| # taz.de -- Fehlendes Schulessen wegen Corona: „Kraftakt, sich gesund zu ern�… | |
| > Die Schulen sind erneut dicht – und damit bricht vielerorts das Essen | |
| > weg. Für arme Familien ist das ein zusätzliches Problem. Experten | |
| > schlagen Alarm. | |
| Bild: Nordirland: Verteilung von Schulessen an Grundschulen unter Pandemiebedin… | |
| Frankfurt am Main taz | Der erneute Coronalockdown [1][inklusive der | |
| Schulschließung] hat die Familie von Susanne Paulus (*Name geändert) hart | |
| getroffen: Distanzunterricht, ewiges aufeinander rumsitzen, das alleine ist | |
| schon anstrengend. Aber für die Familie aus dem Kreis Altenkirchen in | |
| Rheinlandpfalz ist die Situation nun auch ein handfestes materielles | |
| Problem: Für Paulus drei Schulkinder fällt mit den geschlossenen Schulen | |
| auch das [2][kostenlose Schulessen] weg. Das bekommt die Familie mit | |
| Hartz-IV-Bezug normalerweise kostenlos aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. | |
| „Es sind Mehrkosten von circa 100 bis 200 Euro im Monat, je nachdem was man | |
| an Essen macht“, rechnet ein anderer Familienvater aus Sachsen für seine | |
| drei Kinder vor. Auch bei ihm ist das Angebot gestrichen worden. Er habe | |
| mittlerweile zwar wieder Arbeit. Aber gerade mit Hartz IV wäre es knapp | |
| geworden, wenn eines seiner Kinder nicht noch zusätzliche Leistungen | |
| bekäme, weil es pflegebedürftig ist, sagt er. | |
| ## Eigentlich Lieferangebote geplant | |
| Dabei sollte es Fälle gar nicht geben. Schon im letzten Jahr verabschiedete | |
| die Bundesregierung das Sozialschutzpaket 2. Das sieht vor, dass Schulen, | |
| Kitas und Tagesbetreuungseinrichtungen für [3][Kinder aus armen Familien] | |
| kostenloses Mittagessen auch im Lockdown zum Mitnehmen oder Ausliefern | |
| bereitstellen können. Caterern werden sogar die anfallenden Mehrkosten | |
| bezahlt, wenn sie weniger Portionen als sonst kochen oder das Essen | |
| ausliefern. | |
| An einigen Orten, wie beispielsweise Leipzig, Potsdam, Oldenburg oder der | |
| Stadt Offenbach am Main, haben die Kommunen Abhol- oder Lieferangebote | |
| erarbeitet. Mal gibt es Kochboxen, anderenorts Lunchpakete zum Abholen. | |
| „Die Leistungen für das Essen werden den Caterern ganz normal weiter aus | |
| dem Budget des BuT bezahlt“, sagt Susanne Pfau, die Geschäftsführerin des | |
| kommunalen Jobcenters MainArbeit in Offenbach. | |
| Doch trotz der Möglichkeit – vielerorts scheitert es an der Umsetzung, das | |
| zeigt eine Recherche der taz. Eltern wie Susanne Paulus aus dem Kreis | |
| Altenkirchen, aus Neukölln, Voerde, Mainz, Hannover und dem Landkreis | |
| Barnim berichten, dass es bei ihnen vor Ort dieses Angebot nicht gibt. In | |
| Berlin hat das Thema sogar den Senat erreicht. | |
| Auf Anfrage bestätigen fast alle genannten Kommunen und Kreise der „taz“ | |
| diese Problematik. Essen gibt es wenn nur für Kinder in der Notbetreuung. | |
| Das Bezirksamt Neukölln und die Kommune Voerde haben allerdings auch nach | |
| einer Woche nicht auf die Nachfrage der taz reagiert. In Berlin belegen | |
| jedoch Medienberichte, dass es eine chaotische Situation in der Stadt gibt. | |
| ## Schelchte Ernährung hat schwerwiegende Folgen | |
| Wie groß das Problem genau ist, ist allerdings schwer zu sagen. | |
| Landeseweite oder auch nur kommunale Zahlen dazu sind kaum zu erhalten, | |
| zeigt eine stichprobenartige Abfrage der taz. Das Bildungsministerium in | |
| Rheinland-Pfalz erklärt beispielsweise, es habe keine Übersicht darüber, | |
| weil das Thema in der Zuständigkeit der jeweiligen kommunalen Schulträger | |
| liege. | |
| Doch auch dort herrscht nicht immer Klarheit darüber. Die Stadt Hannover | |
| erklärt: Das Angebot von Schulmittagessenfrage hänge „von der Entscheidung | |
| der jeweiligen Schule ab“. Doch ob und in welchem Maß die Schulen davon | |
| Gebrauch machen, sei dem Schulträger nicht bekannt, „da die Schulen dies | |
| nicht mitteilen.“ Eine vom Schulträger angebotene Alternative zum | |
| Mittagessen für BuT-berechtigte Kinder gebe es nicht. | |
| Bei den Tafeln macht sich die lückenhafte Umsetzung schon bemerkbar: „Uns | |
| ist die Problematik mit den wegfallenden Schulmittagessen durchaus bekannt. | |
| Das betrifft ja Familien, für die es sonst schon ein Kraftakt ist, sich | |
| ausreichend und gesund zu ernähren“, sagt der Vorsitzende der Tafel | |
| Deutschland, Jochen Brühl, gegenüber der taz. | |
| Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucher-Organisation Foodwatch, | |
| warnt vor den Folgen gegenüber der taz: „Der Hartz-IV-Regelsatz reicht | |
| ohnehin in seiner Höhe nicht für eine gesunde Ernährung. Das hat auch der | |
| wissenschaftliche Beirat des Agrarministeriums attestiert.“ Gerade bei | |
| Kindern habe eine unzureichende Ernährung fatale Folgen für deren | |
| Entwicklung. „Wenn nun also auch Schulessen wegfällt, ist das ein Problem.“ | |
| Schulische Essensangebote im Lockdown seien daher begrüßenswert, wenn diese | |
| coronakonform angeboten werden könnten. Aber Rücker betont: „Was es vor | |
| allem braucht, ist mehr Geld. Zum Beispiel ein 100 Euro Sofortzuschlag auf | |
| den Hartz-IV-Satz. Das hätte einen unmittelbaren Effekt für die Lage der | |
| Familien.“ | |
| Das sieht auch Jochen Brühl so: „Die Krise ist eine enorme Herausforderung | |
| für arme Menschen und angesichts von Forderungen wie einer | |
| FFP-2-Maskenpflicht ist dieser Zuschlag akut wie nie.“ | |
| Die Chancen darauf haben sich am Freitag zumindest etwas verbessert. Hatte | |
| Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Frühjahr noch Forderungen nach | |
| einem Sofortzuschlag abgelehnt, sagte er am Freitag gegenüber der | |
| Rheinischen Post: Es sei richtig, „jetzt zügig einen Zuschuss für Corona | |
| bedingte Belastungen zur Verfügung zu stellen“. | |
| 23 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Leimbach | |
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