# taz.de -- Landkreis hält Antifa-Broschüre zurück: „Skandalöser Eingriff… | |
> Der Landkreis Northeim bremst die Veröffentlichung der Broschüre „Die | |
> extreme Rechte in Südniedersachsen – eine unterschätzte Gefahr“. Warum? | |
Bild: Hat nicht nur hübsches Fachwerk, sondern auch Rechtsextreme: Northeim | |
OSNABRÜCK taz | Demokratie. Ein Wort, dass vielen leicht über die Lippen | |
geht. Aber wenn es ernst wird, wenn es gilt, die Demokratie aktiv zu | |
verteidigen, hakt es oft. | |
Im Landkreis Northeim hakt es derzeit besonders stark. Es geht um die | |
Broschüre „Die extreme Rechte in Südniedersachsen – eine unterschätzte | |
Gefahr“ des Vereins Antifaschistisches Bildungszentrum und Archiv Göttingen | |
(ABAG). Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ ist sie | |
zwar seit Wochen fertig, aber der Landkreis verhindert wohl ihre | |
Veröffentlichung. | |
1.500 Exemplare sind gedruckt und warten in der Buchbinderei auf die finale | |
Verarbeitung. Ein Jahr Arbeit hat das ABAG in die 60 Seiten gesteckt. Doch | |
der Landkreis Northeim bremse die Veröffentlichung aus „uns bis heute nicht | |
nachvollziehbaren Gründen“ aus, so das ABAG. Anfang September hatte alles | |
noch gut ausgesehen: Freigabe, auch nach Prüfung durch den Bund. Anfang | |
Oktober dann das Veto des Landkreises. Seither: Warten. | |
Wer dazu den Northeimer Verein Werk-statt-Schule fragt, die | |
Koordinationsstelle der „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis | |
Northeim“, bekommt nur vage Antworten. Der Kreis sehe „noch | |
Prüfungsbedarf“, sagt Maik Schwartau, der Geschäftsführer. „Stimmt, die | |
Broschüre ist fertig. Sobald die Freigabe kommt, kann sie verteilt werden.“ | |
Aber derzeit gehe das eben nicht. Schwartau, erst seit zwei Monaten im Amt, | |
ist vorsichtig. Der Stress ist ihm anzumerken. | |
Damian Ott, Mitarbeiter im ABAG, wird da deutlicher. „Ein skandalöser | |
Vorgang“, sagt er zum Stopp der Broschüre. „Eine Begründung ist uns bisher | |
weder von Werk-statt-Schule noch vom Landkreis Northeim zugegangen. Wie wir | |
jetzt weiter vorgehen, stimmen wir derzeit ab.“ | |
Die Kernerkenntnis der Broschüre ist alarmierend. „In Südniedersachsen gibt | |
es eine gut vernetzte, extreme Rechte“, sagt Ott, „eine gewalttätige | |
Neonaziszene, die Mobilisierungspotenzial hat.“ Entsprechend groß ist das | |
Interesse an der Broschüre all jener, „die sich Tag für Tag mit der | |
extremen Rechten in der Region auseinandersetzen müssen“, so das ABAG. | |
Unter ihnen ist zum Beispiel das Our House OM10, ein Göttinger Zentrum für | |
solidarisches und selbst verwaltetes Wohnen, aber auch für „Unterstützung | |
und politische Aktion“. In einer Stellungnahme zum Stopp der Broschüre | |
vermutet man dort, „dass antifaschistische Aufklärung und die Arbeit gegen | |
Rechtsextremismus politisch verhindert werden sollen“. Der Landkreis | |
Northeim müsse seinen „skandalösen Eingriff“ erklären. | |
Eine Aussage zum Veröffentlichungstermin könne „noch nicht getroffen | |
werden“, sagt Dirk Niemeyer, Pressesprecher des Landkreises, auf Anfrage | |
der taz. Die Broschüre sei, verwaltungsintern, noch „in der rechtlichen | |
Prüfung“. Es gelte, die gesetzlichen Rechte Dritter zu beachten, | |
„insbesondere nach dem Urheberrechtsgesetz und dem | |
Kunsturheberrechtsgesetz“. Eine Freigabe des Logos der „Partnerschaft für | |
Demokratie im Landkreis Northeim“ für den gewünschten Drucktermin sei | |
„daher nicht möglich“ gewesen. | |
Und dann ist da noch die Sache mit „Demokratie leben!“-Projektleiterin | |
Silke Doepner. Auf der Website von „Partnerschaft für Demokratie im | |
Landkreis Northeim“ wird sie zwar als „inhaltliche Ansprechpartnerin“ | |
genannt, aber das sei sie nicht mehr, sagt Damian Ott: „Sie wurde | |
begründungslos freigestellt, sagte sie uns. Ob es einen Zusammenhang mit | |
der Broschüre gibt, wissen wir zwar nicht, aber die zeitliche Nähe spricht | |
dafür, finden wir.“ | |
Our House OM10 versteht das als „Einschüchterung und den Versuch, eine | |
demokratische und lebendige Zivilgesellschaft zu verhindern“. Doepners | |
Arbeitgeberin, die Werk-statt-Schule, müsse die Gründe der Freistellung | |
erklären. Schwartau, auch hier hörbar unter Druck: „Über Personalfragen | |
kann ich so natürlich nichts sagen...“ | |
Die Werk-statt-Schule steht für „gemeinwohlorientierte Arbeit“. Der ideale | |
Partner also für das Programm „Demokratie leben!“, das antritt, | |
„Aktivitäten gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit zu | |
unterstützen“. Die 5.000 Euro aber, die „Demokratie leben!“ für „Die | |
extreme Rechte in Südniedersachsen – eine unterschätzte Gefahr“ bewilligt | |
hat, sind derzeit totes Kapital. | |
31 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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