
und das zu Beginn des Superwahljahres, an dessen Ende die Bundestagswahl | |
steht. | |
In den Umfragen dazu brechen die Werte jeden Tag ein bisschen stärker ein, | |
in einer der letzten lag die Union nur noch 2 Prozentpunkte vor den Grünen. | |
Das Kanzleramt könnte im Herbst verloren gehen, warnen Unionsgranden | |
bereits öffentlich. Was die Frage befeuert: Ist Laschet der Mann, der das | |
Ruder rumreißen kann? Oder wäre Markus Söder, der bayerische | |
Ministerpräsident und CSU-Chef, nicht doch der bessere Kanzlerkandidat für | |
die Union? | |
Die beiden Parteichefs haben verabredet, diese Frage zwischen Ostern und | |
Pfingsten zu klären. Während Söder diese Formulierung gebetsmühlenartig | |
wiederholt, betont Laschet neuerdings: „Ostern beginnt bekanntlich am | |
kommenden Sonntag.“ Der Nordrhein-Westfale, der als Chef der weitaus | |
größeren der beiden Schwesterparteien das erste Zugriffsrecht auf die | |
Kanzlerkandidatur hat, weiß, dass die Zeit gegen ihn arbeiten könnte. | |
Stürzt die Union in den Umfragen weiter ab, könnten die Rufe nach dem Mann | |
mit den höheren Beliebtheitswerten lauter werden. Und das ist nun einmal | |
Söder. | |
Laschet und Söder, das sind zwei Politiker mit sehr unterschiedlicher | |
Ausstrahlung. Während der Franke, breitbeinig und zupackend, für das steht, | |
was man beschönigend Leadership nennt, zeichnet Laschet eher ein | |
integrativer Stil aus; er wägt ab und versucht, unterschiedliche Interessen | |
zu verbinden. In der Pandemie kam Söders Ansatz gut an. Oft schien es, als | |
müsse sich Laschet noch sortieren, während Söder schon vor den Kameras | |
stand und der verunsicherten Öffentlichkeit erklärte, wo’s langgeht. | |
Von Laschet dagegen ist das peinliche Foto hängen geblieben, das ihn zu | |
Beginn der Pandemie bei einem Besuch des Klinikums Aachen zeigt – mit einer | |
Maske, die ihm unter die Nase gerutscht ist. Dass Laschet sich in Talkshows | |
auch gern mal verheddert, wenn er unter Druck gerät, bestärkte diesen | |
Eindruck der Nichtsouveränität. Am Dienstagabend blitzte diese Gefahr in | |
einer ZDF-Sendung wieder auf, als Moderator Markus Lanz Laschet in | |
Bedrängnis brachte. Zwei Bilder setzten sich durch: Söder, der Macher. | |
Laschet, der Loser. | |
Wie chaotisch tatsächlich Laschets Coronapolitik mitunter ist, hat sich in | |
der vergangenen Woche wieder einmal gezeigt. Letzten Mittwoch, direkt nach | |
der Nachtsitzung der MinisterpräsidentInnen mit der Kanzlerin, beschwört | |
Laschet im Düsseldorfer Landtag die Gefahr der dritten Welle: „Die Lage ist | |
immer noch dramatisch“, ruft der Mann aus Aachen. „Wir müssen den Lockdown | |
verlängern.“ Die Mutante habe eine neue Pandemie entstehen lassen. Doch | |
kaum hat er die Dramatik der dritten Welle beschworen, kündigt er | |
„Modellprojekte“ an, in denen mit negativem Test der Besuch von Kinos, | |
Kultur- und Sportveranstaltungen möglich sei soll. | |
Am vergangenen Freitag wird dann klar: [4][Mit der neuen | |
Coronaschutzverordnung hebelt NRW die vereinbarte Notbremse aus.] Statt bei | |
einer Inzidenz von über 100 Handel, Museen und Zoos zu schließen, bleiben | |
diese mithilfe von Tests in den allermeisten der 31 Kreise und kreisfreien | |
Städte NRWs geöffnet – obwohl die Inzidenz dort inzwischen bei über 130 | |
liegt. | |
Das hat Laschet nicht nur Kritik von der Opposition im Land, sondern auch | |
einen öffentlichen Rüffel der Kanzlerin eingebracht. „Wo die Inzidenz über | |
100 ist, gibt es keinen Ermessensspielraum“, sagte Angela Merkel | |
vergangenen Sonntag bei „Anne Will“. Und auf Nachfrage machte sie klar: Ja, | |
Laschet verstoße gegen die von ihm selbst mitgefassten Beschlüsse der | |
Ministerpräsidentenkonferenz. | |
„Klar ist es schön, wenn man Herrn Söder zuhört und den Eindruck hat, da | |
weiß einer, wo’s hingehen soll“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula | |
Münch, [5][die die Akademie für Politische Bildung in Tutzing leitet] und | |
die CSU schon viele Jahre beobachtet. Diesen Eindruck habe man bei Laschet | |
nicht unbedingt. „Den Unterschied macht vor allem die Inszenierung. Mit | |
Blick auf den Erfolg der Politik sieht man keinen so großen Unterschied“, | |
sagt Münch. | |
Das zeigen auch die Infektionszahlen des Robert-Koch-Instituts, sogar mit | |
leichter Tendenz zugunsten von NRW. Auf die Anzahl der Einwohner:innen | |
gerechnet, sind die Fallzahlen in Bayern höher, auch gibt es dort mehr | |
Todesfälle. Wobei zu berücksichtigen ist, dass Bayern mit seiner Grenze zu | |
Tschechien und Österreich vor besonderer Herausforderungen steht. | |
Bei den bayerischen Wähler:innen wächst die Skepsis gegenüber Söders | |
Krisenmanagement. Der Entschlossene, der Durchgreifer, das ist ein Image, | |
das Söder sorgsam pflegt. „Söder ist einer, der schnelle Entscheidungen | |
treffen kann, auch wenn’s mal nicht bis zu Ende gedacht ist“, sagt Ludwig | |
Hartmann, Oppositionsführer im Bayerischen Landtag. „Das war am Anfang der | |
Krise auch durchaus richtig.“ Aber fundierte Umsetzungsarbeit sei nicht | |
Söders Stärke, so der Grünen-Politiker. Anfang März habe er angekündigt, | |
jetzt sofort in großem Stil testen zu lassen, doch dann habe sich erst mal | |
gar nichts getan. | |
Hinzu kommt: Was manche für Laschets Wankelmut halten, kann man auch als | |
Strategie deuten. Der neue CDU-Chef versucht sich seit geraumer Zeit als | |
Freund der Wirtschaft darzustellen. Schon im vergangenen Frühjahr drängte | |
er im Shutdown früh auf das Öffnen der Geschäfte, für Möbelhäuser | |
argumentierte er mit dem lustigen Satz, NRW sei das Land der Küchenbauer. | |
Auch beim digitalen Neujahrsempfang des baden-württembergischen | |
Wirtschaftsrates trat Laschet ganz im Sinne der Unternehmen als | |
Lockerungsfreund auf. Er sagte dort: „Man kann nicht immer neue Grenzwerte | |
erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet.“ | |
Laschet punktet damit mehrfach: Er grenzt sich von der Kanzlerin ab, an | |
deren Seite er in der Flüchtlingsfrage treu stand. Er bleibt bei seinem | |
Koalitionspartner FDP, mit dem er im Landtag gerade eine Stimme Mehrheit | |
hat. Außerdem hält er die AnhängerInnen von Friedrich Merz, die bei der | |
Vorsitzendenwahl noch gegen ihn votierten, bei der Stange und positioniert | |
sich und die CDU als wirtschaftsnahe Kräfte. Aus vielen Befragungen ist | |
bekannt: Die CDU kann Wahlen gewinnen, wenn die BürgerInnen ihr | |
Wirtschaftskompetenz zuschreibt. Nach der Pandemie dürfte dies umso | |
wichtiger sein. Ähnlich verfährt Laschet auch beim Thema innere Sicherheit, | |
wo er sich mit Innenminister Heribert Reul einen harten Hund ins | |
Landeskabinett geholt hat. | |
In Umfragen liegt die Union im Bund derzeit noch bei 25 Prozent. Stärker | |
noch als ihre Werte bei der sogenannten Sonntagsfrage ist das eingesackt, | |
was man Potenzial nennt, wie jüngst eine Allensbach-Umfrage zeigte. Demnach | |
ziehen nur noch noch 29 Prozent der Wähler:innen überhaupt in Betracht, | |
CDU oder CSU zu wählen. Die Union ist damit erstmals hinter die Grünen | |
gerutscht. Hauptgrund dafür sei das schlechte Krisenmanagement der | |
Regierung, [6][konstatierte Allensbach-Chefin Renate Köcher in der FAZ.]Und | |
klarer noch: Das Vertrauen in die Aussage „Die CDU kann Krise“ sei | |
erschüttert. | |
## Die Maskenaffäre reicht bis zur CSU-Spitze | |
Das ist eine Analyse, die an den Grundfesten der Union rüttelt. Eine | |
Partei, deren Selbstverständnis zuallererst darin besteht, den Kanzler zu | |
stellen, hat ein ernsthaftes Problem, wenn ihr die Regierungsfähigkeit | |
abhandenzukommen scheint. Dazu gesellen sich die Korruptionsaffären. | |
Nach der CSU-Vorstandssitzung am vergangenen Freitag kommt Söder gemeinsam | |
mit seinem Generalsekretär Markus Blume in die Kantine der Münchener | |
Parteizentrale und stellt sich mit durchgedrücktem Kreuz ans Pult. Hängende | |
Schultern – gibt es bei Söder nicht. „Dies war eine schlechte Woche für d… | |
Union“, sagt der CSU-Chef. Im Parteivorstand haben sie gerade über die | |
Folgen des Maskenskandals diskutiert und einen 10-Punkte-Plan beschlossen, | |
der „volle Transparenz“ bei den Nebeneinkünften der CSU-Mandatsträger | |
garantieren soll. | |
Die Korruptionsaffäre schadet beiden Parteien in der Union, doch an die | |
CSU-Spitze ist sie näher herangerückt. Der ehemalige CSU-Mann Georg | |
Nüßlein, dessen Fall als erster in der Maskenaffäre bekannt wurde, war | |
Vizechef der Unionsfraktion. Und Alfred Sauter Vorstandsmitglied der CSU. | |
In München redet Söder über die Lage der Union und das mangelnde | |
Coronamanagement in Berlin. Es bestehe die Gefahr, dass sich der ein oder | |
andere eine Regierung ohne die Union vorstellen könne. „Wir müssen das | |
Kämpfen wieder lernen“, sagt er. Und: „Wer die Nerven verliert, verliert | |
ganz sicher auch Wahlen.“ | |
## Beobachter bezweifeln Söders Ambitionen | |
[7][„Amigo-Mutanten“ steht in Anspielung auf einen CSU-Korruptionsskandal | |
aus den 90er Jahren am Tag darauf in der Süddeutschen | |
Zeitung.]Politikwissenschaftlerin Münch muss darüber herzlich lachen. „Das | |
bringt so treffend die beiden Themen, die die CSU gerade so extrem | |
belasten, auf den Punkt“, sagt sie. Söder nehme sie ab, dass er jetzt | |
durchgreifen wolle. „Aber das klebt schon sehr. Auch an Söder.“ | |
Nach knapp fünfzig Minuten ist die Pressekonferenz in München fast zu Ende, | |
da will ein ZDF-Reporter wissen, ob die Entwicklung der vergangenen Wochen | |
Söders Chancen als Kanzlerkandidat verringert habe. Die Antwort fällt | |
denkbar kurz aus: Das könne er nicht beurteilen, sagt der CSU-Chef. Seinen | |
üblichen Nachsatz, wonach sein Platz in Bayern sei, spart er sich. | |
Viele BeobachterInnen zweifeln daran, dass Söder wirklich antreten würde. | |
Natürlich gefalle es ihm, als möglicher Kanzlerkandidat wahrgenommen zu | |
werden, so die Einschätzung. Und selbstverständlich sei Söder von sich | |
selbst deutlich überzeugter als von seinem Konkurrenten aus NRW. Auch hält | |
er die Dinge weiter am Köcheln. Am Dienstag erst griff er Laschet offen | |
an. Er finde es „sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der | |
CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet“, sagte der bayerische | |
Ministerpräsident bei einer Pressekonferenz und stellte sich flugs hinter | |
die Kanzlerin. Doch Laschet deshalb die Kanzlerkandidatur streitig machen? | |
Söder ist kein Politiker, der sich auf Abenteuer einlässt. Angesichts der | |
aktuellen Ausgangslage spricht deshalb viel dafür, dass Söder lieber in | |
Bayern bleiben will. | |
## Das Problem mit den Umfragewerten | |
Anders als für Laschet, der als CDU-Chef als „natürlicher Kandidat“ gilt | |
und dem bei einer Entscheidung gegen ihn erheblich geschadet würde, steht | |
für Söder nichts auf dem Spiel. Er kann sich darauf berufen, dass er immer | |
gesagt habe, sein Platz sei in Bayern. Dort sitzt er fest im Sattel, es | |
gibt weit und breit niemanden, der ihm seinen Posten streitig machen könnte | |
– weder den als Ministerpräsident noch den als CSU-Chef. Und im Freistaat | |
hat er noch die halbe Legislaturperiode vor sich. | |
Genug Zeit, um sich den bayerischen Wähler:innen als der zu | |
präsentieren, der den Augiasstall CSU erfolgreich ausgemistet hat. | |
Möglicherweise will Söder aber auch einfach den Preis für die CSU in einer | |
neuen Koalition im Bund hochtreiben – und bessere Ministerien oder mehr | |
Staatssekretäre in Berlin durchsetzen. | |
Was aber nach wie vor für Söder spricht, sind die Umfragewerte. In der | |
Beliebtheit der WählerInnen liegt der CSUler weit vor dem CDU-Kollegen aus | |
Aachen. 56 Prozent meinten zuletzt, dass Söder das Zeug zum Kanzler zu | |
habe. Von Laschet glauben dies nur 23, selbst unter den Anhänger:innen | |
der Union sind es nur 28 Prozent. Das treibt auch Bundestagsabgeordnete um | |
– um deren Job es schließlich im September geht. Und so werden erste | |
Stimmen von CDU-Parlamentarier:innen laut, die sich für Söder als | |
Kanzlerkandidaten aussprechen. | |
## Bislang bleibt es bei dem Bekenntnis Einzelner | |
„Ich habe Armin Laschet bei der Wahl zum Parteichef unterstützt, und ich | |
fühle mich darin bestätigt“, sagt etwa Marco Wanderwitz aus Sachsen, der | |
auch Ostbeauftragter der Bundesregierung ist. „Was die Kanzlerkandidatur | |
betrifft, neigt sich mein Pendel nach wie vor zu Markus Söder, wenn er denn | |
will.“ Dessen Akzeptanzwerte seien herausragend. „Wir müssen mit dem | |
antreten, mit dem wir nach Umfragen die besten Chancen haben, und das ist | |
mit Abstand Markus Söder“, meint auch Johannes Steiniger aus | |
Rheinland-Pfalz. [8][„Bei mir an der Parteibasis kenne ich praktisch | |
niemanden, der für Armin Laschet ist“, sagte er dem Spiegel.] | |
Auch in Laschets Heimatverband NRW wagen sich die Ersten aus der Deckung. | |
„Statt Hinterzimmergesprächen sind Beteiligung und Wertschätzung der | |
Mitglieder nötig, etwa in Form einer Mitgliederbefragung oder eines | |
Sonderparteitags“, fordert die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia | |
Pantel, [9][die der stramm rechten Werteunion] nahesteht. Ihre | |
Fraktionskollegin Elisabeth Motschmann aus Bremen äußert sich ähnlich. Die | |
Hoffnung der beiden ist wohl: Die Mitglieder würden Söder zum | |
Kanzlerkandidaten ausrufen. | |
Gerät da also etwas zugunsten von Söder ins Rutschen? Wohl eher nicht. | |
Bislang bleibt es bei Bekundungen Einzelner. Zudem: Niemand von der | |
CDU-Spitze, kein Ministerpräsident, kein Präsidiumsmitglied, hat sich | |
bislang offen für Söder ausgesprochen. Im Gegenteil. [10][CDU-Vizechef | |
Thomas Strobl, der für Merz als Parteichef geworben hatte, hat sich | |
inzwischen offen für Laschet positioniert.] Die CDU wolle, dass Laschet | |
Kanzlerkandidat werde und im Herbst dann auch Bundeskanzler, sagte der | |
amtierende baden-württembergische Innenminister der Stuttgarter Zeitung. | |
Und er fügte hinzu, dass dies nach seinem Eindruck in den anderen | |
CDU-Landesverbänden genauso gesehen werde. Auch Carsten Linnemann, | |
Vizefraktionschef im Bundestag und Chef der Mittelstandvereinigung, hat | |
sich für den Rheinländer ausgesprochen: „Armin Laschet hat bewiesen, dass | |
er es kann.“ | |
## Wer kann besser einen Shitstorm aussitzen? | |
Ein neues Wolfratshausen soll es also nicht geben – dort machte Angela | |
Merkel 2002 den Kotau, [11][bot dem damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber beim | |
Frühstück in dessen Haus in Oberbayern die Kandidatur an.] Damals lehnten | |
zahlreiche Spitzenpolitiker der CDU nicht nur Merkel als Kanzlerkandidatin | |
ab, sie waren auch bereit, sich für Stoiber einzusetzen – darunter der | |
hessische Ministerpräsident Roland Koch und sein Kollege aus dem Saarland, | |
Peter Müller; auch der damalige Fraktionschef Friedrich Merz gehörte dazu. | |
Ihre Drohung: Sollte Merkel Stoiber nicht den Vortritt lassen, werde man in | |
den offenen Konflikt gehen. Stoiber wurde Kanzlerkandidat und scheiterte. | |
Vielleicht erwägt Söder gar, den Spieß umzudrehen und Laschet bei einem | |
Frühstück in Aachen die Kanzlerkandidatur anzudienen. Scheitert der | |
Nordrhein-Westfale, könnte sich für Söder 2026 eine neue Chance ergeben, | |
möglicherweise mit besserer Ausgangslage als heute. Mit 58 Jahren ist er | |
dann immer noch im besten Alter für eine Kanzlerschaft. | |
Doch er sollte, wie alle anderen auch, Laschet nicht unterschätzen. | |
[12][Der CDU-Chef ist ein Machtpolitiker, der abwarten, aussitzen, | |
Shitstorms überstehen kann.] Er hat schon viele politische Rückschläge | |
eingesteckt und in späte Siege verwandelt. | |
Am Dienstagvormittag im Konrad-Adenauer-Haus merkt man Laschet die vielen | |
Einschläge der vergangenen Monate kaum an. Eher dies: Er ist entschlossen, | |
den Blick in die Zukunft zu lenken, auf die Zeit nach der Pandemie. Sollte | |
die dritte Welle nicht allzu schlimm werden und im Sommer tatsächlich ein | |
großer Teil der Bevölkerung geimpft sein, dann könnte seine Strategie sogar | |
aufgehen. Der wegen „Öffnungsorgien“ und Wankelmut vielfach Gescholtene | |
könnte dann als Politiker dastehen, der die Wähler:innen vor den | |
allergrößten coronabedingten Zumutungen geschützt hat. Geht das aber | |
schief, könnte ihm ein Schicksal drohen, das ihm in Düsseldorf manche schon | |
heute vorhersagen: „Laschet wird Kanzlerkandidat – Kanzler aber nicht.“ | |
31 Mar 2021 | |
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[8] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/erste-cdu-abgeordnete-fuer-soede… | |
[9] /taz-Recherche-zur-Werteunion/!5745420 | |
[10] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.unterstuetzung-aus-den-suedweste… | |
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