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# taz.de -- Brandanschläge im Bremer Umland: Laxe Ermittlungen?
> Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt fürchten, dass eine Reihe
> von Brandanschlägen falsch eingeschätzt und nicht konsequent verfolgt
> wird.
Bild: Opfer einer Brandstiftung im Februar 2020: die Bar „Martini“ in Syke
Hamburg taz | Bremervörde, Beverstedt, Ganderkesee, Gnarrenburg, Syke und
Vegesack: Fünf Orte in Niedersachsen unweit von Bremen und ein Bremer
Stadtteil, in denen bisher unbekannte Täter*innen seit 2018 Brandanschläge
auf Restaurants und Bars von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte
verübt haben sowie auf eine Wohnung. Die Existenzen der Betroffenen sind
weitgehend vernichtet, die Angst in den Communitys ist gewachsen.
In einer gemeinsamen Presseerklärung fordern die „Mobile Beratung gegen
Rechts“, der Flüchtlingsrat Niedersachsen und die Beratungsstellen für
Betroffene eine „systematische Aufklärung“ dieser Fälle. „Die Ermittlun…
müssen in den Kontext von rechter Gewalt gestellt und als Serie betrachtet
werden“, sagt Marc Weber von der niedersächsischen Beratungsstelle für
Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt.
Die Ermittlungsbehörden, gingen „nicht konsequent von rechten Motiven und
einer rechtsextremen Anschlagsserie“ aus, kritisiert Annika Hesselmann vom
Flüchtlingsrat. Und sie verweist auf eine Aussage eines Justizsprechers aus
Verden vor wenigen Tagen zu dem [1][Brandanschlag auf die Bar „Martini“ in
Syke] am 13. Februar.
Der Hannoverschen Allgemeinen hatte der Justizsprecher gesagt, dass die
Polizei zunächst wegen zwei Hakenkreuzen und der Parole „Ausländer raus“
einen fremdenfeindlichen Hintergrund vermutet habe, doch sei der
„rechtsextreme Hintergrund wohl entfallen“, da die Motive sich an der von
der Straße abgewandten Seite des Hauses befunden hätten. Rechtsextreme
wollten aber „ein gewisses Zeichen setzen und möchten, dass es gesehen
wird“.
Im Laufe der Ermittlungen hatten die Behörden schon früher erklärt, dass
die Schmierereien auch eine Finte sein könnten, um die Ermittler*innen auf
eine falsche Spur zu führen. „Solche Annahmen sind überhaupt nicht
nachvollziehbar“, findet Hesselmann. Auf die Eingangstür war ein Hakenkreuz
gemalt worden und in unmittelbarer Tatortnähe prangte „Ausländer raus“.
„Politik und Ermittlungsbehörden müssen rechte Gewalt als solche benennen�…
fordert Hesselmann.
Bei dem jüngsten Brandanschlag in Ganderkesee auf das „Don Gantero“ in der
Nacht zum 14. Oktober hinterließen die Täter*innen ein Hakenkreuz und die
„88“. Die Zahl acht steht für den achten Buchstaben im Alphabet. In der
rechten Szene bedeutet 88: „Heil Hitler“.
Das Hinterlassen der Symbole weise auf rechte Täter*innen hin, sagt auch
Jan Krieger von der Mobilen Beratung, und er sagt weiter, dass dieser
Hintergrund von den Ermittelnden ernst genommen werden sollte – auch um den
von rassistischer Gewalt Betroffenen zu zeigen, dass Bedrohungen und Gewalt
gegen Migrant*innen nicht bagatellisiert werden.
Die Aktivitäten der rechten Szene in der Region dürften nicht
heruntergespielt werden. „Seit Jahren besteht im Bremer Umland eine aktive
Szene, die sich aus verschiedenen Strukturen zusammensetzt“, sagt Krieger.
Und er erklärt, dass von einer Mischszene gesprochen werden müsse, deren
Akteur*innen aus den rechten Hooligan-Gruppierungen, dem Rechtsrock-Milieu
sowie den sogenannten Bruderschaften und Kameradschaften kämen.
Die Ermittlungen müssten in all den Fällen in alle Richtungen geführt
werden, fordert Christoph Kopke, Professor für Politikwissenschaft und
Zeitgeschichte an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Die
Einschätzung zu dem von der Straße aus nicht sichtbaren Hakenkreuz sei
allerdings nach dem Ermittlungsdesaster beim Terror des
Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) mehr als unglücklich.
Eine Lehre für die Sicherheitsbehörden aus dem NSU könne sein, dass die
Ermittler*innen wesentlich mehr Rücksicht auf die Betroffenen nehmen und
deren Aussagen ernster nehmen sollten. Eine weitere Lehre sei zudem,
politische Motive nicht zu früh auszuschließen. „Das ist State of the Art�…
sagt Kopke.
Darüber, ob bei den aktuellen Vorfällen im Bremer Umland Unfähigkeit oder
Unwille die Ermittlung färbe, möchte Kopke, der im Studiengang gehobener
Polizeivollzugsdienst Berliner Kommissaranwärter*innen unterrichtet, nicht
spekulieren. Bei keinem der Anschläge haben die Ermittler*innen bisher eine
Spur.
7 Nov 2020
## LINKS
[1] /Brandanschlag-auf-Restaurant-in-Syke/!5659994
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Rechtsextremismus
Niedersachsen
Brandstiftung
Rechte Gewalt
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt Rassismus
Rechte Gewalt
Niedersachsen
Rechte Szene
Nazis
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