# taz.de -- Coronaschnelltests an Schulen: Der Testlauf | |
> Die Schulen öffnen nach und nach. Schnelltests für Schüler:innen | |
> sollen helfen, das Risiko zu minimieren. Dabei sind noch viele Fragen | |
> offen. | |
Bild: Das Domgymnasium Magdeburg hat seine Schüler:innen in dieser Woche durch… | |
So wie im Domgymnasium Magdeburg könnte der Schulalltag demnächst überall | |
aussehen. Am Montag kurz nach sieben trudeln die ersten Schüler:innen | |
ein. Im Eingangsbereich halten sie an einer der vier „Fieberstationen“. | |
Nacheinander stellen sie sich vor die Messgeräte, ein Infrarotsensor | |
misst die Temperatur an der Stirn. | |
Das Ergebnis wird unmittelbar angezeigt, eine Lehrkraft nickt das Ganze ab. | |
Wer mehr als 37,3 Grad hat, muss wieder nach Hause. Der Rest darf weiter zu | |
Teil zwei des schuleigenen Hygienekonzepts vorrücken: den | |
Antigen-Schnelltest vor Unterrichtsbeginn. | |
Seit dieser Woche dürfen in Sachsen-Anhalt wieder alle Schüler:innen | |
zurück an die Schulen, sofern die 7-Tages-Inzidenz in ihrem Kreis unter 200 | |
liegt. Eine ähnliche Regel gilt für Thüringen bis zur Inzidenz 100. | |
Ab Montag öffnen schrittweise auch in Rheinland-Pfalz und dem Saarland die | |
weiterführenden Schulen. Die Woche darauf folgen voraussichtlich weitere | |
sieben Bundesländer. Die Kultusminister:innen seien sich einig, dass | |
noch im März alle Schülerinnen und Schüler wieder zur Schule gehen sollen, | |
sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), am | |
Freitag. | |
Die Öffnungen sind jedoch umstritten. Die ansteckendere Virusmutation | |
B.1.1.7 breitet sich rasant aus. Und in fast allen Bundesländern stieg | |
zuletzt die 7-Tages-Inzidenz. Um die Pandemie unter Kontrolle zu halten und | |
gleichzeitig schrittweise aus dem Lockdown zu kommen, haben sich Bund und | |
Länder am Mittwoch auf eine umfassende Teststrategie geeinigt. | |
## 1.000 Schnelltests aus dem Schuletat | |
Auch Schüler:innen sollen mindestens einen freiwilligen Gratistest pro | |
Woche erhalten. Momentan bietet das lediglich das Saarland für die | |
Grundschulen an. Woanders gibt es regelmäßige Tests bislang nur für | |
Lehrkräfte. Auch in Sachsen-Anhalt. | |
Dietrich Lührs hat deshalb vorgesorgt. Der Schulleiter des Magdeburger | |
Domgymnasiums hat aus dem Schuletat 1.000 Schnelltests für die erste | |
Schulwoche mit allen Jahrgangsstufen angeschafft, für 3,50 Euro das Stück. | |
Am Montag sind die ersten 425 Schüler:innen getestet worden, die an dem | |
Tag mit Präsenzunterricht dran waren – am Dienstag dann die übrigen 423. | |
Kein Test fiel positiv aus, niemand hatte erhöhte Temperatur, nur zwei | |
Schüler wollten sich nicht testen lassen. „Insgesamt ein sehr gutes | |
Ergebnis“, sagt Lührs und meint damit auch die breite Testbereitschaft am | |
Domgymnasium, einer Privatschule in freier Trägerschaft. | |
## Fast eine Doppelstunde | |
Der Schulsanitätsdienst habe den Schüler:innen gezeigt, wie sie die | |
Wattestäbchen vorsichtig in die Nase einschieben müssten, zudem wurden | |
Lehrkräfte geschult. Trotzdem hätten Fiebermessen und Testen zusammen fast | |
eine Doppelstunde gedauert. „Mit der Routine wird es hoffentlich besser.“ | |
Die Hauptsache aber sei, dass nun regelmäßig unter schulischer Aufsicht | |
getestet werde. Den Bund-Länder-Beschluss sieht Lührs deshalb positiv: „Ich | |
hoffe, dass die Politik nun endlich handelt.“ | |
Gut möglich, dass Schulleiter Lührs enttäuscht wird. Der Bund hat zwar | |
zugesagt, ab Montag die Kosten für einen wöchentlichen Schnelltest pro | |
Person durch geschultes Personal zu übernehmen. Das scheint jedoch für die | |
versprochenen Schnelltests an Schulen nicht zu gelten. Laut | |
Bund-Länder-Beschluss müssen sich die Länder darum selbst kümmern. | |
Doch wann genau die Schulen mit diesen Tests rechnen dürfen, können die | |
meisten Landesregierungen noch nicht sagen. Der Berliner Senat spricht von | |
Mitte März, das Bayerische Gesundheitsministerium teilt auf Anfrage mit, | |
die ersten 1,3 Millionen Tests in den „nächsten Wochen“ verteilen zu | |
wollen. | |
## Erst nach Ostern? | |
Der Thüringer Kultusminister Helmut Holter (Linkspartei) rechnet sogar erst | |
nach den Osterferien im April mit den Schnelltests an Schulen. „Bei der | |
Beschaffung dieser Schnelltests müssen noch verschiedene Details geklärt | |
werden“, sagt Holter. | |
Zum einen sei noch nicht klar, welche Rolle der Bund bei der Bestellung | |
dieser Tests spiele. Zum anderen müsse das Land Thüringen eine eigene | |
Teststrategie definieren. Holter weiß, dass die Zeit drängt. Thüringen ist | |
das Bundesland mit der am Abstand höchsten 7-Tage-Inzidenz. Sie liegt | |
aktuell bei 128 – Tendenz steigend. | |
Spätestens bei einem Wert von 200 müssen die Schulen schließen, das | |
Thüringer Gesundheitsministerium empfiehlt diesen Schritt bereits bei der | |
Inzidenz 150. Aktuell sind deshalb schon in 6 der 23 Kreise im Land die | |
Schulen geschlossen. „Flächendeckende Schnelltests sind jetzt sehr wichtig, | |
dass wir wieder runter kommen von den hohen Werten“, sagt Holter der taz. | |
Den Vorwurf, die Kultusministerien hätten die Beschaffung der Schnelltests | |
verschlafen, weist Holter zurück. Thüringen habe schon im Januar | |
entschieden, neben den Lehrkräften auch den Schüler:innen der | |
Abschlussklassen einen regelmäßigen Antigen-Schnelltest zu ermöglichen. | |
Dafür hat der Freistaat eine Vereinbarung mit der Kassenärztlichen | |
Vereinigung getroffen, ähnlich wie andere Länder auch. Seither können nicht | |
nur Lehrer:innen, sondern auch Abiturient:innen für einen Gratistest | |
in die Arztpraxis gehen. Zudem kommen Mitarbeiter:innen des Deutschen | |
Roten Kreuzes und Johanniter an die Schulen. | |
Das aber geht ins Geld, erzählt Holter. 20 Euro koste den Freistaat ein | |
Schnelltest inklusive Versand, Lagerung und Personalkosten. 300.000 Stück | |
braucht er aber jede Woche, um die Schulen einmal komplett durchzutesten. | |
Deshalb hätten alle so sehnsüchtig auf die Zulassung der ersten Selbsttests | |
gewartet, mit denen die Schüler:innen sich zu Hause testen könnten. Sie | |
würden den Schulen zusätzlichen Aufwand ersparen – und dem Staat viel Geld. | |
Seit Ende Februar sind die ersten drei „Laientests“ zugelassen. | |
Mittlerweile sind es sechs. „Jetzt müssen wir prüfen, mit welchen Produkten | |
sich auch jüngere Schulkinder problemlos selbst testen können oder ob man | |
die Testungen lieber unter schulischer Aufsicht lässt“, sagt Holter. | |
## Selber testen – ja oder nein? | |
Ob die Schüler:innen sich selbst testen dürfen oder nicht, darüber haben | |
die Kultusminister:innen unterschiedliche Auffassungen. Bayern traut | |
das Jugendlichen ab 15 Jahren zu. Sachsen stellt es seinen Schüler:innen | |
frei, ob sie den Test zu Hause oder in der Schule machen. | |
Helmut Holter stellt sich eher Testungen unter Aufsicht vor. „Das erscheint | |
mir zuverlässiger.“ Der Nachteil: Dafür muss er genügend Personal finden. | |
Der Vorteil: Ein Teil des Personals arbeitet schon für ihn. | |
Zum Beispiel Tanja Hartmann. Die 45-jährige Pflegekraft gehörte zu den | |
Ersten, die an Thüringer Schulen Kinder und Jugendliche auf Covid-19 | |
testete. Seit dem 1. Februar verbringt sie jeden Vormittag in einer Schule | |
in Eisenach, Creuzburg oder Mihla. | |
Für ihren Arbeitgeber, die Johanniter-Unfall-Hilfe, koordiniert sie zudem | |
die Testungen an weiteren elf Schulen in Westthüringen. Sie sagt: „Selbst | |
wenn die Schule alles top organisiert, mehr als 200 Tests pro Tag sind als | |
Zweierteam nicht machbar.“ | |
Wie die Testungen laufen sollen, wenn der Wechselunterricht aufgehoben wird | |
und wieder 600 oder 800 Schüler:innen gleichzeitig da sind, kann sich | |
Hartmann nur schwer vorstellen. Von der Idee, die Schulkinder die Tests zu | |
Hause selbst machen zu lassen, hält sie wenig. „Die Jüngeren haben doch | |
ein bisschen Angst vor den Tests.“ Da müsste auf jeden Fall eine geschulte | |
Person mit dabei sein. | |
## Vorbild Österreich | |
Und bei Berufsschüler:innen und Gymnasiast:innen der Oberstufe | |
habe sie erlebt, dass sich viele auch mal nicht testen lassen. Etwa, weil | |
sie eine wichtige Prüfung nicht wegen eines positiven Testergebnisses | |
verpassen möchten. Hartmann fände es besser, die Tests nicht als | |
freiwilliges Angebot, sondern als Voraussetzung zur Teilnahme am Unterricht | |
zu machen. Wie in Österreich. | |
Oder wie in Sachsen. Ohne negatives Testergebnis, beschloss das | |
Landeskabinett am Donnerstag, dürfen Jugendliche an weiterführenden Schulen | |
nicht mehr am Präsenzunterricht teilnehmen. Die Testpflicht soll ab 15. | |
März gelten – auch für Lehrkräfte. Damit wechselt Sachsen als erstes | |
Bundesland von freiwilligen zu verpflichtenden Tests. | |
Ob andere Bundesländer nachziehen, wird sich zeigen. Viele Ministerien | |
haben juristische Bedenken. Das sächsische Ministerium sagt, die Pflicht | |
gelte nur bei den Laientests, die die Schüler:innen zu Hause machen | |
könnten und die nicht das Recht auf körperliche Unversehrtheit berührten. | |
Schulleiter Lührs in Magdeburg plädiert ebenfalls für eine Pflicht, auch | |
wenn die Bereitschaft an seiner Schule bisher hoch ist. Die nächsten Tests | |
plant Lührs nach den Osterferien. „1.000 Tests kann ich mir nicht jede | |
Woche leisten.“ Außer der Staat handelt doch noch und stellt die Tests zur | |
Verfügung. | |
5 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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