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# taz.de -- Krieg in Afghanistan: Anschläge, Dementis und Gespräche
> US-Präsident Joe Biden überprüft den Taliban-Deal seines Vorgängers.
> Damit sorgt er für Bewegung bei den innerafghanischen Friedensgesprächen.
Bild: Kabul im Januar 2021: Polizist vor dem Wrack eines Autos, das Ziel eines …
Berlin taz | Überraschend haben sich am Montagabend erstmals seit Dezember
wieder Afghanistans Kriegsparteien zu Gesprächen getroffen, die den seit 41
Jahren andauernden Krieg am Hindukusch beenden sollen. Laut
Taliban-Sprecher Muhammad Naim, der die Nachricht zuerst per Twitter
verbreitete, habe man Arbeitsgruppen beauftragt, eine Tagesordnung für
weitere Treffen zu erarbeiten.
Die [1][Gespräche in Katars Hauptstadt Doha] sind Ergebnis des
[2][Truppenabzugsabkommens] zwischen den USA und den Taliban vom Februar
2020. Das war ebenfalls in Doha verhandelt worden.
Im Dezember verständigten sich beide Seiten auf ein Format mit
Arbeitsgruppen und Mechanismen zur Streitschlichtung und legten ihre
Vorstellungen über die künftige Tagesordnung vor.
Dann kam in Washington die Biden-Regierung ins Amt und kündigte eine
Überprüfung des Abkommens wegen angeblicher Verstöße der Taliban an. Denn
in Afghanistan gab es in den letzten Monaten vermehrt gezielte Anschläge.
## Taliban bestehen auf vereinbartem US-Abzug bis Ende April
Die Gespräche stockten und es gab schon Gerüchte, sie könnten
zusammenbrechen. Am Wochenende erklärten die Taliban dann, sie würden
„niemals“ Washingtons Idee eines längeren Verbleibs von US-Truppen im Land
zustimmen.
Afghanistans Präsident Aschraf Ghani besteht darauf, dass erst ein
sofortiger Waffenstillstand gelten soll. Doch die Taliban lehnen das ab,
denn sie wollen Kabul mit militärischem Druck zu weiteren Zugeständnissen
zwingen, etwa über die künftige Staatsordnung.
Dass eine „neue islamische Regierung“ entstehen soll, sagte Washington noch
unter Trump im Februar-Abkommen vor einem Jahr den Taliban zu. Implizit ist
das eine Forderung nach dem Rücktritt Ghanis. Am Montag sagte er in einem
BBC-Interview Neuwahlen zu, aber erst nach einem Friedensschluss.
Um ihre Zusagen aus dem Doha-Abkommen zu erfüllen, haben die Taliban ihr
Vorgehen verändert. Seither greifen sie weder ausländische Truppen noch
Städte an, verzichten auf Autobombenanschläge oder Angriffe von
Selbstmordkommandos auf Regierungseinrichtungen.
## Anschläge auf einzelne statt verheerende Bomben für viele
Die Kämpfe verlagerten sich in ländliche Gebiete. Dort wurden 2020 laut UN
400.000 Menschen vertrieben; seit Jahresbeginn kamen fast 10.000 dazu.
Wegen des Ausbleibens großer Anschläge verzeichnete der am Dienstag in
Kabul von der UNO veröffentlichte Zivilopferjahresbericht für 2020 mit
3.035 getöteten und 5.785 verletzten Zivilist:innen denn auch die
niedrigste Zahl seit 2013. Das ist ein Rückgang von 15 Prozent gegenüber
2019.
Doch stattdessen leiden afghanische Städte unter einer Welle gezielter
Mordanschläge mithilfe selbstgebauter Sprengsätze und Haftminen sowie
gezielter Erschießungen von vorbeifahrenden Motorrädern aus.
So wurden Mitte Januar in Kabul zum Beispiel zwei Richterinnen umgebracht,
als sie auf dem Weg zur Arbeit in ein Auto stiegen. Unabhängige
Sicherheitsanalysten verzeichneten 2020 in Kabul 138 solcher gezielter
Anschläge, 72 Prozent mehr als 2019.
Der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC) zufolge, die
Ende Januar ihren Jahresbericht 2020 vorstellte, wurden dabei landesweit
1.078 Zivilisten getötet und 1172 verletzt. [3][Kabul] liegt dabei an der
Spitze.
## Die Taliban haben ein Interesse an Einschüchterung
Die Taliban behaupten, sie hätten mit den Anschlägen nichts zu tun. Die
Urheber können tatsächlich in Einzelfällen oft nicht ermittelt werden. Aber
die Taliban haben sich schon durchaus zu Anschlägen bekannt und ein
Interesse daran, vor i[4][hrer zu erwartenden Rückkehr an die Macht]
Andersdenkende einzuschüchtern. Vor allem haben die Anschläge eine
demoralisierende Wirkung auf die bewaffneten und zivilen Kräfte der
Regierung, auf [5][Zivilgesellschaft] und [6][Medien], die auch regelmäßig
Opfer sind.
Die AIHRC-Chefin Shaharzad Akbar tweetete Ende Januar: „Jede Woche verlässt
ein Bekannter von mir Afghanistan. Einige haben selbst Anschläge überlebt.
Aber jetzt, wo der Friedensprozess neue Hoffnung bringen sollte, werden sie
bedroht und gezwungen, das Land zu verlassen.“
Die jetzige Wiederaufnahme der Doha-Gespräche mit der afghanischen
Regierung könnte also vor allem ein Signal der Taliban an Biden sein, dass
deren Stocken ganz gewiss nicht an ihnen liegt.
23 Feb 2021
## LINKS
[1] /Gespraeche-ueber-Zukunft-von-Afghanistan/!5713808
[2] /Vertrag-zwischen-USA-und-Taliban/!5667989
[3] /Afghanistan-nach-US-Truppenreduzierung/!5743446
[4] /Truppenabzug-aus-Afghanistan/!5727714
[5] /Gewalt-in-Afghanistan/!5740497
[6] /Ermordeter-Journalist-Elyas-Dayee/!5743094
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
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