# taz.de -- Haseloff verhindert Abstimmung: Radio Anhalt | |
> In Sachsen-Anhalt gelingt es dem Regierungschef mit einem Kniff, dass die | |
> CDU nicht mit der AfD stimmt. Unklar ist, ob seine Strategie aufgeht. | |
Bild: Für sie ging ein Adventswunsch in Erfüllung: Mitglieder der CDU-Fraktio… | |
Leipzig und Berlin taz | Fast hatte es so ausgesehen, als würde die | |
Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt an einem Centbetrag scheitern, | |
CDU-Ministerpräsident [1][Reiner Haseloff hat den Bruch nun vorerst | |
abgewendet.] Er verkündete am Dienstag in der Kabinettssitzung, dass er die | |
geplante Abstimmung zur Zustimmung zum Staatsvertrag für die Anhebung des | |
Rundfunkbeitrages zurückziehe. Zuvor hatte sich die CDU knapp einen Monat | |
in der Frage intern zerlegt und mit ihren Koalitionspartner:innen von | |
Grünen und SPD gerungen. [2][Denn bei den Rundfunkbeiträgen hätte die | |
CDU-Fraktion ansonsten wohl mit der AfD gestimmt.] Unterdessen kann die | |
Koalition in Sachsen-Anhalt auch nur weiterregieren, weil die | |
Regierungspartner:innen von SPD und Grünen nach eigenen Angaben einen | |
Bruch zu Pandemiezeiten verhindern wollen. | |
Schon lange ging es in Sachsen-Anhalt nicht mehr um den Anstieg der | |
Rundfunkbeiträge um 86 Cent. In Magdeburg war in den vergangenen Wochen zu | |
beobachten, wie die Kenia-Koalition langsam aber sicher auf eine | |
Regierungskrise zusteuerte – nur sieben Monate vor der Landtagswahl und | |
inmitten der Coronapandemie. Um zu verhindern, dass die CDU in die Lage | |
kommt, gemeinsam mit der AfD gegen den Rundfunkbeitrag zu stimmen, handelte | |
Haseloff nun im Alleingang. | |
Eigentlich wäre das Grund genug, den Koalitionsvertrag aufzukündigen. | |
Grünen-Vorsitzende Cornelia Lüddemann zeigte sich empört über den Ausgang | |
und sieht darin ein Zeichen für Regierungsunfähigkeit. „Das ist ein klarer | |
Ausdruck des desaströsen Zustands der CDU“, sagte Lüddemann der taz. „Die | |
internen Machtkämpfe haben hier total durchgeschlagen.“ Dennoch kündigte | |
sie zähneknirschend an, die Koalition nicht zu Bruch gehen zu lassen.„Man | |
darf dieser regierungsunfähigen CDU nicht das Land überlassen“, so | |
Lüddemann. | |
## Die Koalitionspartner:innen geben sich staatstragend | |
Die SPD hält sich mit scharfer Kritik an der CDU zurück. „Wir hätten den | |
Staatsvertrag mit der CDU gerne beschlossen. Das ist kein guter Tag für die | |
Medienpolitik in Deutschland“, sagte Katja Pähle, SPD-Fraktionschefin in | |
Magdeburg. Die SPD kritisiert, dass Sachsen-Anhalt nun den Staatsvertrag | |
blockiert, die Landes-CDU aber habe ihr politisches Ziel erreicht: Es gibt | |
keine gemeinsame Abstimmung im Landtag von CDU und AfD. Andererseits | |
zerbreche die Kenia-Koalition nicht inmitten der Pandemie. „Haseloff hat | |
gesehen, wie unverrückbar die Positionen von CDU, SPD und Grünen sind. Und | |
er wollte, dass die Koalition zusammenbleibt. Deshalb hat er so | |
entschieden. Wir nehmen das zur Kenntnis“, so Pähle zur taz. | |
Damit hat man, so sehen es die Sozialdemokraten, vermieden, sich direkt von | |
Haseloff vereinnahmen zu lassen. Der Ministerpräsident hatte Anfang letzter | |
Woche vorgeschlagen, dass die Kenia-Fraktionen im Landtag wegen der | |
Pandemiekosten den Staatsvertrag von der Tagesordnung nehmen und | |
Nachverhandlungen mit den anderen Bundesländern anstreben sollten – die | |
allerdings keines der 15 anderen Länder will. Damit wäre die SPD direkt | |
daran beteiligt gewesen, den Staatsvertrag zu versenken. „Das ist“, so | |
Pähle mit Blick auf die Entscheidung Haseloffs, „schon ein deutlich anderes | |
Verfahren.“ Das Ergebnis ist indes das Gleiche: Der Staatsvertrag ist vom | |
Tisch. Nur der Weg dorthin sieht für die SPD etwas weniger hässlich aus. | |
Die Linksfraktion macht hinter den Deal zwei Fragezeichen. Das Verfahren, | |
so Fraktionsvize Stefan Gebhardt, „sagt viel über das Demokratieverständnis | |
der Kenia-Koalition aus. Der Staatsvertrag wurde durch die Hintertür | |
gekillt.“ Außerdem bezweifelt die Linksfraktion, dass der Ministerpräsident | |
das Recht hat, den Staatsvertrag zurückzuziehen, den die Koalition | |
eingebracht hatte. | |
Die Linksfraktion lässt nun vom Wissenschaftlichen Dienst des Landtags | |
prüfen, ob auch das Kabinett den Staatsvertrag aus dem parlamentarischen | |
Verfahren zurückziehen müsste. Dann aber müssten auch die Minister:innen | |
von SPD und Grünen an der Beerdigung des Staatsvertrags aktiv mitwirken – | |
und könnten nicht nur zur Kenntnis nehmen, was Haseloff tut. | |
Linken-Fraktionsvize Gebhardt weist zudem auf eine drohende Gefahr für | |
Sachsen-Anhalt hin. | |
## Wer profitiert von dem Geschacher? | |
Die Regierungen des Saarlands, Bremens und Hessens prüfen wegen des | |
86-Cent-Vetos eine Klage – auch Medienhäuser wie der MDR haben dies bereits | |
angekündigt. | |
Für Markus Kurze, den parlamentarischen Geschäftsführer und | |
medienpolitischen Sprecher der CDU Sachsen-Anhalt, ist die Entscheidung | |
Haseloffs eine „vernünftige Lösung“. Man habe unter Beweis gestellt, dass | |
es eine „stabile Regierung“ gebe. | |
Profiteur des politischen Kammerspiel von Sachsen-Anhalt könnte langfristig | |
die AfD sein. Ministerpräsident Haseloff verfolgt seit jeher den Kurs, | |
keine Zusammenarbeit mit der AfD zuzulassen. Diese Einstellung teilen | |
jedoch nicht alle in seiner Partei. Erst vergangenen Freitag entließ | |
Haseloff den Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), weil dieser sich in | |
einem Interview für eine Minderheitsregierung der CDU ausgesprochen hatte. | |
Eine Option, die zwangsläufig auf eine Zusammenarbeit mit der AfD | |
hinausgelaufen wäre. | |
Während die Koalition sich über eine notwendige Abgrenzung zu den Rechten | |
zerstreitet, wittert die AfD Stimmenzuwachs bei der kommenden Landtagswahl | |
am 6. Juni. Der Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner kritisierte die | |
Politik der CDU und sagte der taz, er glaube, die AfD werde „gestärkt aus | |
der Debatte herausgehen“. | |
Schon jetzt zeigen die Umfragewerte in Sachsen-Anhalt für die Rechten nach | |
oben, während die Zustimmung bei der CDU immer weiter sinkt. Neueste Zahlen | |
von Anfang Dezember trennten die beiden Parteien lediglich sechs | |
Prozentpunkte. Prozentpunkte, die für eine Landtagswahl entscheidend sein | |
könnten. | |
8 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-ueber-Erhoehung-des-Rundfunkbeitrags/!5737020 | |
[2] /Koalitionsstreit-in-Sachsen-Anhalt/!5729571 | |
## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
Stefan Reinecke | |
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