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# taz.de -- Songwriterin und Aktivistin Fasia Jansen: Ganz alleine Schwarz
> In einigen Teilen des Landes wird sie wiederentdeckt: Fasia Jansen könnte
> Identifikationsperson für Schwarze Künstler*innen in Deutschland sein.
Bild: Undatierte Aufnahme aus dem Nachlass von Fasia Jansen
Fasia Jansen, der Name der 1997 in Oberhausen verstorbenen Liedermacherin
und Friedensaktivistin, taucht in letzter Zeit immer wieder an
überraschenden Stellen auf: Als Teil der Ausstellung „Homestory Deutschland
– Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart“ war ihre Geschichte in
vielen Städten zu sehen. In Bremen wurde eine Straße nach ihr benannt.
In Hamburg nennt das afrikanische Bildungszentrum Arca einen öffentlichen
Lernort für Geschichtsschreibung aus der afrikanischen Perspektive
„Fasiathek“. Und im Ruhrgebiet recherchieren gerade junge Schwarze
Künstlerinnen zu Fasia Jansen. Weil es einen Aspekt in ihrer Biografie
gibt, den sie stärker in den Vordergrund rücken möchten.
„Fasia Jansen könnte Identifikationsperson für Schwarze Künstler*innen
in Deutschland sein. Wir müssen dazu beitragen, ihre Geschichte unter
diesem Gesichtspunkt zu erzählen“, sagt Princela Biyaa, die gemeinsam mit
Marny Garcia Mommertz eine Rechercheresidenz im Ruhrgebiet wahrnimmt.
Ausgeschrieben wurde sie vom Netzwerk Interkultur Ruhr und dem
Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln.
Die Institutionen sehen in Fasia Jansen „eine wichtige Akteurin in der
Geschichte der Proteste und sozialen Bewegungen im Ruhrgebiet, aber auch in
globalen Widerstandskämpfen und eine besondere Figur im Kontext Schwarzer
deutscher Erinnerungskultur“. Und als solche verdiene die Künstlerin „heute
mehr denn je unsere Aufmerksamkeit.“
## Songs mit Bezug zu Schwarzen Traditionen
Zufällig haben die Künstlerin Aline Benecke und die Kulturwissenschaftlerin
Nicola Lauré al-Samarai ungefähr gleichzeitig [1][für eine Ausstellung an
der Akademie der Künste der Welt in Köln] einen ganz ähnlichen Fokus
gesetzt: Sie betrachten Fasia Jansen in erster Linie als Schwarze
Künstlerin. Benecke hat aus Mitgliedern des People of Colour Community
Chors das Fasia Jansen Ensemble gebildet, das ihre Songs neu interpretiert,
in Beziehung zu Schwarzen Traditionen, diasporischen Räumen setzt.
„Ich merke, dass ich immer wieder eine innere Arbeit leisten muss, um auf
das Archiv und die Menschen, die mit Fasia Jansen in Kontakt waren, zugehen
zu können und zu sehen, was sie geleistet haben“, sagt Aline Benecke. „Ich
frage mich: Wie konnte man das Schwarzsein / Diasporischsein so
ausblenden?“
Tatsächlich wird das Fasia-Jansen-Archiv, das gerade im Stadtarchiv und dem
Internationalen Frauen-Friedensarchiv der Stadt Oberhausen aufgeht, von
weißen Freundinnen und Weggefährtinnen der Aktivistin betreut, von denen
viele selbst in feministischen Fraueninitiativen und/oder der
Friedensbewegung aktiv waren.
Sie empfangen jede*n offen und herzlich, der sich für Fasias Leben und
Werk interessiert und unterstützen Recherchen, so gut sie können. „Ich
finde es gut, wenn heute junge Schwarze Künstlerinnen Fasia entdecken. Sie
betrachten sie aus einer Perspektive, die ich nicht einnehmen kann“, sagt
Martina Franzke, die in der Fasia Jansen Stiftung den Nachlass sichert,
aufarbeitet und veröffentlicht.
## Martyrium aufgrund der Hautfarbe
Man kann der Stiftung auch nicht vorwerfen, das Thema Schwarzsein bei der
bisherigen Arbeit außer Acht gelassen zu haben. Das gut aufbereitete
Standardwerk „Fasia – Geliebte Rebellin“ von Marina Achenbach, an dem vie…
Stiftungs-Mitarbeiterinnen wie Martina Franzke mitgewirkt haben, beginnt
mit dem Kapitel „Schwarz“.
Es erzählt von Fasia Jansens Geburt am 6. Juni 1929 in Hamburg, als
uneheliche Tochter des liberianischen Generalkonsuls Momulu Massaquoi und
seines Kindermädchens Elli Jansen, und von dem ersten Schrecken der Mutter,
als sie sah, dass das Kind „so dunkel“ war.
Die Farbe ihrer Haut bescherte dem Mädchen ein regelrechtes Martyrium: Elli
Jansen, die allein für sich und die Tochter sorgen wollte, fand keine
Wohnung, weil das Kind Schwarz war. Zu Hause bei der Mutter schrie
Stiefvater Opa Stanislaw: „Die kommt mir nicht mit dat Negergör in mein
Haus!“
Mit Beginn des Naziregimes wurde ihre Situation natürlich nicht besser:
1940 wurde sie ins Gesundheitsamt bestellt und bekam eine angebliche
Impfung, die sie allerdings schwer krank machte. Die Familie vermutete,
dass die Injektion eine chronische Herzkrankheit auslöste, wegen der Fasia
Jansen zeit ihres Lebens immer wieder im Krankenhaus behandelt werden
musste.
## Überleben in der Nazizeit
Das Pflichtjahr, das alle Frauen unter 25 Jahren zur Nazizeit in
Deutschland leisten mussten, brachte sie 14-jährig in eine Großküche, die
auch für das Außenlager des KZ Neuengamme bei Hamburg kochte. „Da standen
wir dann mit vier Eimern Brühe, vor uns 150–200 KZlerinnen“, schreibt Fasia
Jansen in ihren fragmentarischen Lebenserinnerungen. „Wie sahen die aus –
keine Gesichter – Fratzen – Totenköpfe mit etwas Haut.“
Mit all diesen Erfahrungen im Gepäck wurde Fasia Jansen, die 1956 die
Ruhrgebietsstadt Oberhausen als neue Heimat wählte, politische Aktivistin.
Obwohl sie wegen ihrer guten Stimme Angebote von großen Plattenlabels
hatte, die sie in Richtung Jazz vermarkten wollten, blieb sie lieber
unabhängig und sang auch mit verstimmten Gitarren oder Akkordeon auf
Friedens- und Protestmärschen, bei Arbeitskämpfen in der ganzen Republik.
„Ihr Hauptthema waren: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Frieden,
Freiheit, Gleichheit – auch der Hautfarben“, sagt Freundin und
Erbe-Verwalterin Martina Franzke.
Und Hannes Wader, der sie zum ersten Mal bei den Folkfestivals auf der Burg
Waldeck hörte, schreibt: „Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie mich
milde belächelte. Sie war in tausend Kämpfen erprobt und wahrscheinlich
auch ohne Illusionen, nehme ich an. Da waren auch viele Rückschläge. Sie
hat nie nachgelassen, ist nie zurückgewichen. So unbeirrt weiterzumachen,
das ist wirkliche Kraft.“
Spannend wird sein, was die Schwarzen Recherchekünstlerinnen Princela Biyaa
und Marny Garcia Mommertz zutage fördern. „Uns interessiert, wie sie auf
andere Schwarze Menschen gewirkt hat, welche Schwarzen Menschen in ihrem
Leben waren“, sagt Biyaa: „Ihre Tante Fatima Massaquoi spielt etwa eine
sehr große Rolle, die in den 1930er-Jahren in Hamburg studiert hat.“
Gesprochen haben die Künstlerinnen schon mit Vivian Seton, Fatimas Tochter
und damit der Nichte Fasia Jansens, und mit der US-amerikanischen
Professorin Tina Campt, die für das Buch „Other Germans“ Schwarze Deutsche
interviewt hat. Fasia Jansen sagte ihr: „Es hat doch hier überhaupt keine
Schwarzenbewegung gegeben. Ich war doch ganz allein …“
16 Feb 2021
## LINKS
[1] /Als-die-Gespenster-nach-Hattingen-kamen/!5740793
## AUTOREN
Max Florian Kühlem​
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