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# taz.de -- Anschläge auf Abschiebebehörden: Terror oder Sabotage?
> Nach Anschlägen auf Abschiebebehörden in Hannover und Braunschweig ist
> ein Bekennerschreiben veröffentlicht worden. Die Ermittlungen laufen.
Bild: Täterschaft unklar: ausgebrannte Autos auf dem Gelände der Landesaufnah…
Hannover taz | „Wir haben das mörderische Abschiebesystem angegriffen“,
heißt es in einem Beitrag vom 9. Januar auf dem Internetportal “Indymedia“.
Es handelt sich um ein mutmaßliches Bekenner*innenschreiben. In der Nacht
vom 8. auf den 9. Januar brannten auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde
(LAB) in Braunschweig zehn Transportfahrzeuge und ein Anhänger ab. Die LAB
ist für die Erstaufnahme und Asylentscheidungen in Niedersachsen
verantwortlich.
Laut Innenministerium beträgt der Sachschaden des Feuers rund eine halbe
Million Euro. Menschenleben seien keine gefährdet worden, sagt die
ermittelnde Oberstaatsanwaltschaft Celle. 50 Feuerwehrleute waren im
Einsatz, um die Flammen zu löschen.
Zu ihrer Motivation schreiben die mutmaßlichen Täter*innen auf
Indymedia: Neben anderen Aktionsformen und der unmittelbaren Unterstützung
Geflüchteter solle mit „militanten Aktionen“ ein „praktischer Beitrag
geliefert werden, um die Abläufe im menschenverachtenden Abschiebesystem
wirksam zu behindern“.
Rund um das Gebäude der Landesaufnahmebehörde patrouillierten am
vergangenen Samstag Polizist*innen und kontrollierten jede*n, der sich
in dieser entlegenen Gegend aufhielt. In der Nacht zuvor soll es auch hier
zu einem versuchten Brandanschlag gekommen sein. Ein „großer Brandsatz“ sei
an der LAB angebracht worden, heißt es in dem mutmaßlichen
Bekenner*innenschreiben. Die Oberstaatsanwaltschaft bestätigte den Fund.
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, (SPD), zeigte sich
empört über die Vorfälle. In einer Stellungnahme [1][auf der Internetseite
des Ministeriums] heißt es, dass niemand das Recht habe, den Rechtsstaat in
dieser Form anzugreifen. „Wir stellen in Niedersachsen eine starke
Radikalisierung der Szene fest, die sich zu einer terroristischen Struktur
entwickelt.“
So sieht das auch der Landespolizeipräsident Axel Brockmann. Dieser
[2][äußerte im NDR-]Regionalmagazin „Hallo Niedersachsen“, dass die Behö…
sich der linksextremistischen Ideologie der Täter*innen sicher sei. Es
gebe einige Hinweise, die in Richtung Terrorismus wiesen. Und auch der
ehemalige CDU-Innenminister Uwe Schünemann will in der Debatte mitmischen
und fordert [3][in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung]ein hartes
Vorgehen.
Die zuständige Oberstaatsanwaltschaft Celle äußert sich dagegen
zurückhaltender: Die kriminaltechnischen Untersuchungen dauerten an. Es
gebe bisher jenseits des mutmaßlichen Bekenner*innenschreibens auf
Indymedia keine Hinweise auf die Täter*innen. Die Ermittlungen stünden noch
ganz am Anfang, so der Pressesprecher Bernd Kolkmeier [4][gegenüber der
Braunschweiger Zeitung]. Für Schuldzuweisungen und Bewertungen sei es zu
früh. Die Behörden gehen von mehreren Täter*innen aus.
Auf Anfrage der taz erklärte die Oberstaatsanwaltschaft, dass in der
Angelegenheit Kontakt zur Generalbundesanwaltschaft bestehe. Ob ein
Verfahren nach §129a wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung
eingeleitet wird, ist noch unsicher. Damit stünden deutlich erweiterte
Möglichkeiten zur digitalen und analogen Überwachung offen.
Ermittelt werde derzeit wegen des Verdachts auf Brandstiftung, versuchter
Brandstiftung und verfassungsfeindlicher Sabotage, so schreibt der Sprecher
der Staatsanwaltschaft. Die weiteren Ermittlungen müssten aufzeigen, ob
darüber hinaus auch „Anhaltspunkte für einen Betätigungsakt einer
terroristischen Vereinigung“ vorlägen.
Es gibt immer wieder Kritik an den Zuständen in der JVA Langenhagen, wo in
der Vergangenheit immer wieder Abschiebehäftlinge Suizid begangen haben.
Ein Vorwurf lautete, dass Beschwerden nicht nachgegangen werde. Derzeit
sind dort neun Abschiebehäftlinge untergebracht. Im vergangenen Jahr wurden
laut niedersächsischem Innenministerium 550 Menschen aus Niedersachsen
abgeschoben, davon 174 nach der Dublin-Verordnung.
Die Zahl liegt unter der des Vorjahres, weil Abschiebungen zum Teil durch
die Coronapandemie unmöglich waren. Am Dienstag soll laut Flüchtlingsrat
der nächste Abschiebeflug in das von Krisen erschütterte Kabul in
Afghanistan stattfinden. Der zweite seit Beginn der Pandemie.
12 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/in…
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/F…
[3] https://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/CDU-fordert-in-Nieders…
[4] https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article231296230/Feuer-a…
## AUTOREN
Michael Trammer
## TAGS
Brandanschlag
Terror
Asylpolitik
Indymedia
Radikale Linke
Rechtsextremismus
SPD Niedersachsen
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Niedersachsen
Abschiebehaft
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