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# taz.de -- Antisemitismus in Sachsen: Drei Vorfälle pro Woche
> In Sachsen häufen sich antisemitische Vorfälle. Und die Zahl der Attacken
> nimmt weiter zu, wie aus Zahlen des Rechercheverbands RIAS hervorgeht.
Bild: Wurde 2018 antisemitisch attackiert: Das jüdische Restaurant „Schalom�…
Dresden taz | Drei antisemitische Vorfälle pro Woche wurden im Zeitraum von
2014 bis 2019 in Sachsen durchschnittlich registriert – und die Tendenz ist
steigend. Am Dienstag hat der Bundesverband der Recherche- und
Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) seine [1][„Problembeschreibung:
Antisemitismus“ für Sachsen] vorgelegt.
Im selben Zeitraum wurden in Nordrhein-Westfalen sechs antisemitische
Vorfälle pro Woche bei vierfacher Einwohnerzahl registriert, wie die RIAS
vor einem halben Jahr feststellte. Eine Tatsache, die belegt, dass
Antisemitismus zwar im gesamten Bundesgebiet auftritt, doch in Sachsen
tendenziell gehäufter als anderswo.
Der sächsische Bericht umfasst 712 Vorfälle und 19 Interviews mit jüdischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Registriert wurden die Vorfälle von der
Polizei, zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Opferberatung RAA
oder dem Kulturbüro Sachsen und dem RIAS-Verband selbst. Schwere
Gewaltdelikte sind in dem Bericht nicht aufgeführt. Es dominieren
Sachbeschädigungen wie die Entwendung von Stolpersteinen oder die Schändung
von Gedenkorten, Bedrohungen sowie verletzendes Verhalten und
Beschimpfungen.
Dass Jüdinnen und Juden in Großstädten häufiger attackiert werden als auf
dem Land, sich dort aufgrund von größeren Gemeinschaften und mehr
Hilfsangeboten aber auch sicherer fühlen, ist eine Beobachtung, die weit
über Sachsen hinaus- und bis tief in die Geschichte der Judenverfolgung
hineinreicht. Chemnitz kann da als gutes Beispiel dienen: Dort wurde
einerseits das „Schalom“-Restaurant angegriffen, andererseits feierte die
Jüdische Gemeinde im Vorjahr ihr 135-jähriges Bestehen.
## Dunkle Kontinuität des Judenhasses
RIAS-Geschäftsführer Benjamin Steinitz weist zudem auf die hohe
Dunkelziffer bei antisemitischen Vorfällen hin. Mit ihr im Zusammenhang
stehen auch typische Reaktionsmuster der Angegriffenen: der Verzicht auf
Anzeigen wegen erwarteter Aussichtslosigkeit sowie der Verzicht auf eine
öffentliche Erkennbarkeit durch das Tragen von Kippa oder Davidstern.
Ein weites Dunkelfeld bieten auch chiffrierte, nicht sofort strafbare
Verbalattacken wie etwa die Wendung vom „langen Arm der Rothschilds“ bei
einer Dresdner Pegida-Demonstration. Solche Verschwörungsmythen tauchen
[2][bei sogenannten Querdenkern seit der Coronapandemie verstärkt wieder
auf], beobachtet Steinitz. Das Gegenstück dazu bilde die verhöhnende
„Selbstinszenierung“ solcher Leute mit einem gelben „Judenstern“.
Als bedeutsame „Zäsur“ wertet er aber, dass die Polizei beim Gedenken an
die Zerstörung Dresdens ein Plakat mit dem Titel „Bombenholocaust“
entfernen ließ.
„Außer in Berlin gibt es in keiner anderen Stadt so viele rassistische
Versammlungen“, betont Steinitz. Und man kommt nicht umhin, an so manche
historische Gegebenheit zu denken. 1882 fand in Dresden der erste
„Internationale antijüdische Kongress“ statt, ein Jahr später in Chemnitz
der zweite. Und während der Nazizeit wies kein anderer Reichsgau einen so
hohen Anteil an NSDAP-Mitgliedern auf wie der sächsische.
Nora Goldenbogen, Vorsitzende des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in
Sachsen, stellt ihre Heimat aber in den Kontext „aufgewühlter“ ostdeutscher
Verhältnisse. Antisemitismus sei hier „öffentlicher und virulenter“, weil
die „gefühlte Zurückstellung“ der Ostdeutschen zur Suche nach Schuldigen
führe. Der Beauftragte für jüdisches Leben, Thomas Feist, möchte dem
zunehmenden Antisemitismus in Sachsen etwas entgegensetzen. Er verspricht,
dass die vereinbarte neue Melde- und Beratungsstelle für Betroffene bald
kommt.
23 Feb 2021
## LINKS
[1] https://www.report-antisemitism.de/publications
[2] /Antisemitismus-unter-Coronaleugnern/!5734818
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Antisemitismus
Sachsen
Rechtsextremismus
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