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# taz.de -- Coronabeschlüsse von Bund und Ländern: Volles Risiko
> Bei Inzidenzwerten bis 100 sollen die Coronaregeln gelockert werden.
> Begründet wird das mit Tests und Impfungen – doch genau da stockt es.
Bild: Müde von der Arbeit als Bremserin: Angela Merkel nach dem Bund-Länder-G…
Es war eine veränderte Angela Merkel, die am Mittwoch eine halbe Stunde vor
Mitternacht vor die Kameras trat. [1][Nach den neunstündigen Beratungen mit
den Ministerpräsident*innen] wirkte die sonst stets hoch
konzentrierte Kanzlerin etwas fahrig und blickte mehr als üblich auf ihre
Sprechzettel. Auch was sie sagte, klang anders als bei den vorherigen
Treffen. Hatte Merkel dort stets die Mahnerin gegeben, die die Gefahren
betonte und vor zu schnellen Lockerungen warnte, machte sie diesmal vor
allem Mut. „Wir können heute von Hoffnung und dem Übergang in eine neue
Phase sprechen“, leitete sie ihr Statement ein.
Grundlage für diese Hoffnung seien, so die Kanzlerin, erstens die
gesunkenen Infektionszahlen, zweitens die verbesserten Testmöglichkeiten
und drittens die voranschreitenden Impfungen. Dass die Realität nicht ganz
so gut aussieht – die Infektionszahlen steigen seit knapp zwei Wochen
wieder, [2][Selbsttests und kostenlose Schnelltests sind noch immer nicht
erhältlich] und beim Impfen kommen die Länder langsamer voran als möglich –
spielte dabei offenbar keine Rolle. Die Coronabeschränkungen sollen
trotzdem gelockert werden.
Entscheidendes Kriterium bleibt dabei die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl
der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen innerhalb einer Woche.
Als Grenzwert gilt ab jetzt wieder eine Inzidenz von 50. Der Wert von 35,
der beim letzten Bund-Länder-Gipfel auf Druck von Merkel wegen der
zusätzlichen Gefahr durch die Mutation festgelegt worden war, ist damit
hinfällig. Auch bei Inzidenzen, die zwischen 50 und 100 liegen und nicht
steigen, sollen Lockerungen möglich sein, aber mit mehr Auflagen. Ob
einzelne Kreise als Maßstab gelten, größere Regionen oder ganze
Bundesländer, lässt der Beschluss offen.
Unabhängig von den Inzidenzen dürfen nächste Woche Buchhandlungen und
Gartenmärkte wieder öffnen; sonstige Geschäfte sowie Museen dürfen ab dann
bei einer Inzidenz unter 50 generell öffnen und bei Werten zwischen 50 und
100 mit vorheriger Terminbuchung. Auch Sport im Freien soll von nächster
Woche an wieder begrenzt möglich sein.
## Schule ist auf einmal kein Thema mehr
Danach sehen die Pläne zwei weitere Öffnungsschritte vor, doch ob diese
Realität werden, ist offen. Denn sie sind an sinkende oder stabile
Inzidenzen gekoppelt, und die scheinen angesichts der Verbindung aus dem
wachsenden Anteil der Mutationen und den vorherigen Öffnungen wenig
wahrscheinlich. Sollten die Zahlen aber tatsächlich nicht steigen, dürfen
dann ab 22. März Gastronomie im Freien sowie Theater, Konzerthäuser, Kinos
und Sporthallen wieder öffnen – in Regionen mit Inzidenz unter 50 generell,
bei stabiler Inzidenz zwischen 50 und 100 mit tagesaktuellem Test. Ab
Ostern könnte dann der Einzelhandel auch bei Inzidenzen zwischen 50 und 100
wieder ohne Terminpflicht öffnen.
Unabhängig von den Inzidenzen dürfen sich zudem ab sofort wieder bis zu
fünf Personen aus zwei Haushalten privat treffen. Und anders als bisher
zählen Kinder unter 14 dabei nicht mit. In Regionen mit einer Inzidenz
unter 35 sollen sich bis zu zehn Personen aus drei Haushalten treffen
dürfen.
Keinerlei Angaben finden sich im Abschlusspapier zur weiteren Öffnung der
Schulen, die eigentlich Vorrang vor allen sonstigen Öffnungen haben sollte.
Hier können die Länder demnach selbst entscheiden, für welche weiteren
Klassenstufen, wann und in welcher Form der Präsenzunterricht wieder
aufgenommen wird. Auch von der Ankündigung, dass weitere Öffnungen mit
einem umfassenden Testangebot verknüpft werden, bleibt nur wenig übrig:
Angekündigt wird gerade mal ein kostenloser Schnelltest pro Woche.
Während es bei den Öffnungen offenbar wenig Konflikte gab, soll es beim
Thema Geld zu einem heftigen Wortgefecht zwischen Finanzminister Olaf
Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gekommen
sein. Der Streit drehte sich um die Frage, inwieweit sich die Länder
finanziell am Härtefallfonds für die Wirtschaft beteiligen müssen. Die
Details wurden schließlich vertagt.
Etwas von Merkels bisheriger Vorsicht findet sich übrigens doch noch im
Abschusspapier: Sie hat eine sogenannte Notbremse durchgesetzt. Wann immer
die regionale Inzidenz für drei Tage über den Wert von 100 steigt, werden
alle Öffnungen wieder zurückgenommen und die derzeitigen Regeln gelten
wieder. Zumindest sofern nicht auch dann wieder anders entschieden wird,
als zuvor angekündigt.
4 Mar 2021
## LINKS
[1] /Beschluesse-von-Bund-Laender-Treffen/!5755849
[2] /Coronaselbsttests-fuer-Berlins-Schueler/!5754396
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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