| # taz.de -- Angriff auf Antifaschisten in Syke: „Das war vorbereitet“ | |
| > Vor einer Demo wurden drei Antifaschisten von mutmaßlich Rechtsextremen | |
| > verletzt. Es ist kein Einzelfall in der Region. | |
| Bild: Wegen eines Rauchtopfes stoppte die Polizei am Montag die Antifa-Demo geg… | |
| Syke taz | Immer wieder montags kommen die selbsternannten „Freiheitsboten | |
| Syke“ in der niedersächsischen Kleinstadt zusammen. Seit Monaten | |
| protestieren Querdenker*innen dort mit einem „Lichtermarsch“ gegen die | |
| staatlichen Pandemiemaßnahmen. | |
| Am vergangenen Montagabend aber nicht. Über 200 Demonstant*innen waren | |
| einem Aufruf zur „Demonstration gegen rechte Gewalt und | |
| Corona-Verharmloser“ gefolgt. Denn eine Woche zuvor, am Ostermontag, hatte | |
| eine Gruppe rechtsextremer Männer zwei junge Antifaschisten aus dem Ort | |
| angegriffen. „Das war gezielt“, sagt B., einer der Angegriffenen, der taz. | |
| „Das war vorbereitet“, ist sich auch L., der andere Angegriffene, sicher. | |
| Die zum Teil vermummten Täter verletzten die beiden 21-Jährigen mit | |
| Pfefferspray und Schlägen. | |
| Kurz nach 17.20 Uhr hätten die beiden zur regelmäßig stattfindenden | |
| Gegenkundgebung der „Jugendantifa Syke“ unter Mitwirkung von „Wir sind me… | |
| – Bündnis Diepholz“ gehen wollen, sagen sie. Der Treffpunkt liegt zwischen | |
| dem Restaurant „Hansa-Haus“ und der Post. Ihm sei aufgefallen, dass die | |
| Polizei anders als sonst noch nicht dagewesen sei, sagt B. Aber sieben oder | |
| acht Männer seien vor Ort gewesen, alle schwarz gekleidet und teils | |
| vermummt. Sie seien direkt auf die beiden jungen Männer zugegangen. | |
| „Wir wurden gefragt, ob wir zur Antifa gehören“, berichtet B. Als sie | |
| genickt hätten, hätten beide jeweils „eine volle Ladung Pfefferspray in die | |
| Gesichter“ bekommen und seien danach „zu Boden geworfen“ worden. B. habe | |
| dann auch einen Schlag ins Gesicht bekommen. Plötzlich habe einer der | |
| Angreifer gesagt: „Es reicht!“ „Dann sind die abgedampft“, erinnert sic… | |
| und sagt, dass er damit gerechnet habe, dass noch auf sie eingetreten | |
| werden würde. | |
| B., ein Brillenträger, habe kaum noch etwas sehen können, das ganze Gesicht | |
| habe gebrannt, die Augen seien zugeschwollen gewesen: „Ich hatte eine fette | |
| Beule am Kopf, blaue Flecken am Ellenbogen. L. traf es etwas weniger. Er | |
| rief einen Rettungswagen für mich herbei“, erzählt B. | |
| Daraufhin sei eine Polizeistreife gekommen und sie hätten erfahren, dass | |
| die unbekannte Angreifergruppe zunächst Jagd auf ein Bündnis-Mitglied aus | |
| Syke gemacht hatte, einen jungen Mann, T., der zu den Organisatoren der | |
| Anti-Rechts-Kundgebung zählte. Aber der junge Mann konnte in Richtung | |
| Innenstadt entkommen. Sie hätten ihm zugerufen: „Ey, komm mal her“, doch er | |
| habe „wirklich Angst“ gehabt, „die wirkten sehr bedrohlich“. Sie seien … | |
| kurz hinterhergelaufen, seien dann aber abgedreht – und auf L. und B. | |
| gestoßen. | |
| Ein Zeuge berichtete der Polizei, dass die Angreifergruppe in Richtung | |
| einer Shell-Tankstelle unterwegs sei, „die gingen wie bei einem | |
| Sonntagsspaziergang, als wenn nichts geschehen wäre“. Die anwesenden | |
| Polizisten sollen aber laut Angaben der Betroffenen gegenüber der taz keine | |
| Anstalten gemacht haben, der Gruppe zu folgen. Auch die Befragung durch | |
| eine Beamtin sei eher „lasch“ verlaufen, behaupten die jungen Männer. | |
| „Die Ermittlungen laufen“, sagt ein Sprecher der Polizeiinspektion Diepholz | |
| der taz. „Und sie sind noch offen.“ Die Angegriffenen hätten zwar gesagt: | |
| „Das waren Rechte“, sagt der Polizeipressesprecher, hätten sie aber nicht | |
| genauer beschreiben können. „Sie nannten keine Modemarken, Symbole oder | |
| Wörter, die in diese Richtung hindeuten“, erklärt er. „Wie auch?“, fragt | |
| B., er habe mit Pfefferspray in den Augen am Boden gelegen. Alle drei | |
| Betroffenen sind sich einig, dass zwei der Angreifer Glatzen hatten, einige | |
| seien vollständig vermummt gewesen. Sie hätten so gewirkt, als wären sie | |
| älter als 30 Jahre, sie seien eher „größer und breit bis dicklich“ gewes… | |
| „durchtrainiert“. | |
| Das die Angriffe gleich nach der Frage, ob sie zur Antifa gehören, erfolgt | |
| sind, ist für B., L. und T. mehr als ein Indiz. Sie sind überzeugt, dass | |
| der Angriff geplant war. Nicht nur sie glauben, die Angreifergruppe habe an | |
| dem Montag in Syke Menschen angehen wollen, die sich gegen rechts | |
| engagieren. | |
| ## Eine gefestigte rechtsextreme Szene | |
| Kurz vor Ostern hatten Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt mit | |
| einer Podiumsdiskussion öffentlich ihren Unmut darüber bekundet, dass die | |
| Polizei Diepholz nach nur einem Jahr die Ermittlungen nach dem | |
| [1][Brandanschlag auf das Restaurant Martini] im Februar 2020 ohne | |
| Aufklärung eingestellt hatte. Ebenso wie bei ähnlichen Bränden in | |
| Gnarrenburg und Ganderkesee hinterließen die Täter Nazi-Insignien ([2][taz | |
| berichtete]). Ein von der Polizei veröffentlichtes Überwachungsvideo aus | |
| Syke zeigt zwei jüngere Männer in unauffälliger, dunkler Kleidung, die | |
| Brandbeschleuniger im Schankraum verteilen und gut verständlich deutsch | |
| miteinander sprechen. | |
| Heike Kleffner vom Verband der Beratungsstellen wies bei der Veranstaltung | |
| darauf hin, dass sich in zwei Fällen Wohnungen über den ausländisch | |
| geführten Lokalen befanden, in denen Menschen schliefen. „Das ist nach | |
| gängiger Rechtssprechung mindestens versuchter Mord“, so Kleffner, „auf | |
| jeden Fall aber rechter Terror mit einer klaren Botschaft.“ | |
| Die zuständigen Polizeibehörden in Niedersachsen wollen nicht von einer | |
| politisch motivierten Brandserie sprechen, sondern gehen von Einzeltaten | |
| aus. Mitglieder von „Wir sind mehr – Bündnis Diepholz“ erinnern daran, d… | |
| sie sich wenige Tage vor der Brandstiftung im Syker Ortsteil Barrien | |
| ausgerechnet in dem Lokal getroffen hätten. | |
| Viele glauben nicht an einen Zufall. Sie wissen, dass es in der Region | |
| längst eine gefestigte rechtsextreme Szene gibt. Im März 2019 attackierte | |
| ebenfalls in Barrien ein „Reichsbürger“ einen Lokalpolitiker der CDU. Im | |
| ländlich geprägten Landkreis Diepholz schulte die NPD lange Jahre in einem | |
| eigenen Zentrum ihren Nachwuchs, im nahen Bassum trafen sich rechtsextreme | |
| Kulturschaffende. In Syke und Umgebung wohnen Mitglieder der | |
| Rechtsrock-Bands „Endstufe“ und Bunker 16“. Auch die AfD agiert in der | |
| Stadt an der Hache. | |
| Die selbsternannten „Freiheitsboten“ zogen sich vor dem vergangenen Montag | |
| aus Syke zurück: „Wir wünschen allen von der Gewalt befallenen Menschen | |
| sehr baldige, geistige Genesung, empfehlen eine tiefgehende Selbstreflexion | |
| und senden ihnen Liebe.“ Eine mehrdeutig klingende Botschaft der Gruppe, | |
| die angibt, selbst Angehörige an die Pandemie verloren zu haben – weshalb | |
| sie nun Märsche veranstalteten. | |
| 14 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andrea Röpke | |
| Andreas Speit | |
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