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# taz.de -- Mögliches Antifa-Verbot in Niedersachsen: Lechts und rinks nicht v…
> Innenminister Boris Pistorius prüft Antifa-Verbote. Kritiker*innen
> sehen darin eine realitätsferne Gleichsetzung von Links- und
> Rechtsextremismus.
Bild: Gefährlich oder gesellschaftlich wichtig? Antifa-Protest gegen Rechtsext…
Hannover taz | Wer wissen will, was Hufeisen-Denken ist, hat es leicht.
Lernstoff, wohin der Blick sich richtet. Vergangenen Donnerstag zum
Beispiel, im Plenum des Landtags in Hannover: „Linksextremisten“ seien „zu
allem entschlossen und schrecken vor nichts und niemandem zurück“, sagt Uwe
Schünemann, Vize-Fraktionschef der CDU, zum Auftakt der Aktuellen Stunde
„Linksextremismus präventiv bekämpfen“.
Es sei zu prüfen, hatte der Landesvorstand Niedersachsen des Bundes
Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zuvor gefordert, „ob Organisationen wie die
linksextremistische Antifa mit einem Betätigungsverbot nach dem
Vereinsgesetz zu belegen sind“, im „Kampf gegen den Linksterrorismus“.
Anfang Januar hatte es auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde (LAB) in
Braunschweig einen [1][Brandanschlag auf Transportfahrzeuge] gegeben, mit
angeblicher Antifa-Beteiligung. Die Folge: Innenminister [2][Boris
Pistorius (SPD) denkt über ein Verbot von Antifa-Gruppierungen nach].
Die CDU versuche, „unter kreativer Auslegung der Realität eine
terroristische Gefahr von links herbeizureden“, tritt Helge Limburg,
Vize-Fraktionschef der Grünen, Schünemanns „Holzhammerrhetorik“ entgegen.
Straftaten müssten geahndet werden. Aber es sei „politisch falsch und
rechtsstaatswidrig, diffus Verbote im linken Spektrum zu fordern“.
„Wir haben kein Strafrecht der Gesinnung, sondern der Tat“, sagt Wiebke
Osigus, SPD-Sprecherin für Verfassungsschutz, im Landtag. Es dürfe nicht um
eine gefühlte Gefährdungslage gehen, nicht jede lockere Struktur sei eine
terroristische Vereinigung.
Auch die „Niedersächsische Erklärung ‚Antifaschismus lässt sich nicht
verbieten‘“ schlägt gegen den Versuch, „Antifaschismus zu delegitimieren…
Alarm; fast 200 Institutionen, Gruppen und Verbände haben sie
unterzeichnet, dazu rund 350 Einzelpersonen.
„Wer links und rechts, wie beim Hufeisenmodell, gleichsetzt“, werfen die
Unterzeichner Pistorius vor, „verteidigt nicht die Demokratie, sondern
diffamiert und bekämpft die, die für eine solidarische Gesellschaft
kämpfen, in der alle Menschen ohne Angst gemeinsam unterschiedlich sein
können“. Es brauche „vielmehr Förderung und Teilnahme an Antifa“.
Antifaschistische Arbeit trage maßgeblich zur Aufklärung rechter Anschläge
und Aufdeckung rechter Netzwerke bei.
Auch Heidi Reichinnek, Landesvorsitzende der niedersächsischen Linken, ist
empört: „Der große Sozialdemokrat Willy Brandt, der ja vor den Nazis
fliehen musste, würde sich im Grab umdrehen, wenn er mitbekäme, dass ein
SPD-Innenminister antifaschistische Gruppen verbieten möchte.“ Reichinnek
ist sicher: „Die Feinde der Demokratie stehen rechts und nicht links!“
Pistorius versteht die ganze Aufregung nicht: Er habe nicht davon
gesprochen, die Antifa oder Antifa-Gruppen zu verbieten, sagt der Minister.
„Jeder, der gegen Faschismus kämpft, verdient zuallererst den Dank der
Gesellschaft.“ Dabei Straftaten zu begehen, sei aber „zutiefst
verwerflich“. Es gehe ihm nicht um eine Kriminalisierung des
Antifaschismus. Aber wenn es Gruppierungen gebe, die mit Straftaten ihre
Ziele zu erreichen versuchen, solle das mit allen rechtlichen Möglichkeiten
erschwert werden.
Auch Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut
versichert: „Natürlich sehe ich in niedersächsischen antifaschistischen
Gruppen per se keine terroristischen Strukturen. Bei vielen von ihnen
handelt es sich um aufrechte Kämpfer gegen den Rechtsextremismus.“ Es sei
aber nicht auszuschließen, dass sich Teile der linksextremistischen Szene
zu einem neuen Linksterrorismus entwickeln könnten.
Hufeisen-Denken weist auch er von sich: „Mir liegt es fern, Links- und
Rechtsextremismus gleichzusetzen.“ Er werde aber nicht die Augen davor
verschließen, wenn von Linksextremisten schwerste Straftaten wie die
Brandanschläge auf die LAB verübt würden. Wenn sich daraufhin Demokraten
mit Linksextremisten solidarisierten, wie auf der Unterzeichnerliste der
„Niedersächsischen Erklärung“, werde er dazu nicht schweigen.
Ein Blick auf die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK)
in Niedersachsen zeigt: Seit 2010 liegt „PMK rechts“ ungleich höher als
„PMK links“. 2019 ist sie mit 1.632 zu 801 Delikten doppelt so hoch; für
das Jahr 2020 liegen die Zahlen noch nicht vor.
Welche Delikte diese Zahlen bergen, und in welcher Verteilung? Welchen
Antifa-Gruppen welche Taten vorgeworfen werden? Frank Rasche, Sprecher des
Innenministeriums, Abteilung Verfassungsschutz, bittet um Zeit. Eine
„Einzelfallauswertung anhand der Kurzsachverhalte im
Vorgangsbearbeitungssystem“ sei erforderlich.
Lukas Foppe, Basisgruppensprecher der Linksjugend Osnabrück, Antifaschist
in vorderster Linie, schüttelt über Pistorius’ Vorstoß den Kopf.
„Unglaublich frustrierend!“, sagt er. Er fürchte, dass sich mancher
Antifaschist dadurch jetzt zurückzieht, aus Angst vor Repressalien. So
werde Antifaschismus unterdrückt. „Was ist denn, wenn jemand in einer Demo
demnächst eine Antifa-Fahne entrollt? Wird er dann gleich von der Polizei
rausgeholt?“ Foppe, tief empört: „Die jagen Gespenster!“
3 Feb 2021
## LINKS
[1] /Anschlaege-auf-Abschiebebehoerden/!5738863
[2] /Landesinnenminister-Pistorius-prueft-Verbot/!5743680
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Antifa
Niedersachsen
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