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# taz.de -- WDR und die Klimakrise: Ungewollt komisch
> Der WDR startet einen Instagram-Kanal zum Thema Erderhitzung. Jetzt
> werfen Liberale und Konservative dem Sender Wahlkampfhilfe für die Grünen
> vor.
Bild: Öffentlich-rechtliche Propaganda? Das Team der Instagram-Seite „Klima.…
Nicht jeder beherrscht die Kunst, sich formvollendet ins eigene Knie zu
schießen. Politiker von FDP und Union setzen in dieser seltenen Disziplin
gerade Maßstäbe. Natürlich auf Twitter, dem sozialen Netzwerk, wo man
permanent und in Echtzeit sehr vielen Leuten beim „sich selbst komplett
unmöglich machen“ zusehen kann.
Was ist passiert? [1][Der Westdeutsche Rundfunk hat einen neuen
Instagram-Kanal mit dem Namen @klima.neutral gestartet.] Vier junge
JournalistInnen – Jule, Samira, Frederik und Tom – wollen dort einem eher
jüngeren Publikum Wissenswertes zur Klimakrise nahebringen – „Einfach
erklärt, aber vielfältig. Mit den Storys dahinter“, verspricht der WDR. Die
Klimakrise ist ein menschheitsbedrohendes Problem, das Interesse bei jungen
Leuten ist riesig – auch dank Fridays for Future. Warum sollten
JournalistInnen das Thema nicht in sozialen Netzwerken thematisieren,
handwerklich gut aufbereitet und professionell?
Nun, in der Gedankenwelt von manchen Liberalen und Konservativen geht das
gar nicht. Für sie ist Berichterstattung über Klimaschutz automatisch
Wahlkampfhilfe für die Grünen – und damit ein Skandal. FDP-Fraktionsvize
Alexander Lambsdorff gab den Tenor vor. „Unglaublich“ nannte er das
Vorhaben des WDR – [2][und garnierte seinen Tweet mit einem Emoji, dem das
Gehirn platzt.] Sieben Monate vor der Bundestagswahl mache der WDR einen
Kanal „als Wahlkampfhilfe für die Grünen“ auf.
Lambsdorff fragte, wo denn die Kanäle zur Wirtschaftskrise, zur
Bildungskrise oder zur Digitalisierungskrise seien. „Oder, ganz crazy, wie
wäre es einfach mit Journalismus, der sich in gebotener Distanz zu seinem
Gegenstand kritisch mit diesem auseinandersetzt und nicht in Aktivismus
umschlägt?“
## Beliebtes Narrativ
Lambsdorffs Fazit: Wenn Jule, Tom, Samira und Fred kandidieren wollten bei
der Wahl – „go for it, it’s a free country“. Die Argumentation wird nic…
besser dadurch, dass sie von Großdenkern wie dem stellvertretenden
CSU-Generalsekretär Florian Hahn und diversen Twitter-Trollen aufgenommen
wurde. Lambsdorff unterstellt JournalistInnen, die er vermutlich nie
getroffen hat, und einem Format, das gerade erst startet, Parteilichkeit
und Aktivismus. So wiederholt er das bei Rechtsextremen beliebte Narrativ,
der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei eine linksgrün unterwanderte
Propagandamaschine. Lambsdorff platziert diesen unreflektierten Quatsch
mitten in der bürgerlichen Mitte.
Auch die seinen Tweets zugrunde liegende Idee, dass das Thema Klimaschutz
die Grünen exklusiv beschäftige, ist an Schlichtheit nicht zu überbieten.
Die Klimapolitiker der FDP werden sich bedanken, die von Union, SPD oder
der Linken auch. Wenn ein Insta-Kanal zur Klimakrise Wahlkampfunterstützung
für die Grünen ist – was ist dann „Börse vor acht“, der tägliche
ARD-Börsenbericht?
Ungewollt komisch wird die Sache, weil Lambsdorff, eigentlich ein kluger
Kopf, [3][den Grünen mit seiner Unterstellung als einziger Partei Kompetenz
für Klimaschutz zuschreibt.] Wenn hier jemand Wahlkampfhilfe für die
Ökopartei betreibt, ist es Lambsdorff selbst – nicht umsonst trendete das
Thema schnell auf Twitter. So gesehen sind Lambsdorffs Tweets auch eine
aussagekräftige Selbstcharakterisierung. Die Liberalen – oder zumindest
weite Teile der Partei – haben bis heute nicht verstanden, welche Umwälzung
durch die Klimakrise auf die Menschheit zukommt.
Angesichts der liberalen Realitätsverweigerung freuen wir uns schon auf die
FDP-Attacken gegen Joe Biden, Bill Gates oder die UNO. Sie alle werben ja
dafür, die Klimakatastrophe zu verhindern, oder um es mit den Worten der
FDP zu sagen: Sie machen Grünen-Propaganda pur.
22 Feb 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/ARD_Presse/status/1363109103950823429?s=20
[2] https://twitter.com/Lambsdorff/status/1363537142471876616?s=20
[3] /Gruene-und-Eigenheime/!5747020
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Grüne
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klimataz
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