# taz.de -- Wohnungsmarkt in Berlin: Die Angst vor Verdrängung wächst | |
> Die Methode Eigenbedarf: MieterInnen der Hausgemeinschaft Voigtstraße 36 | |
> in Friedrichshain wehren sich. Und es gibt weitere Betroffene. | |
Bild: Verdrängung ist in Friedrichshain kein neues Problem: Protest 2018 | |
BERLIN taz | „Fehlkauf – hier wohnen schon Menschen mit Eigenbedarf“ steht | |
in großer Schrift auf einen Schild, das an der Eingangstür der Voigtstraße | |
36 im Friedrichshainer Nordkiez angebracht ist. Es ist an den Eigentümer | |
einer Wohnung gerichtet, der sich am Mittwoch zur deren Besichtigung | |
angekündigt hat. Gekauft hatte er diese im vergangenen Jahr. | |
Doch nachdem er die langjährigen MieterInnen in einem Kündigungsschreiben | |
aufforderte, die Wohnung bis zum 30. Oktober zu verlassen, weckte er den | |
Widerstandsgeist der BewohnerInnen. Sie informierten die Nachbarschaft und | |
kündigten parallel zum angekündigten Besuch des Wohnungsbesitzers eine | |
Kundgebung an. | |
Fast 200 Menschen aus der Nachbarschaft versammelten sich am | |
Mittwochnachmittag bei frühlingshaften Temperaturen vor dem Haus. Eine | |
Bühne war aufgebaut, mehrere Bands spielten, und verschiedene | |
MieterInneninitiativen hielten kurze Redebeiträge. Eine Stimmung wie bei | |
einem Straßenfest. | |
Als der Wohnungseigentümer pünktlich um 17 Uhr mit Polizeischutz das Haus | |
betrat, gab es laute Buhrufe. Als er es rund 10 Minuten später wieder | |
verließ, war der Unmut sogar noch lauter zu hören. „Er hat das Recht, die | |
Wohnung zu betreten, aber kein Recht, sich hier wohlzufühlen. Das wollten | |
wir ihm heute deutlich machen“, erklärte ein Mieter gegenüber der taz. | |
Die V36, wie das Haus genannt wird, gehörte zu den vielen im Jahr 1990 | |
besetzten Gebäude in Friedrichshain, wurde aber schnell legalisiert und | |
machte seither wenig Schlagzeilen. Seit Jahren sind die Wohnungen in dem | |
Haus an verschiedene Eigentümer verkauft worden. | |
Doch viele BewohnerInnen befürchten nun, dass diese Eigenbedarfskündigung | |
erst der Anfang der Verdrängung ist. Schließlich hat die Aufwertung in der | |
Gegend zugenommen, nachdem vor einigen Monaten in der Rigaer Straße 71–73 | |
in unmittelbarer Nähe der V36 ein von der Immobilienfirma GG-Gruppe | |
errichtetes Gebäude mit hochpreisigen Wohnungen bezogen wurde. | |
## Solidarische Nachbarschaft | |
Seitdem wächst die Angst vor Verdrängung im Kiez. Einige NachbarInnen | |
beteiligten sich auch an der Kundgebung und informierten über die Situation | |
in ihren Häusern. So berichtete eine Mieterin der Rigaer Straße 66, dass in | |
ihrem Haus MieterInnen mit hohen Abfindungen zum Auszug gedrängt worden | |
seien. Mehrere BewohnerInnen hätten sich bereits darauf eingelassen und | |
ihre Wohnungen verlassen. | |
Für sie komme das aber nicht infrage, weil sie auf ihre Wohnung mit einer | |
relativ günstiger Miete angewiesen sei und zudem den Stadtteil nicht | |
verlassen wolle, bekräftige die Mieterin. Daher wolle sie sich wehren und | |
suche Unterstützung. Da es in ihrem Haus bisher nicht gelungen sei, | |
solidarische Strukturen aufzubauen, freue sie sich, dass es in der | |
Nachbarschaft besser läuft, erklärte die ältere Frau der taz. | |
Bereits am vergangenen Sonntag hatten BewohnerInnen des Kiezes unter dem | |
Motto „Solidarisch aus der Krise“ einen Nachbarschaftsmarkt am | |
Schleidenplatz angemeldet. Auch dort war eine solidarische Nachbarschaft | |
das Ziel. | |
26 Feb 2021 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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