# taz.de -- Hamburger Verkehrspolitik: Streit um den rechten Radweg | |
> Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) präsentiert eine Rekordbilanz beim | |
> Radwegeausbau. Die CDU kritisiert das als Mogelpackung. | |
Bild: Darf von Autos nicht befahren werden: Radfahrstreifen auf dem Ballindamm | |
HAMBURG taz | Das [1][Radverkehrsnetz] ist im vergangenen Jahr so stark | |
ausgebaut worden wie nie zuvor, wie die Verkehrsbehörde in einem kürzlich | |
veröffentlichten Bericht mitteilte. Die CDU bezeichnete diese | |
[2][Radverkehrsbilanz] als „dreiste Mogelpackung“. „Ein paar auf die | |
Straße gepinselte Linien machen noch keinen richtigen Radweg“, kritisierte | |
der Bürgerschaftsabgeordnete Richard Seelmaecker. Dirk Lau vom Radlerklub | |
ADFC wiederum bezeichnete das als „billige Kritik an einem durchaus | |
verbesserungswürdigen Programm“. | |
Der Radverkehr spielt eine große Rolle bei den Plänen der rot-grünen | |
Koalition für die [3][Verkehrswende] und damit auch für den Klimaschutz. | |
Bis 2030 sollen die Hamburger 80 Prozent im sogenannten Umweltverbund | |
zurücklegen, also entweder zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn. | |
Der Anteil des Fahrradverkehrs soll dafür von 15 auf 30 Prozent gesteigert | |
werden. Im vergangenen Jahr hat Hamburg dabei einen großen Sprung gemacht: | |
An den 38 Fahrradpegeln sind ein Drittel mehr Radler als im Vorjahr gezählt | |
worden. | |
Das mag auch daran liegen, dass die Infrastruktur kräftig ausgebaut wurde. | |
62 Kilometer Radwege hat die Stadt 2020 neu gebaut oder saniert – 63 | |
Prozent mehr als im Vorjahr. Die bisherige Höchstmarke lag bei 43 | |
Kilometern und stammte aus dem Jahr 2016. 60 bis 80 Kilometer hat sich der | |
rot-grüne Senat zum Ziel gesetzt. | |
## CDU kritisiert Provisorien | |
Der CDUler Seelmaecker wirft Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) vor, | |
um schöner Schlagzeilen willen mit „durchschaubaren Statistik-Tricks“ zu | |
arbeiten. Denn rund die Hälfte der Baumaßnahmen bezog sich auf | |
Radfahrstreifen und nur ein Viertel auf Radwege im klassischen Sinn. „Es | |
spricht Bände, dass ausgerechnet diese Provisorien den Löwenanteil des | |
knapp erreichten Koalitionsziels bilden“, sagt Seelmaecker. Richtige | |
Radverkehrsförderung sehe anders aus. | |
Unter „richtigen Radwegen“ versteht die CDU hochbordige auf dem Bürgersteig | |
– und hat darin einen klaren Dissens mit dem [4][ADFC]. Der Radlerklub | |
spricht sich schon seit Jahren dafür aus, Fahrradspuren von der Fahrbahn | |
abzutrennen, möglichst gesichert, etwa durch Poller. „Wir wollen den Platz | |
von den Autos haben“, sagt Lau. | |
Der ADFC-Sprecher freut sich, „dass unter der neuen Behördenleitung endlich | |
mehr Schwung in den Umbau Hamburgs hin zu einer fahrrad- und | |
fußgängerfreundlichen Stadt kommt“. Um den Rückstand zu Städten wie | |
Kopenhagen aufzuholen, müsse Hamburg jetzt klotzen. Gekleckert hätten | |
Tjarks’ Vorgänger schon viel zu lange. | |
Dabei spricht sich der ADFC gerade auch für die von der CDU so geschmähten | |
Provisorien aus. „Hamburg könnte mehr Mut bei Verkehrsversuchen zeigen und | |
auch schnellere Lösungsansätze auf die Straße bringen“, findet Lau. Neben | |
schnell und vorläufig eingerichteten Pop-up-Radwegen könnten das Maßnahmen | |
wie mehr Tempo-30-Zonen, autoarme Wohnquartiere oder die Umwidmung von | |
Kfz-Abstellplätzen zu Fahrradparkplätzen in Wohnstraßen sein. | |
Erst im Oktober hat der ADFC dem Verkehrssenator eine Online-Petition mit | |
13.000 Unterschriften für mehr Pop-up-Radwege übergeben. Beigelegt war eine | |
Liste mit 144 Vorschlägen. | |
## Eine Frage der Qualität | |
Lau stört, dass unklar ist, wie viele der vom Senat ausgewiesenen Kilometer | |
nur saniert statt neu gebaut worden sind. „Es hilft wenig, wenn an der | |
Hoheluftchausee 500 Meter alter Radweg saniert werden“, kritisiert er. | |
Qualität beim Radwegebau sei wichtiger als einen Streckenrekord | |
aufzustellen. Dazu gehöre auch, dass sich alle Radler sicher fühlten. | |
Zu den Erfolgsmeldungen des Senats gehört auch, dass der Ausbau des | |
[5][Veloroutennetzes], also der 14 Hauptrouten für den Alltagsverkehr, | |
besser vorangekommen sei als in den Vorjahren. Das Netz mit einer | |
Gesamtlänge von 280 Kilometern sei inzwischen zu zwei Dritteln fertig. | |
„Erst zu zwei Dritteln“, sagt Seelmaecker. Schließlich sei die | |
Fertigstellung 2011 spätestens für Ende 2019 versprochen worden. CDU und | |
Grüne hatten das 2008 sogar für 2015 angepeilt. | |
29 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-um-den-Strassenraum/!5711151 | |
[2] https://www.skyfish.com/p/fhh/1866039?predicate=label&direction=asc | |
[3] /Hamburgs-Gruene-wollen-Verkehrswende/!5686368 | |
[4] https://hamburg.adfc.de/ | |
[5] https://www.hamburg.de/fahrradfahren-in-hamburg/300372/velorouten/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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