# taz.de -- BKA-Zahlen zu Brandanschlägen: Wer war es, wenn es brennt? | |
> 378 politische Brandanschläge zählt das BKA seit 2018 – und fast alle von | |
> links. Die Linke kritisiert, die Polizei sei „auf dem rechten Auge | |
> blind“. | |
Bild: Am Tatort waren Hakenkreuze: Das durch einen Brandanschlag zerstörte Res… | |
BERLIN taz | Es ist eine ganze Serie an Brandanschlägen. In fünf Orten | |
[1][rund um Bremen] brannten seit Ende 2018 ein Restaurant und Bars von | |
Migranten, auch eine Wohnung. Das letzte Mal im Oktober 2020, mit einem | |
Schaden von 500.000 Euro. Täter wurden bis heute nicht gefasst, aber teils | |
rechte Symbole an die Tatorte gesprüht. Erst am Wochenende forderten | |
deshalb 120 Demonstrierende in Syke, einem der Tatorte: „Rechtem Terror | |
entgegentreten!“ | |
Auf der anderen Seite brannten zuletzt zehn Transporter auf dem Gelände der | |
[2][Aufnahmebehörde in Braunschweig], auch hier mit Schaden von einer | |
halben Million Euro. „Wir haben das mörderischen Abschiebesystem | |
angegriffen“, heißt es in einem Bekennerschreiben auf dem linken | |
Indymedia-Onlineportal. | |
Alles Einzelfälle? Oder Teil größerer Serien? Das Bundesinnenministerium | |
legt nun auf eine Linken-Anfrage Zahlen zu politisch motivierten | |
Brandanschlägen für die Jahre 2018 und 2019 vor und sieht ein deutliches | |
Ergebnis. Von den 378 beim Bundeskriminalamt erfassten Anschlägen werden | |
308 linken Tätern zugerechnet. Nur 17 Taten sollen von Rechtsextremen | |
verübt worden sein. Dazu kommen 20 Anschläge aufgrund „ausländischer | |
Ideologie“ und vier durch „religiöse Ideologie“. 29 Anschläge ließen s… | |
politisch nicht klar zuordnen. Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor. | |
Die linken Brandanschläge wurden dabei vorrangig in Berlin, Leipzig oder | |
München verübt, immerhin 17 aber auch in Kerpen am Hambacher Forst. Die | |
Brände in Leipzig richteten sich zuletzt etwa gegen die Polizei oder | |
Bauprojekte, die für eine Gentrifizierung verantwortlich gemacht werden. | |
Andernorts brannten Autos von Sicherheitsfirmen oder AfD-PolitikerInnen. | |
## Nur 17 Brandanschläge von rechts? | |
Bei den 17 rechtsextremen Angriffen erfolgten sechs auf Asylunterkünfte. In | |
vier Fällen wurden insgesamt 12 Tatverdächtige ermittelt, die meisten waren | |
polizeibekannt. Einer von ihnen war Mitglied der NPD, ein anderer bei den | |
Identitären. Die Bundesanwaltschaft hatte zwölf der rechten Anschläge | |
geprüft – letztlich aber keinen an sich gezogen. | |
Die Innenminister und der Verfassungsschutz hatten bereits zuletzt vor | |
einer „Radikalisierung im Linksextremismus“ gewarnt. Die Straftaten würden | |
„zunehmend aggressiver, gezielter, enthemmter“. Es bildeten sich | |
klandestine Kleingruppen, die ganze Tatserien begingen. Niedersachsens | |
Innenminister Boris Pistorius (SPD) prüft derzeit ein [3][Verbot von | |
Antifagruppen], die als gewalttätig eingestuft werden. | |
## „Wahrnehmungsproblem bei rechten Tathintergründen“ | |
Die große Diskrepanz zwischen den rechts- und linksextremen Anschlägen aber | |
macht die Linken-Innenexpertin Martina Renner, die die Anfrage stellte, | |
stutzig. Sie spricht von teils „nicht nachvollziehbaren und fragwürdigen | |
Einordnungen“, die überprüft werden müssten. So habe die Polizei wiederholt | |
bei Brandanschlägen gegen Migranten vorschnell ein rechtes Motiv | |
ausgeschlossen. Renner verweist auf den Angriff auf eine Unterkunft in | |
Schwabach im Juni 2018. Oder auf den Brandanschlag auf eine syrische | |
Familie in Magdeburg im Februar 2019. Dort habe die Polizei – erfolglos – | |
im Umfeld der Familie ermittelt. Auch der Anschlag werde aber weiterhin | |
nicht als rechtsextrem geführt. | |
„Offenbar gibt es ein Wahrnehmungsproblem, was rechte Tathintergründe | |
angeht“, kritisiert Renner. „Die Behörden sind auf dem rechten Auge blind. | |
Eine Entpolitisierung der Straftat passiert oft viel zu früh und ist ein | |
Schlag ins Gesicht der Betroffenen.“ | |
Im Fall der Brandserie im Bremer Umland kritisieren auch | |
[4][Opferberatungsstellen und der Flüchtlingsrat Niedersachsen], dass die | |
Ermittlungsbehörden „nicht konsequent von rechten Motiven und einer | |
rechtsextremen Anschlagsserie ausgehen“. Dass dies trotz teils gesprühter | |
rechter Symbole geschehe, sei „überhaupt nicht nachzuvollziehen“. Ihre | |
Mahnung: „Betroffene werden dann geschützt, wenn rechte Netzwerke | |
zerschlagen und Straftaten konsequent verfolgt werden.“ | |
16 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Brandanschlaege-im-Bremer-Umland/!5726508 | |
[2] /Anschlaege-auf-Abschiebebehoerden/!5738863 | |
[3] /Landesinnenminister-Pistorius-prueft-Verbot/!5743680 | |
[4] /Brandanschlaege-im-Bremer-Umland/!5726508 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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