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# taz.de -- Entwicklung der Corona-Zahlen: Die dritte Welle ist da
> Die Infektionszahlen steigen wieder stärker an. Alle Hoffnungen ruhen auf
> den Impfungen. Die laufen schneller, doch es drohen neue Verzögerungen.
Bild: Schnelltest in Hagen: Wie stark die neuen kostenlosen Angebote die Zahlen…
Berlin taz | Lange wurde davor gewarnt, jetzt ist sie offenbar da: die
dritte Welle der Corona-Infektionen. War die Zahl der täglich gemeldeten
Neuinfektionen von Weihnachten bis Mitte Februar im Wochenmittel von knapp
26.000 auf gut 7.000 Fälle und somit fast auf ein Viertel gesunken, gab es
in den letzten drei Wochen wieder einen leichten Anstieg. Und der hat sich
in den letzten beiden Tagen stark beschleunigt: Am Donnerstag und Freitag
lag der Wert jeweils 20 Prozent über dem entsprechenden Tag der Vorwoche;
im Wochenmittel gibt es mit täglich gut 9.000 Fällen fast 10 Prozent mehr
als vor einer Woche.
Auch Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), ist sich
sicher: „Jetzt stehen wir am Anfang der dritten Welle.“ Und diese betreffe
deutlich jüngere Altersgruppen als zuvor. Vor allem bei den
Unter-15-Jährigen steige die Inzidenz derzeit „sehr rasant“, warnte Wieler.
Und: „Wir sehen auch wieder mehr Kita-Ausbrüche.“
Was der Grund für den plötzlichen starken Anstieg der Infektionszahlen in
dieser Woche ist, bleibt unklar, weil sich mehrere Effekte überlagern. Zum
einen breiten sich seit Jahresbeginn die [1][Virusmutanten aus
Großbritannien] und – in geringerem Umfang – aus Südafrika immer stärker
aus. Und zwar nicht nur vom Anteil an der Zahl der Gesamtinfektionen her,
sondern auch absolut. Weil diese Mutationen jetzt schon mehr als die Hälfte
der Neuinfektionen ausmachen, überwiegt ihr Anstieg inzwischen den leichten
Rückgang der ursprünglichen Coronavirusvariante.
Doch diese Entwicklung lässt eher einen langsamen Anstieg erwarten, wie er
in den Tagen zuvor zu beobachten war. Für den starken Anstieg in dieser
Woche braucht es eine weitere Erklärung. Sehr wahrscheinlich ist, dass die
in der letzten Woche von Bund und Ländern beschlossenen [2][Lockerungen des
Lockdowns] dazu beigetragen haben.
Zwar sind viele davon, etwa die Öffnung von Geschäften und die
Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in diversen Bundesländern – erst in
dieser Woche in Kraft getreten, sodass sie sich in den Infektionszahlen
bisher kaum widerspiegeln können. Erfahrungsgemäß führt aber bereits die
Ankündigung solcher Lockerungen dazu, dass die Einschränkungen insgesamt
etwas weniger ernst genommen werden, weil die politischen Beschlüsse in
Verbindung mit dem längeren Sinken der Infektionszahlen als Zeichen der
Entwarnung wahrgenommen werden.
Möglich ist zudem, dass die seit dieser Woche vielerorts verfügbaren
[3][kostenlosen Schnelltests] für einen Teil des Anstiegs verantwortlich
sind. Deren Ergebnisse gehen zwar nicht direkt in die Statistik ein, wohl
aber, wenn ein positiver Schnelltest anschließend – wie empfohlen – durch
einen PCR-Test bestätigt wird. Wenn vermehrt Menschen ohne Symptome oder
Kontakte getestet wurden, deren Infektion sonst unerkannt geblieben wäre,
würde das die Zahl der gemeldeten Infektionen erhöhen.
„Es ist sicher, dass die Schnelltests sich bei den Infektionszahlen
auswirken“, sagte SPD-Gesundheitexperte Karl Lauterbach der taz. „Doch weil
es keine Zahlen gibt, wissen wir nicht, wie stark.“ Tatsächlich ist derzeit
völlig unklar, wie viele Antigenschnelltests durchgeführt werden und
welcher Anteil davon positiv ist – selbst bei den kostenlosen Tests, die
vom Staat vergütet werden.
„Inwiefern die Zunahme der Antigentests die Fallzahlen beeinflusst, kann
auf Grundlage der dem RKI vorliegenden Daten noch nicht ausreichend
beantwortet werden, da Angaben zur Testhäufigkeit nur in begrenztem Ausmaß
zur Verfügung stehen“, teilte das Robert-Koch-Institut am Donnerstag auf
Anfrage mit. RKI-Präsident Wieler legte sich am Freitag trotzdem fest: „Der
Anstieg hängt nicht damit zusammen, dass mehr getestet wird“, sagte er. Wie
eine solche Aussage möglich ist, wenn es keine Daten zur aktuellen
Entwicklung der Tests gibt, blieb offen.
## Stagnation auf den Intensivstationen
Schlechter als zuvor ist auch die Entwicklung auf den Intensivstationen.
Die Zahl der behandelten Coronapatient*innen ist zwar noch nicht
gestiegen, aber der Rückgang wird immer mehr zu einer Stagnation. Mit 2.754
war die Zahl am Freitag weniger als halb so hoch wie beim bisherigen
Höchststand im Januar, aber nur noch minimal geringer als vor einer Woche –
und parallel zu den steigenden Infektionszahlen ist auch auf den
Intensivstationen wieder mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen.
Anders sieht es bei der Zahl der Menschen aus, die im Zusammenhang mit
Corona sterben. Diese ist weiterhin stark rückläufig: Mit rund 220 ist die
Zahl der täglichen Covid-19-Toten im Wochenmittel aktuell rund 75 Prozent
niedriger als Mitte Januar. Und es ist zu erwarten, dass sie auch bei einem
Anstieg der Infektionszahlen zunächst weiter sinkt. Denn unter älteren
Menschen, für die das Risiko, an Corona zu sterben, besonders hoch ist,
treten immer weniger Infektionen auf. Hier machen sich die zunehmenden
Impfungen in dieser Altersgruppe bereits bemerkbar.
Denn neben den vielen negativen Entwicklungen gibt es derzeit auch eine
erfreuliche: Das Impftempo hat in letzter Zeit deutlich zugelegt. In der
letzten Woche wurden im Schnitt 230.000 Impfungen am Tag durchgeführt, fast
doppelt so viele wie einen Monat zuvor. Und wenn die Impfstofflieferungen
wie geplant kommen, könnten schon im Juli alle impfbereiten Erwachsenen
tatsächlich geimpft sein. Dafür müssten im Sommer dann aber mehr als
fünfmal so viele Impfungen pro Tag durchgeführt werden wie derzeit. Um das
zu erreichen, sollen nicht nur die Impfzentren erweitert werden, sondern
spätestens ab Mitte April auch Haus- und Betriebsärzte einbezogen werden.
## Kritik an ausgesetzten AstraZeneca-Impfungen
Allerdings ist unklar, ob tatsächlich alle Lieferungen wie geplant kommen.
Sowohl bei AstraZeneca als auch beim Hersteller Johnson & Johnson, dessen
Mittel am Freitag in der EU als vierter Impfstoff offiziell zugelassen
wurde, wird mit Verzögerungen gerechnet. Denn diese Impfstoffe stammen
teilweise aus den USA, und diese blockieren derzeit den Export in andere
Länder. Die erste Lieferung von Johnson & Johnson wird darum erst für Ende
April erwartet; bei AstraZenca könnte die fürs zweite Quartal geplanten
Lieferungen deutlich geringer ausfallen als geplant.
Ein weiteres Problem wird sich in Deutschland dagegen voraussichtlich nicht
auswirken: Mehrere europäische Länder haben die Verwendung des
AstraZeneca-Impfstoffs am Donnerstag ausgesetzt, nachdem es Berichte über
tödlich verlaufene Thrombosen gab. Sowohl der Hersteller als auch die
Europäische Arzneimittelbehörde wiesen dies aber zurück.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte am Freitag, es gebe keine
Grundlage für die Entscheidung, die Impfungen mit dem Impfstoff von
AstraZeneca auszusetzen. „Mit dem, was wir bisher wissen“, so Spahn, sei
der Nutzen des Impfstoffs „bei weitem höher als das Risiko“. Das sieht
SPD-Mann Karl Lauterbach genauso: Insgesamt seien bei 3 Millionen geimpften
Menschen 22 Thrombosefälle aufgetreten, sagte er. „Das liegt voll im Rahmen
dessen, was ohnehin zu erwarten wäre.“ Das Aussetzen der Impfungen sei
daher ein Fehler, so Lauterbach.
12 Mar 2021
## LINKS
[1] /Entwicklung-der-Coronapandemie/!5753021
[2] /Coronabeschluesse-von-Bund-und-Laendern/!5755995
[3] /Start-der-Testzentren-in-Berlin/!5756274
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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