# taz.de -- Truppenabzug aus Afghanistan: Nur noch 2.500 US-Soldaten | |
> Donald Trump hat eine weitere Reduzierung der US-Truppen in Afghanistan | |
> angekündigt. Das schwächt die Regierung und stärkt die Taliban. | |
Bild: Weihnachten wieder zuhause: US-Truppen auf dem Stützpunkt Bagram | |
BERLIN taz | Donald Trumps Entscheidung, die Zahl der US-Truppen bis Mitte | |
Januar in Afghanistan von 4.500 auf 2.500 und im Irak von 3.000 auf 2.500 | |
zu reduzieren, hat wenig mit der Situation in diesen Ländern zu tun. Es | |
scheint eher, dass der Noch-Präsident [1][seinem Nachfolger Joe Biden] | |
verbranntes politisches Terrain hinterlassen will. | |
Beide Konfliktstaaten waren nach den Anschlägen des 11. September 2001 von | |
zentraler Bedeutung für den inzwischen gescheiterten US-Krieg gegen den | |
islamistischen Terrorismus vom Schlage al-Qaidas und später des | |
„Islamischen Staats“. Diese Kriege kosteten Billionen Dollar und kosten | |
immer noch Milliarden. In Afghanistan sind es 2020 17 Milliarden, weitere | |
14 Milliarden sind für 2021 beantragt. | |
In Afghanistan setzt Trump damit Verpflichtungen um, die Washington aus | |
seinem im Februar [2][in Doha (Katar) geschlossenen Abkommen mit den | |
Taliban] erwachsen. Demzufolge müssen alle US-Truppen, dazu Verbündete wie | |
die Bundeswehr und sogenannte zivile Sicherheitsdienstleister, bis Ende | |
April 2021 das Land verlassen. Die Beschleunigung der Umsetzung erfolgt | |
allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Beobachter meinen, die Taliban | |
kämen ihren Verpflichtungen nicht nach. Dabei geht es vor allem um zwei | |
Punkte. | |
Zum einen verpflichteten sich die Taliban im Doha-Abkommen, es Gruppen wie | |
al-Qaida zu verwehren, „Afghanistans Boden zu nutzen, um die Sicherheit der | |
Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten zu bedrohen“ und mit ihnen zu | |
kooperieren. Ausdrücklich nicht erwähnt ist eine Ausweisung oder Verhaftung | |
solcher Kämpfer oder ihrer Familien, wenn sie sich – wie bei vielen der | |
Fall – nicht an Kämpfen beteiligen. | |
Gleichzeitig tauchten zuletzt wiederholt Berichte der afghanischen | |
Regierung über eine anhaltende Taliban-al-Qaida-Kooperation auf. | |
## Gewalt der Taliban eskaliert | |
Die Abgrenzung zwischen beiden Gruppen ist in der Tat unscharf, aber nicht | |
jeder Araber in Afghanistan gehört zu al-Qaida. Zudem tendiert die | |
strategische Bedeutung der durch US-Luftschläge erheblich geschwächten | |
Gruppe für die Taliban gegen null. Sie dürften sogar daran interessiert | |
sein, al-Qaida loszuwerden, denn ihre Anwesenheit ist die wichtigste Hürde | |
für die Rückkehr an die Macht. | |
Zweitens wird [3][den Taliban vorgeworfen], dass sie seit dem Doha-Abkommen | |
die Gewalt im Land eskaliert haben. Sie tun das bisher aber, ohne formal | |
das Abkommen zu verletzen. Darin haben sie sich nur verpflichtet, nicht | |
mehr die US- und verbündeten westlichen Truppen sowie Bevölkerungszentren | |
anzugreifen. Hingegen hielten sie sich diese Option für die afghanischen | |
Streitkräfte offen. Die USA akzeptierten das. | |
Umstritten ist, ob die inzwischen fast täglichen gezielten | |
[4][Mordanschläge auf militärische und zivile Regierungsvertreter] in den | |
Städten unter das Abkommen fallen. Oft übernimmt keine Gruppe dafür die | |
Verantwortung. Kabul ist nicht Partei des Doha-Abkommens und fühlt sich von | |
der Trump-Regierung über den Tisch gezogen. Einflussreiche | |
Regierungsmitglieder lehnen den gesamten Friedensprozess ab. | |
Gleichzeitig rückten die Taliban auf mehrere Provinzhauptstädte zu, | |
darunter Kandahar und Kundus. Sie zerstören mit Autobomben afghanische | |
Armeebasen und Polizeiposten und unterbrechen wichtige Straßenverbindungen. | |
## Menschenrechte und Demokratie in Gefahr | |
Die Moral bei den Regierungskräften bröckelt. In mehreren Provinzen räumten | |
sie ohne Befehl Stützpunkte, weil sie nicht mehr versorgt wurden. Offenbar | |
schaffen die Taliban sich Ausgangspositionen für eine Situation, in der die | |
seit September laufenden Friedensgespräche mit Kabul zusammenbrechen. | |
Trumps Truppenreduzierungsbeschluss schwächt also die afghanische Regierung | |
weiter und erweitert die Optionen der Taliban. Sie können bei Verhandlungen | |
mit einer geschwächten Regierung mehr herausholen oder, falls diese | |
kollabieren, militärisch in die Offensive gehen. Ob 2.500 | |
US-Soldat:innen sie dann noch stoppen könnten, ist nicht sicher. | |
In beiden Szenarien könnten konservative Elemente im derzeitigen Kabuler | |
politischen System zu den Taliban überlaufen. Demokratische Freiheiten und | |
[5][Menschenrechte stünden zur Disposition]. Das aber ist Washington nicht | |
mehr wichtig. Selbst der gewählte US-Präsident Joe Biden hat 2010 erklärt, | |
er würde seinen Sohn nicht nach Afghanistan schicken, „um sein Leben für | |
[6][Frauenrechte] zu riskieren“. | |
18 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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