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# taz.de -- Beschlüsse von Bund-Länder-Treffen: Mal wieder planlos
> Die Bund-Länder-Runde sendet mit den Lockerungen ein völlig falsches
> Signal. Sie erfindet zu lasche Grenzwerte, um den Menschen eine
> Perspektive zu geben.
Bild: Bald wieder ins Museum? Vorsichtige Lockerungen sind in Sicht
Man möchte in diesen Tagen wirklich kein Politiker sein. Es gibt im Kampf
gegen die Coronapandemie keine guten Entscheidungen mehr, nur noch die Wahl
zwischen schlechten und ganz schlechten. In der Bevölkerung nimmt die
Lockdown-Müdigkeit zu, [1][Gewerbetreibende fürchten um ihre Existenz],
viele drängen auf Lockerungen.
Dennoch: Was Kanzlerin Angela Merkel mit den MinisterpräsidentInnen am
Mittwochabend beschlossen hat, könnte sich schon bald als schwerer Fehler
herausstellen. Ihr Kurs führt nicht aus der Lose-Lose-Situation heraus.
Die [2][Bund-Länder-Runde] sendet das falsche Signal. Es lautet: Wir können
uns wieder mehr leisten, die Pandemie ist beherrschbar. Überall in einem
komplizierten Stufenplan, den kaum jemand verstehen wird, finden sich
Lockerungen. Sie sind vorsichtig formuliert, aber die Richtung ist
unverkennbar. So sollen etwa schon in Regionen, in denen die
7-Tage-Inzidenz unter 100 liegt, Museen, Galerien, Theater, Konzerthäuser
oder die Außengastronomie unter bestimmten Bedingungen öffnen.
Leider stimmen beide Annahmen nicht. Weder ist die Pandemie beherrschbar,
noch sind Lockerungen im Moment sinnvoll. Selbst vorsichtige Öffnungen
tendieren in der Umsetzung durch auf Beliebtheitswerte schielende
Länderchefs dazu, sich zu verselbständigen. Oft genug haben wir es im
vergangenen Jahr erlebt.
## Eine schlüssige Strategie fehlt
So verständlich es ist, dass die Politik die Sehnsucht der BürgerInnen nach
Freiheit, Erbauung und Kontakten ernst nimmt: Die pandemische Lage ist so
fragil, dass dies ein hohes Risiko bedeutet. Die Zahl der Neuinfektionen
ist nach wie vor zu hoch, und sie steigt an. Die gefährlichen Mutationen
verbreiten sich rasant. Gleichzeitig sind die Dämme gegen eine neue Welle
bisher zu niedrig und instabil. Die [3][Impfungen] nehmen Fahrt auf, aber
noch sind viel zu wenige versorgt. Schnelltests sind bald im Handel
erhältlich, aber eine schlüssige Strategie fehlt, weil Gesundheitsminister
[4][Jens Spahn] das Thema verschlafen hat.
Es wäre deshalb klüger, die Infektionen noch ein paar Wochen weiter zu
drücken und die Dämme zu stabilieren. Selbst ein Ausharren bis Ostern hätte
einen Schritt nach vorn bedeutet, einen Schritt in Richtung kontrollierte
Pandemie. Aber das ist nun vergossene Milch.
Zu dem unlogischen Agieren der Bund-Länder-Runde passt, dass sie sich die
Kriterien, nach denen sie sich richtet, so zurechtschneidert, wie es ihr
passt. Wir erinnern uns: Im Februar galt noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von
35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner als Maßstab, ab dem Lockerungen
möglichen seien. Nur dann, hieß es, seien die Gesundheitsämter in der Lage,
Kontaktketten nachzuverfolgen.
Jetzt erklären Merkel und die LänderchefInnen plötzlich die 50er-Inzidenz,
teils sogar die 100er-Inzidenz zur Messlatte, einfach deshalb, weil die 35
zu schwer zu erreichen ist. Wie die überlasteten Gesundheitsämter da die
Kontakte isolieren sollen? Man weiß es nicht. Wichtiger ist, dass eine
scheinbar seriöse Begründung für Lockerungen gefunden wird.
## Perspektive für ermattete Deutsche
Fast komisch wird das alles, wenn man sich daran erinnert, dass Armin
Laschet im Februar über die von ihm selbst mitbeschlossene Linie gelästert
hat. Man könne nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass
das Leben wieder stattfinde, sagte er damals.
Jetzt passiert das Gegenteil. Die Politik erfindet zu lasche Grenzwerte, um
den ermatteten Deutschen eine Perspektive zu geben. Und Armin Laschet freut
sich.
4 Mar 2021
## LINKS
[1] /Schleppend-ausgezahlte-Coronahilfen/!5747223
[2] /Kehrtwende-in-der-Coronapolitik/!5755846
[3] /Impfen-und-Priorisierungen/!5755742
[4] /Coronapolitik-der-Bundesregierung/!5752320
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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