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# taz.de -- Ermordeter Journalist Elyas Dayee: Erst mit dem Tod sichtbar
> Berichterstattung in Afghanistan ist lebensgefährlich. Doch den Ruhm für
> die Arbeit vor Ort ernten meist die privilegierten westlichen Kollegen.
Bild: Bekam zu Lebzeiten wenig Aufmerksamkeit für seine Arbeit: Elyas Dayee
2020 endete in der afghanischen Medienszene mit Trauer. Mindestens acht
Journalisten und Medienschaffende wurden im vergangenen Jahr durch gezielte
Anschläge getötet. All diese Anschläge waren gleichermaßen verheerend und
fürchterlich. Die [1][Ermordung des Journalisten Elyas Dayee] löste
allerdings eine wichtige Debatte aus.
Dayee wurde im November in der Provinz Helmand getötet. Sein Bruder,
ebenfalls Journalist, wurde verletzt. Die beiden Brüder waren vor allem für
westliche Medien tätig, darunter etwa Radio Free Liberty Europe, in
Afghanistan bekannt als Radio Azadi, sowie die Deutsche Welle. Die
Identität der Täter ist weiterhin ungeklärt. Keine Gruppierung bekannte
sich zu dem Anschlag. Fakt ist allerdings, dass Afghanistan aktuell das
wohl tödlichste Land für Journalisten ist.
Dayee war zum damaligen Zeitpunkt [2][der zweite Journalist, der innerhalb
einer Woche getötet wurde]. Kurz zuvor wurde Yama Siawash, ehemals ein
bekannter Nachrichtensprecher, durch einen Anschlag in der Hauptstadt Kabul
getötet. Alle Kriegsakteure gehen [3][gegen Medienschaffende,
Intellektuelle und Dissidenten] vor.
Es betrifft nicht nur die Taliban, die von der westlichen Berichterstattung
die meiste Aufmerksamkeit erhalten, sondern mittlerweile auch die
afghanische IS-Zelle und die afghanische Regierung sowie ihre
Sicherheitsorgane, allen voran ihren Geheimdienst, den NDS.
## Nur als Fixer betrachtet
Es liegt nahe, dass einer der genannten Akteure Dayee auf dem Gewissen hat.
Kurz nach dessen Ermordung stellten viele Beobachter den Umgang mit
afghanischen Lokaljournalisten, die als sogenannte Fixer von ihren
privilegierten, westlichen Kollegen oftmals in vielerlei Hinsicht
ausgebeutet werden, infrage. Bei Fixern handelt es sich im journalistischen
Jargon um Personen, die vor allem in Kriegsregionen sowie in Ländern des
globalen Südens ausländischen – meist westlichen – Journalisten Zugang zu
gewissen Themen, Regionen und Personen ermöglichen, oftmals unter Einsatz
des eigenen Lebens.
In vielen Fällen agieren Fixer auch als Übersetzer und kulturelle
Brückenbauer. Trotz seiner Professionalität wurde auch Dayee von seinen
westlichen Kollegen als ein Fixer betrachtet, der ebenjenen Zugang
ermöglichte. Immerhin lebte und arbeitete er in Helmand, das seit Jahren zu
den bekanntesten Unruheherden Afghanistans gehört und in regelmäßigen
Abständen kurz vor der kompletten Taliban-Eroberung stand.
## Dayee riskierte sein Leben, Lob kriegen andere
Nach Dayees Tod meldeten sich zahlreiche weiße Journalisten,
Wissenschaftler und Aktivisten zu Wort. Sie drückten ihr Beileid aus und
bedankten sich gleichzeitig ein letztes Mal für die „gemeinsame Mitarbeit“.
Dies machte allerdings stutzig. In all den Berichten und Fallstudien von
namhaften Medien und Institutionen, die ebenjene Personen vertreten, konnte
man praktisch nirgendwo den Namen Elyas Dayee finden. In einigen Fällen
hatte diese Anonymität Sicherheitsgründe. Doch in vielen Fällen hat Dayees
Unsichtbarkeit vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass der westliche Kollege
sich einfach selbst in den Vordergrund stellen wollte.
Dies gehört leider seit Jahren zum Alltag in Afghanistan und anderswo.
Menschen wie Dayee machen die Hauptarbeit und riskieren ihr Leben, während
Lob, Anerkennung und sogar auch Preise – wie die Relotius-Affäre in
Deutschland deutlich gemacht hat – in London, Washington oder Berlin von
anderen eingeheimst wird. Hinzu kommt natürlich die Frage, inwiefern die
Resultate überhaupt die Realität vor Ort tatsächlich reflektieren.
## Selbst abgehärtete Kollegen wollen fliehen
Elyas Dayee war jemand, der mutig sein Leben riskierte und dem wir viele
Einblicke zu verdanken haben. Umso trauriger ist die Tatsache, dass sein
Name aufgrund der Selbstinszenierung anderer erst nach seiner Ermordung
berühmt wurde. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen afghanischen
Journalisten, die in diesen Tagen um ihr Leben bangen oder der Gewalt
bereits zum Opfer gefallen sind.
Ihre Sicherheit kann nur durch Druck und Intervention seitens der
internationalen Staatengemeinschaft garantiert werden. Doch [4][darauf
hofft kaum jemand mehr]. Selbst abgehärtete Kollegen wollen das Land
verlassen und flüchten. Heuer wird sich der Nato-Einmarsch am Hindukusch
zum 20. Mal jähren. Amerikas „längster Krieg“ darf nicht vergessen werden.
Ohne Journalisten, die darüber berichten, ist dies allerdings schwer
möglich.
24 Jan 2021
## LINKS
[1] https://gandhara.rferl.org/a/afghan-journalist-braved-great-dangers-on-helm…
[2] https://www.aljazeera.com/news/2020/11/12/a-great-loss-afghan-journalist-ki…
[3] /Gewalt-in-Afghanistan/!5740497
[4] /Aufstaendische-am-Hindukusch/!5670563
## AUTOREN
Emran Feroz
## TAGS
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