# taz.de -- CDU in Sachsen-Anhalt: „CDU muss konservativ sein dürfen“ | |
> Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Markus Kurze, über | |
> Rundfunkgebühren und die Grenzen von Schwarz-Rot-Grün. | |
Bild: Markus Kurze von der CDU Sachsen-Anhalt würde lieber mi der FDP als mit … | |
taz: Herr Kurze, fangen wir mal bei den Inhalten an: Kurz zusammengefasst | |
in Ihren Worten: Was ist da in den vergangenen Wochen passiert in | |
Sachsen-Anhalt? | |
Markus Kurze: In Sachsen-Anhalt hat sich eine spannende Diskussion über den | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk entfacht, die am Ende in ganz Deutschland | |
diskutiert wird. | |
Warum war das am Ende für ganz Deutschland so spannend? | |
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist richtig und wichtig, aber er scheint | |
in den letzten Jahrzehnten an vielen Stellen zu groß und zu teuer geworden | |
zu sein. Deshalb hatten wir 2016 im Koalitionsvertrag mit der ersten | |
Kenia-Koalition festgeschrieben, dass wir über 2020 hinaus an der | |
Beitragsstabilität festhalten wollen. In diesem Jahr war die Debatte dran – | |
es konnte keinen verwundern, dass wir diese Meinung, die wir dort | |
festgeschrieben haben, auch vertreten wollen. | |
Nur unsere Koalitionspartner haben die Beitragsstabilität anders | |
interpretiert, nämlich als Inflationsausgleich. Aber das ist eine | |
fehlgeleitete Debatte. [1][Hier geht es nicht um 86 Cent], sondern um 38 | |
Milliarden Euro im System und dazu sollen noch 1,5 Milliarden durch die | |
Erhöhung kommen. | |
Machen Sie da nicht mit der AfD gemeinsame Sache, die die Erhöhung des | |
Rundfunkbeitrags ebenfalls ablehnt? | |
Der Bundestagspräsident hat das auf den Punkt gebracht: Wenn die AfD sagt, | |
2 plus 2 ist 4, dann kann kein anderer sagen, es ist fünf. Aber auch | |
derjenige, der zustimmt, kann nicht dafür verurteilt werden. Das war eine | |
unfaire Debatte, die die Parteispitzen der SPD und der Grünen versuchten, | |
uns überzustülpen. [2][Wir haben nicht gemeinsame Sache mit der AfD | |
gemacht.] Vor fünfzehn Jahren, als wir unsere Position dazu entwickelt | |
haben, gab es noch keine AfD. Die AfD hat ja eine völlig andere | |
Herangehensweise, wo es grundsätzlich darum geht, den Beitrag abzuschaffen. | |
Das wollen wir nicht. | |
Landesinnenminister Holger Stahlknecht wurde im Zuge des Streits entlassen, | |
weil er sich für eine CDU-Minderheitsregierung ausgesprochen hatte – | |
zwangsweise gestützt von der AfD. Halten Sie seine Entlassung für unfair? | |
Einem Parteivorsitzenden wie Herrn Stahlknecht steht es zu, dass er sich an | |
die Seite der Partei und der Fraktion stellt. Man hätte das vielleicht in | |
einer nicht ganz so zugespitzten Form machen müssen – und auch der | |
Zeitpunkt war nicht glücklich gewählt. | |
Nun hat Stahlknecht ja aber nicht nur an der Seite seiner Partei gestanden, | |
sondern sich tatsächlich auch für eine Minderheitsregierung ausgesprochen, | |
sollten sich die Koalitionspartner nicht einigen können. Wie stehen Sie zu | |
einer CDU-Minderheitsregierung? | |
Wir haben nach fast fünf Jahren als Koalition ein ordentliches Ergebnis auf | |
den Tisch gelegt – obwohl wir so unterschiedliche Partner sind. Eine | |
stabile Regierung, also eine Regierung mit einer Mehrheit, ist immer besser | |
als irgendeine Minderheitsregierung. Deshalb ist es auch mein Interesse, | |
dass wir weiterhin eine stabile Regierung haben. Wir haben den Konflikt | |
auch gelöst. | |
Es gehört mit dazu, dass man sich in der Sache hart auseinandersetzt, und | |
danach trinkt man trotzdem einen Kaffee. Aber es gehört eben auch dazu, | |
dass mal jemand mit dem Säbel rasselt, [3][das machen ja SPD und Grüne | |
auch]. Uns muss auch zugestanden werden, dass wir nicht zu sehr von denen, | |
die links neben uns stehen, in eine Ecke getrieben werden. Die Union ist | |
eine Volkspartei, die in der Mitte steht. Die hat sicherlich ihre Flügel, | |
keine Frage, aber sie muss auch konservativ sein dürfen. | |
Von außen scheint es insbesondere nach der Debatte über die | |
Rundfunkgebühren so, als gebe es zwischen diesen gemäßigten bis rechten | |
Flügeln innerhalb der Fraktion eine Spaltung. Sehen Sie da eine Bruchlinie? | |
Nein. Wir haben keinen Bruch in der Fraktion. Wir haben nun fünf Jahre die | |
erste Kenia-Koalition gemeistert. Das ist auch manchmal schwierig. Ich | |
könnte mir auch lieber vorstellen, wieder mit der FDP eine gemeinsame | |
Regierung zu machen. Aber wir haben auch mit der SPD in einer | |
Zweierkoalition gut regiert. Zu dritt ist es schon etwas schwieriger. | |
Innerhalb der Fraktion gibt es da immer wieder den ein oder anderen, der | |
sich profilieren will. Das heißt aber nicht, dass es hier Risse gibt. | |
Es sind also vor allem die Grünen, mit denen es schwierig ist, zu regieren? | |
Je kleiner die Gruppe, desto schwieriger ist es manchmal. | |
Eine Frage der Größe und nicht der Ideologie? | |
Mal so, mal so. Zu zweit ist man sich schneller einig. Eine Dreierkoalition | |
mit der SPD und den Grünen kennt ja niemand in ländlichen Regionen. Kleine | |
Fraktionen können dann auch mal ideologischer sein, als es von Nutzen ist. | |
Dennoch gibt es nach den aktuellen Umfragewerten mit Blick auf die | |
Landtagswahl im Juni 2021 keine Alternative zur Kenia-Koalition. | |
Vielleicht schafft es die FDP ja, dann könnte es auch eine andere | |
Dreier-Lösung geben. Möglich ist alles. | |
Auch eine Koalition mit der AfD? | |
Nein, da haben wir unsere Beschlüsse. An denen hat sich nichts geändert. | |
Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen uns abgrenzen, aber keinen | |
ausgrenzen. In dem Moment, wo man jemanden ausgrenzt, macht man ihn zum | |
Märtyrer. Gedankenspiele, die irgendwelche Kollegen dahingehend mal | |
geäußert haben, sind nicht mehrheitsfähig. | |
Für wie radikal halten Sie die AfD in Sachsen-Anhalt? | |
Um festzustellen, ob eine Partei ins Radikale abdriftet, haben wir andere | |
Institutionen. Für uns kann ich nur noch mal sagen: Es gibt keine Koalition | |
und keine Zusammenarbeit mit der AfD. Was man nicht vermeiden kann, ist, | |
dass man sich auch mal unterhält. Man muss ja als Mensch normal miteinander | |
umgehen. Man hat ja auch Sympathien. Ich setze mich mit Frau von Angern | |
(Fraktionsvorsitzende der Linken, Anm. d. Red.) auch hin und trinke mit ihr | |
einen Kaffee. | |
Dennoch gibt es ja auch Dinge, die über einen Kaffee hinausgehen. 2017 | |
stimmten weite Teile der CDU-Fraktion für einen Antrag der AfD zur Bildung | |
einer Linksextremismus-Enquete-Kommission. In diesem Jahr enthielt sich | |
die CDU bei dem AfD-Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum Thema | |
„Linksextremismus“ – SPD, Grüne und die Linke stimmten dagegen. | |
Das ist doch klar, das ist das Minderheitenrecht, das steht in der | |
Verfassung. Das hat nichts damit zu tun, dass wir da etwas unterstützt | |
haben. Die anderen haben es geschickt geschafft, das politisch so | |
darzustellen, aber an sich ist das falsch. | |
Erklären Sie das doch bitte noch mal für Nichtparlamentarier:innen. | |
Es gibt die Möglichkeit, dass eine Minderheit im Parlament einen | |
Untersuchungsausschuss beantragen kann. Das ist verfassungsrechtlich | |
garantiert. Da kann man auch nicht dagegen stimmen, denn dann kann die | |
Minderheit zum Gericht laufen und ihr Recht feststellen lassen. Deshalb | |
wollten wir uns nicht als diejenigen hinstellen lassen, denen man | |
undemokratisches Verhalten vorwirft. Die Minderheitenrechte müssen für alle | |
gelten. Die haben für die Linken gegolten, dann müssen sie auch für die | |
Rechten gelten. | |
Und die gemeinsame Abstimmung mit der AfD 2017? | |
Angriffe auf die Union sind führend, wenn es um in der Regel | |
linksorientierte Sachbeschädigungen an Wahlkreisbüros geht. Dass es dann | |
auch Kollegen gibt, die sagen, „beleuchten wir den Linksextremismus mal | |
näher“, das kann man hier keinem verdenken. Bevor es die AfD gab, war der | |
Hauptfeind von Linksradikalen die CDU. | |
CDU und AfD als gemeinsames Bollwerk gegen Linksradikalismus? | |
Nein, der Punkt ist: Bevor es die AfD gab, haben wir den ganzen Scheiß | |
abgekriegt. Jetzt gibt es die AfD, jetzt hat das bei uns Gott sei Dank | |
nachgelassen. Aber ich möchte nicht in der Haut von dem ein oder anderen | |
Kollegen stecken, bei dem die Scheiben eingeschmissen werden. Man muss in | |
einer Demokratie aushalten, dass es andere Meinungen gibt, ob man die gut | |
findet oder nicht. | |
Schauen wir noch mal auf die Landtagswahl 2021. Ist die Koalition mit | |
Grünen und SPD eine Regierung mit Zukunft? | |
Ich denke schon, dass man auch Schnittmengen mit SPD und Grünen findet. | |
Unsere Grünen sind ja nicht so wie die Baden-Württemberger, sondern auch | |
manchmal ein bisschen linker. Aber auch damit muss man umgehen. Dann müssen | |
die eben auch mit dem ein oder anderen bei uns umgehen. Was nicht gut für | |
die Entwicklung eines Landes sein würde, wäre, wenn man sich nun auf eine | |
andere Minderheitenregierung konzentrieren würde. Thüringer Verhältnisse, | |
also Rot-Rot-Grün in der Minderheit, [4][das ist nicht das Nonplusultra für | |
vernünftige, stabile Politik]. | |
Rot-Rot-Grün halten Sie in Sachsen-Anhalt für ausgeschlossen? | |
Das können wir ja nicht entscheiden. Aber wir werden dafür werben, dass man | |
weiterhin eine stabile Regierung der Mitte versucht zu verankern und nicht | |
zu sehr nach links rückt. | |
Wie wird die CDU in Sachsen-Anhalt ansonsten aufgestellt sein? | |
Wir haben 41 Wahlkreise und 19 neue Kandidaten. Die Fraktion wird sich | |
verändern, sie wird auf alle Fälle weiblicher, das ist bei uns ja immer ein | |
nicht so einfaches Thema. Es müssen sich eben auch Frauen finden, die sich | |
das trauen. Aber wir sind froh, dass wir da einige gefunden haben. Und es | |
sind auch nicht nur Ältere. | |
Jung und weiblich, das klingt nach einem Aufbruch. Ein „progressiver | |
Konservativismus“ für Sachsen-Anhalt? | |
Ich denke schon, das kann sich sehen lassen. Wir sind ganz zufrieden mit | |
dem Gesamtmix. | |
31 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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