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# taz.de -- Korruptionsaffären in der Union: Mission zunächst erfüllt
> Die Fraktionsführung hatte alle Abgeordneten von CDU und CSU zur
> Unterzeichnung einer Art Ehrenerklärung aufgefordert. Und alle folgten.
Bild: Alle sauber? In der Korruptionsaffäre wollte die Fraktionsspitze von den…
Berlin taz | Die Frist ist am Freitag um 18 Uhr abgelaufen. Bis dahin
sollten die derzeit noch 243 Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU eine
Erklärung unterschreiben, dass sie keine finanziellen Vorteile bei
Geschäften im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie erzielt
haben – weder direkt noch über Gesellschaften. Dazu hatten
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt [1][die Parlamentarier:innen am Mittwoch
verdonnert]. Wer die Erklärung nicht unterzeichnen könne, solle bei den
Parlamentarischen Geschäftsführern vorsprechen.
Am Freitagabend hieß es für die Fraktionsführung mission accomplished. Sie
konnte erst einmal Entwarnung geben. „Alle CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete
haben diese Erklärung unterschrieben“, teilte die Fraktionsführung ihren
Mitgliedern in einem Brief mit, der der taz vorliegt. Die
Parlamentarier:innen hätten damit klargestellt, dass sie in der
Corona-Pandemie mit aller Kraft dafür gearbeitet haben, die Krise zu
bewältigen. Überprüft wurden die Angaben nicht, es ging um eine
Selbsteinschätzung.
Die Fraktionsführung hatte zu der drastischen Maßnahme gegriffen, nachdem
bekannt geworden war, dass zwei Unionspolitiker in solche Geschäfte
verstrickt sind. Der frühere CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel hat eingeräumt,
dass seine Firma Provisionen von rund 250.000 Euro für das Vermitteln von
Kaufverträgen für Corona-Schutzmasken erhielt. Die Staatsanwaltschaft prüft
derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet. Gegen den ehemaligen
CSU-Politiker Georg Nüßlein wird bereits wegen des Anfangsverdachts der
Bestechlichkeit ermittelt.
Löbel und Nüßlein haben jeweils ihre Partei verlassen, Löbel hat auch sein
Bundestagsmandat niedergelegt. Nüßlein hat dagegen nur angekündigt, im
Herbst nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren. Auch bei Mark
Hauptmann (CDU) werden inzwischen Maskengeschäfte geprüft. Zunächst waren
aber durch Recherchen des Spiegel Vorwürfe bekannt geworden, dass Hauptmann
für das autoritär regierte Aserbaidschan lobbyiert haben soll. Zugleich
sollen aus der Kaukasusrepublik Werbeanzeigen in einem von ihm
herausgegebenen Lokalblatt in Thüringen erschienen sein. Hauptmann
bestreitet die Vorwürfe.
## Angst vor dem Wahlergebnis
Seitdem die Fälle öffentlich wurden, [2][ist die Aufregung in der Union
groß]. Man fürchtet, dass sich diese negativ auf die Landtagswahlen an
diesem Wochenende in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auswirken, wo es
für die Union laut Umfragen ohnehin nicht gut aussieht. Auch daher drängte
die Unions-Fraktionsspitze die Abgeordneten zur Unterschrift der Erklärung.
Um Aserbaidschan geht es in der Erklärung nicht, obwohl gegen zwei
Mitglieder der Fraktion, Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern und Axel
Fischer aus Baden-Württemberg, in diesem Zusammenang wegen
Korruptionsverdacht ermittelt wird – und der Fall Hauptmann nun dazu
gekommen ist. Hauptmann hat inzwischen sein Mandat niedergelegt. Zuvor
hatte auch er die Erklärung unterschrieben.
In ihrem Brief vom Freitagabend betonten Brinkhaus und Dobrindt noch
einmal, dass sich die Unionsfraktion einen Verhaltenskodex geben will.
Zudem berichteten sie von der „10-Punkte-Transparenzoffensive“, die der
Fraktionsvorstand am Freitagvormittag beschlossen hatte. Darin steht der
schöne Satz: „MdB ist eine Ehre und Verpflichtung – und kein Werbebanner.�…
Dies soll klarmachen, dass die Mitglieder des Bundestags ihr Mandat nicht
für geschäftliche Zwecke missbrauchen dürfen. Das sollte eigentlich
selbstverständlich sein, zeigt aber, was die Union gerade umtreibt.
## Verhandlungen am Freitag
Mit dem 10-Punkte-Papier zog die Union am Freitag in Verhandlungen mit dem
Koalitionspartner. Ziel sei es, so steht es darin, die
Transparenzvorschriften im Abgeordnetengesetz „deutlich“ und „umgehend“…
verschärfen. Bislang stand die Union in diesen Fragen vor allem auf der
Bremse. Die SPD war am Freitag sichtlich überrascht, dass die Union mit
einem eigenen Vorschlag in die Gespräche kam.
Am Nachmittag war zu hören, dass sich die Koalition in einigen Punkten
annähere. Etwa sollen Geldspenden an Abgeordnete sowie eine Lobbytätigkeit
neben dem Mandat künftig verboten werden. Uneinigkeit bestand unter anderem
weiter darüber, ab welcher Höhe die Einkünfte aus Nebentätigkeiten in Euro
und Cent angegeben werden müssen – die SPD fordert dies für alle, die Union
erst für Einkommen ab 100.000 Euro.
„Es war offenkundig, dass die Union angesichts der vielen
Korruptionsvorwürfe deutlich verhandlungsbereiter war als jemals zuvor“,
sagte Matthias Bartke, der für die SPD an den Gesprächen beteiligt war,
nach deren Ende der taz. „Wir haben über zehn Jahre gebraucht, um die
Abgeordnetenbestechlichkeit ins Strafgesetzbuch zu bekommen, und jetzt
fordert die Union selbst eine Strafverschärfung. Das ist schon
bemerkenswert.“ Anderen Fragen aber verweigere sich die Union weiter. In
der kommenden Woche wird weiter verhandelt.
12 Mar 2021
## LINKS
[1] /Maskenaffaere-bei-CDU-und-CSU/!5757376
[2] /Generalsekretaer-zur-Maskenaffaere/!5757514
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
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