# taz.de -- Pandemie bekämpfen: Der Staat kapituliert | |
> Für die Politik zählen die Wünsche der Wirtschaft mehr als die Gesundheit | |
> der Menschen. Die müssen darum mehr denn je selbst für ihren Schutz | |
> sorgen. | |
Bild: Die Covid-19-Lage auf den Intensivstationen ist nach wie vor ernst | |
Es ist ein Realitätsverständnis, das man von kleinen Kindern kennt: Wenn | |
ich etwas nur ganz doll will und fest daran glaube, dann muss es doch wahr | |
werden. Genau so haben Bund und Länder [1][beim jüngsten Coronagipfel] | |
agiert: Wenn der Wunsch nur stark genug ist, spielt die Realität keine | |
Rolle. | |
Der Wunsch war dabei, [2][dass der Lockdown endlich gelockert wird]. Der | |
wird zwar nur von einer Minderheit vertreten, aber die ist zuletzt immer | |
lauter geworden. Und aus subjektiver Sicht ist das ja auch verständlich: In | |
Einzelhandel, Gastronomie und im Kultursektor wachsen trotz staatlicher | |
Hilfen die wirtschaftlichen Sorgen und damit die Ungeduld. Und zumindest | |
ein Teil der Eltern und Kinder wartet dringend darauf, dass der | |
Präsenzunterricht wieder beginnt. | |
Die Hoffnung, dass das bald wieder möglich ist, ist durchaus berechtigt: In | |
den nächsten Monaten werden die Impfstofflieferungen stark zunehmen, und | |
durch Schnelltests lässt sich das Risiko beim Zusammentreffen von Menschen | |
stark verringern. | |
Die Realität sieht derzeit aber anders aus: Die Infektionszahlen fallen | |
seit zwei Wochen nicht mehr, sondern steigen wieder leicht. Die Impfungen | |
kommen nur langsam voran, und anders als zu Jahresbeginn liegt das nicht | |
mehr am Fehlen von Impfstoff, sondern an schlechter Organisation. Und | |
Schnelltests sind in Deutschland bisher nicht allgemein verfügbar, schon | |
gar nicht umsonst. Erst jetzt, nachdem kostenlose Schnelltests für alle | |
lange angekündigt waren, richtet die Regierung eine Taskforce ein, die sich | |
um deren Beschaffung kümmern soll – und betraut damit neben | |
Gesundheitsminister Jens Spahn ausgerechnet Verkehrsminister Andreas | |
Scheuer, der bisher fast jedes Projekt gegen die Wand gefahren hat. Viel | |
deutlicher kann man staatliches Versagen kaum demonstrieren. | |
Doch statt angesichts dieser Verzögerungen noch ein paar Wochen | |
durchzuhalten, bis die Fortschritte beim Impfen und beim Testen real | |
werden, öffnen nächste Woche vielerorts die Geschäfte wieder – oftmals | |
übrigens noch vor den Schulen, die beim Öffnen ja eigentlich absolute | |
Priorität haben sollten. Auch Angela Merkel, die ihre Krisenpolitik lange | |
an wissenschaftlichen Erkenntnissen statt an Stimmungen und Wünschen | |
ausgerichtet hat, trägt das nun mit. | |
## Infektionszahlen können steigen | |
Alles spricht dafür, dass die Infektionszahlen dadurch weiter steigen | |
werden. Dass sich das aufgrund der Impfung der Risikogruppen immer weniger | |
in den Todeszahlen niederschlägt, ist nur bedingt ein Trost, denn auch bei | |
Jüngeren kann eine Infektion schwere Folgen haben. | |
Bei jenen, die sich nun seit einem Jahr an die Regeln halten, um sich und | |
andere zu schützen, kann sich leicht Resignation einstellen angesichts | |
dieser Kapitulation der Politik kurz vor dem Ziel. Doch das wäre die | |
falsche Konsequenz. Je unverantwortlicher der Staat agiert, desto mehr | |
kommt es in den nächsten Wochen auf Eigeninitiative an. | |
Dicht anliegende FFP2-Masken (am besten mit einer Klammer am Hinterkopf) | |
sind bei unvermeidbaren Kontakten jetzt noch wichtiger als zuvor. Solange | |
die kostenlosen Schnelltests nicht ausreichend verfügbar sind, können die | |
ab jetzt erhältlichen Selbsttests Schutz bieten – und weil sich die nicht | |
alle leisten können, sollten jene, die das können, vielleicht andere | |
Menschen aus dem Umfeld mitversorgen. Und ältere Menschen beim Kampf gegen | |
die Impfbürokratie zu unterstützen wird ebenfalls immer wichtiger. | |
Doch natürlich darf man die Politik auch weiterhin nicht aus der | |
Verantwortung entlassen. Das gilt vor allem für die Ankündigung, | |
Lockerungen zurückzunehmen, wenn die Zahlen wieder steigen. Dass das | |
umgesetzt wird, ist fraglich, wenn man sieht, was aus den Ankündigungen des | |
letzten Gipfels geworden ist. Passieren wird es nur, wenn der Öffnungslobby | |
etwas entgegengesetzt wird. Es muss klar sein, dass eine dritte Welle nicht | |
nur menschlich und wirtschaftlich schlimme Folgen hätte – sondern auch für | |
die, die sie politisch verantworten. | |
6 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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